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Gasnetzbetreiber legen Plan für deutschlandweites Wasserstoffnetz vor

Die Betreiber der Gas-Fernleitungen legen den Entwurf für knapp 6000 Kilometer langes Transportnetz vor. Sie greifen dabei auf bestehende Infrastruktur zurück.

Teile des bestehenden Netzes sollen auch zum Transport von Wasserstoff genutzt werden. Foto: dpa
Teile des bestehenden Netzes sollen auch zum Transport von Wasserstoff genutzt werden. Foto: dpa

Die Gaswirtschaft stellt die Weichen für den deutschlandweiten Einsatz von Wasserstoff im großen Maßstab. Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) hat den Plan für ein 5.900 Kilometer langes Wasserstoffnetz entworfen, das die künftigen Erzeugungszentren von Wasserstoff im Norden Deutschlands mit den großen Abnehmern im Westen und Süden verbinden soll. Der Plan liegt dem Handelsblatt vor.

Die VNB Gas vereint die großen überregionalen Gastransportunternehmen, darunter Open Grid Europe (OGE), Gasunie, Gascade und Thyssengas. Gemeinsam betreiben die Mitgliedsunternehmen ein 40.000 Kilometer langes Leitungsnetz, das sie zum Teil für den Transport von Wasserstoff einsetzen wollen.

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„Die Fernleitungsnetzbetreiber setzen sich für die Nutzung der vorhandenen Gasinfrastruktur auch für Wasserstoff ein. Wir arbeiten mit Hochdruck an konkreten technischen und netzplanerischen Lösungen, damit die Integration gelingen kann“, sagte Ralph Bahke, Vorstandsvorsitzender der FNB Gas, dem Handelsblatt.

Das geplante Wasserstoffnetz basiert zu über 90 Prozent auf dem bereits bestehenden Erdgasnetz und kann kontinuierlich ausgebaut werden. Die Leitungsbetreiber profitieren dabei von dem Umstand, dass viele Leitungen aus parallelen Strängen bestehen. In dem Umfang, in dem einzelne Stränge nicht mehr für den Erdgastransport benötigt werden, können sie als reine Wasserstoffleitungen genutzt werden. Nur in Ausnahmefällen soll es nach den Vorstellungen der Unternehmen erforderlich werden, neue Wasserstoffleitungen zu bauen.

Für die Betreiber der Gasleitungen geht es um eine grundsätzliche Weichenstellung. Erdgas wird zwar nach ganz überwiegender Einschätzung der meisten Experten noch bis weit in die 30er-Jahre eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung, in der Industrie und auch im Wärmesektor spielen. Auf lange Sicht jedoch wird die Bedeutung von Erdgas aus Gründen des Klimaschutzes schwinden. Wasserstoff wird den Platz von Erdgas einnehmen.

Wasserstoff spielt daher auch eine Schlüsselrolle auf dem von der Politik angestrebten Weg zur Klimaneutralität Deutschlands bis 2050. Der Fokus liegt dabei auf „grünem Wasserstoff“, der mittels Strom aus erneuerbaren Quellen per Elektrolyse hergestellt wird und somit klimaneutral ist. Allerdings dürfte zunächst auch „blauer Wasserstoff“ zum Einsatz kommen.

Von blauem Wasserstoff ist die Rede, wenn der Wasserstoff aus Erdgas gewonnen wird und das bei der Herstellung frei werdende Kohlendioxid abgeschieden und unterirdisch gespeichert wird (Carbon Capture and Storage, kurz CCS).

Es gehe darum, „das Rückgrat der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft“ zu schaffen, sagte Bahke. „Unser Ziel ist es, die bestehende Gasinfrastruktur für den Transport von Wasserstoff nutzbar zu machen“, ergänzte er. Derzeit untersuche die Branche in konkreten Projekten ausgewählte Leitungsabschnitte, „um zügig erste Industriebetriebe mit Wasserstoff versorgen zu können“.

Die Branche ist der Politik damit einen Schritt voraus. Die Bundesregierung hatte vor Monaten angekündigt, eine Wasserstoffstrategie vorzulegen. Nach ursprünglicher Planung sollte die Strategie Ende vergangenen Jahres präsentiert werden. Nach aktuellem Stand wird sich die Veröffentlichung der Strategie noch um mehrere Wochen verzögern.

Ohne politischen Rückenwind können die Leitungsbetreiber ihre Pläne nicht umsetzen. So muss der Rechtsrahmen dafür geschaffen werden, Wasserstoff als weitere Gasbeschaffenheit im Gasleitungsnetz anzuerkennen. „Wir appellieren an die Politik und die Regulierungsbehörde, hier zügig die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten“, sagte Inga Posch, Geschäftsführerin der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber.

Wasserstoff-Importe aus dem Ausland nötig

Die künftige Wasserstofferzeugung und der Wasserstoffbedarf finden bereits ihren Niederschlag im Szenariorahmen für den „Netzentwicklungsplan Gas 2020 – 2030“, den die Fernleitungsnetzbetreiber im August vergangenen Jahres vorgelegt hatten.

Wasserstoff ist für Branchen und Sektoren zum Hoffnungsträger geworden. So setzen energieintensive Branchen wie Stahl und Chemie darauf, statt Kohle, Öl und Erdgas künftig in großem Stil zunächst blauen, später vor allem grünen Wasserstoff einzusetzen.

Ungeklärt ist derzeit allerdings, wo grüner Wasserstoff in nennenswertem Umfang herkommen soll. Es sind enorme Mengen Strom aus erneuerbaren Quellen erforderlich, um grünen Wasserstoff in relevanten Größenordnungen für Chemie- oder Stahlunternehmen oder für den Mobilitätssektor bereitzustellen. Hinzu kommt, dass die Produktion hierzulande auf regulatorische Hürden stößt. Seit Monaten liegen die Investitionsanträge der Stromnetzbetreiber Amprion und Tennet für zwei Projekte zur Wasserstoffproduktion aus Windstrom im industriellen Maßstab bei der Bundesnetzagentur vor. Die Bundesregierung sieht beide Projekte kritisch. Sie ist der Auffassung, dass es nicht zu den Aufgaben der Netzbetreiber zählt, überschüssigen Windstrom in Wasserstoff zu verwandeln.

Einer Marktabfrage der FNB Gas zufolge sind derzeit 31 Projekte für „grünes Gas“ in der Entwicklung. Auch die Bundesregierung fördert einzelne dieser Vorhaben, allerdings nur im Rahmen sogenannter Reallabore, die von einer Wasserstoffproduktion in industriellem Maßstab weit entfernt sind.

Unbestritten ist unter Fachleuten, dass Deutschland die Nachfrage nach grünem Wasserstoff nicht aus eigener Kraft wird bedienen können. Daher ist es das Ziel der Bundesregierung, Importstrukturen aufzubauen. Dieser Überlegung tragen die Betreiber der Gasfernleitungen Rechnung. Das Wasserstoffnetz ist so angelegt, dass es auch importierten klimaneutralen Wasserstoff, der über Pipelines oder Tankschiffe nach Deutschland kommt, aufnehmen kann. Durch die Verbindung des Wasserstoffnetzes mit Wasserstoffinfrastrukturen in europäischen Nachbarländern sei der „europaweite Austausch von Wasserstoff bereits zu einem frühen Zeitpunkt möglich“, stellen die Leitungsbetreiber in Aussicht.

Die potenziellen inländischen Erzeugungsschwerpunkte von Wasserstoff sehen die Leitungsbetreiber überwiegend in Regionen mit starker Windstromproduktion, also in Bundesländern wie Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen.

 Foto: dpa
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