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Gabriel verteidigt Aufseher-Job bei Deutscher Bank – Personalie polarisiert

Der SPD-Politiker verteidigt seinen Gang in die Wirtschaft. Während aus der Politik Kritik kommt, nehmen Investoren die Personalie positiv auf.

Der ehemalige SPD-Chef will sich bei der Hauptversammlung am 20. Mai den Aktionären zur Wahl stellen. Foto: dpa
Der ehemalige SPD-Chef will sich bei der Hauptversammlung am 20. Mai den Aktionären zur Wahl stellen. Foto: dpa

Es war ein veritabler Überraschungscoup. Seit Monaten suchte die Deutsche Bank nach einem Nachfolger für ihren Aufsichtsrat Jürg Zeltner, der am Widerstand der Finanzaufseher gescheitert war. Vor dem Wochenende zauberte Aufsichtsratschef Paul Achleitner dann einen Kandidaten aus dem Hut, mit dem die wenigsten gerechnet hätten: Der Ex-SPD-Chef und ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel soll ins Kontrollgremium der Deutschen Bank einziehen.

Die Personalie polarisiert: Einflussreiche Aktionäre halten Gabriel für eine prinzipiell gute Lösung, weil die Bank von den politischen Kontakten und dem internationalen Netzwerk des neuen Aufsichtsrats profitieren kann. Außerdem könnte die Berufung des SPD-Politikers die gesellschaftliche Akzeptanz des größten heimischen Geldhauses verbessern. „Nichts hätte die Bank nötiger“, konstatiert ein Insider.

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Die Gegner monieren dagegen, dass Gabriel die nötigen Fachkenntnisse fehlen, und sie fürchten, dass ein weiterer Wechsel von der Politik in die Hochfinanz das Vertrauen in die Demokratie untergräbt. „Gabriels Schritt ist legal, aber für viele Menschen nicht sonderlich legitim“, kritisiert Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.

Gabriel ist nicht der erste hochrangige Politiker, der einen neuen Job in der Privatwirtschaft sucht. Sein Parteigenosse Gerhard Schröder übernahm nach dem Abschied aus dem Kanzleramt den Aufsichtsratsvorsitz des vom russischen Konzern Gazprom dominierten Ostseepipelinebetreibers Nord Stream, und der Unionspolitiker Friedrich Merz stieg beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock ein.

Umstrittener Seitenwechsel

Gabriel selbst verteidigte am Wochenende seinen neuen Job. „Ich finde es schlimm, dass sofort der Generalverdacht entsteht, man würde sozusagen seine Seele verkaufen, wenn man nach dem Ende seiner politischen Laufbahn eine Aufgabe in der Wirtschaft wahrnimmt. Ich jedenfalls werde auch in Zukunft nicht anders denken und handeln als vorher“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“. Er warf die Frage auf, was Politiker eigentlich nach ihrer Laufbahn für Jobs annehmen dürfen: „Sie sollen keine vorzeitigen Pensionen beziehen, sie sollen nicht zu Lobbyisten werden, und eigentlich sollen sie auch nicht in die Wirtschaft gehen. Was denn dann?“

In der Vergangenheit hatte Gabriel das Frankfurter Geldhaus mitunter scharf kritisiert. Aber mittlerweile scheint er seine Meinung revidiert zu haben: „Die Berufung in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank ist für mich eine große Ehre“, ließ der Ex-Minister wissen. Mit der neuen Strategie und dem neuen Führungsteam habe die Bank eine Chance, die Zukunft der deutschen und der europäischen Wirtschaft mitzugestalten.

Das sieht Grünen-Finanzexperte Giegold etwas anders. Seine Befürchtung: „Die Stärkung politischer Kontakte wird Fragen nach der Solidität der Deutschen Bank eher verstärken als mildern.“ Gabriels Kritiker fürchten, dass die Bank andere Qualitäten bräuchte, um ihre wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen.

Zermürbende Personalsuche

Am kommenden Donnerstag wird Vorstandschef Christian Sewing die Zahlen für das Jahr 2019 präsentieren, und bereits jetzt ist klar, dass das tief greifende Sanierungsprogramm zu einem milliardenschweren Verlust führen wird.

Bei allem Streit über die Aufsichtsratspersonalie sind sich die meisten Unterstützer und Gegner Gabriels in einem Punkt einig: Als Nachfolger für den heftig umstrittenen Aufsichtsratschef Achleitner kommt er kaum infrage. Gabriel sei nie gebeten worden, diese Rolle zu übernehmen, noch stehe er dafür bereit, heißt es dazu in Finanzkreisen.

Mit der Berufung des Ex-Ministers endet für die Deutsche Bank eine zermürbende Personalsuche, die nötig wurde, weil die Berufung von Zeltner wegen Interessenkonflikten scheiterte. Er sollte den größten Aktionär, die Herrscherfamilie des Emirats Katar, im Aufsichtsrat vertreten. Zeltner ist auch Chef der Luxemburger Bankengruppe Quintet (früher KBL), weshalb die Bankenaufseher ihn ablehnten. Finanzkreisen zufolge waren Achleitner und Gabriel bereits seit Längerem im Gespräch. Ende des vergangenen Jahres hätten sich die Kontakte dann konkretisiert.

Gabriel soll nach Informationen des Handelsblatts nicht der einzige Personalvorschlag gewesen sein. Die Katarer hätten sich auch einen Kandidaten mit völlig anderen Qualifikationen vorstellen können. Konkret habe es ein Suchprofil für einen Investmentbanker mit tiefer Kenntnis der europäischen Märkte gegeben, heißt es. Aber nicht alle vorstellbaren Kandidaten seien auf das Wohlwollen der europäischen Aufseher gestoßen.

Grünes Licht aus Katar

Vor einer guten Woche sollen die Katarer dann grünes Licht für Gabriel gegeben haben. Die Herrscherfamilie des Emirats kennt den Politiker aus seiner Zeit im VW-Aufsichtsrat zwischen 1999 und 2003. Damals sollte VW-Großaktionär Niedersachsen zusammen mit Ferdinand Piëch Katar als Anteilseigner gewinnen, um den Konzern gegen eine feindliche Übernahme zu schützen. Enge Kontakte zwischen Gabriel und den Katarern gab es zudem während des Golfkonflikts mit Saudi-Arabien.

Zusammen mit US-Außenminister Rex Tillerson hatte sich Gabriel damals bemüht, den Konflikt zu begrenzen. Die Bankexpertise des ehemaligen SPD-Vorsitzenden ist dagegen überschaubar. Während der Finanzkrise war Gabriel Verwaltungsrat der staatlichen Förderbank KfW und leitete von 2013 bis 2017 im Wechsel mit dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble das Gremium. Außerdem hat Gabriel als Mitglied der Bundesregierung an der Finanzmarktregulierung mitgewirkt.

„Eine überraschende, aber sinnvolle Entscheidung“, so kommentiert ein einflussreicher Großinvestor der Deutschen Bank die Personalie. Als global aufgestelltes Institut könne die Bank vor allem von Gabriels außenpolitischer Expertise profitieren. Er „bringt ein großes Netzwerk mit, das der Bank in der zunehmend auf Deutschland fokussierten Strategie hilft“, lobt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Dekabank.

Aber bei vielen Investoren bleiben Zweifel: „Entscheidend ist, inwiefern die fehlende Erfahrung von Herrn Gabriel im operativen Bankgeschäft durch das Gesamtgremium kompensiert werden kann“, warnt Henrik Pontzen, Leiter Nachhaltigkeit bei Union Investment. Angesichts der Komplexität und des Umfangs der Aufgabe scheint das dem Experten „zumindest fraglich“.

Jörg Kasten, Managing Partner der Personalberatung Boyden, fürchtet, dass sich die Deutsche Bank mit der Personalie keinen Gefallen tut: „Gute Politiker sind nicht unbedingt gute Wirtschaftslenker und umgekehrt“, meint Kasten. Außerdem warnt er vor möglichen Imageproblemen für die Bank, aber auch für Gabriel. In Europa sei die Durchlässigkeit zwischen Politik und Wirtschaft nicht so selbstverständlich wie in den USA. Wechsel wie der von Gabriel würden deshalb von der Öffentlichkeit besonders kritisch beäugt.

Sigmar Gabriel schreibt regelmäßig Gastkommentare für das Handelsblatt und andere Publikationen der DvH Medien GmbH.