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Frankreichs Wirtschaftsminister: „Renault könnte verschwinden“

Renault will massiv sparen. Werke und Modelle stehen auf dem Spiel. Doch der Sparkurs sei nötig, um die Existenz zu sichern, betonen Politik und Unternehmensführung.

Es gibt Autos, die viel mehr sind als ein Fortbewegungsmittel. Jeder Hersteller träumt davon, zumindest ein Modell auf den Markt zu bringen, das sich in das kollektive Bewusstsein einer Generation einprägt. Renault ist das gleich mehrfach gelungen: mit dem R4, der ebenso praktischen wie gut designten Antwort auf den 2CV von Citroën; mit dem Espace, der eine völlig neue Kategorie von Fahrzeugen begründet hat. Auch der R5 und der Clio als Polo- und Golf-Rivalen waren und sind Autos, die zu einer Ikone geworden sind. Wie auch die Dacia-Modelle, die der beste Ausdruck einer erschwinglichen Mobilität für alle sind.

Heute verbindet sich mit diesen Namen die schier verzweifelte Antwort auf die tiefe Krise, in die Renault nicht nur durch Corona, sondern schon durch die unglücklichen Entscheidungen am Ende der Ära von Ex-Chef Carlos Ghosn gerutscht ist: Das Werk in Flins westlich von Paris, einst die Heimat von R4 und R5, heute Produktionsstandort für den Clio, könnte die Autoproduktion einstellen. Der Espace wird möglicherweise komplett gestrichen. Und auch der Absatz der rumänischen Billigtochter Dacia ist eingebrochen.

„Renault könnte verschwinden“, warnte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Freitag in einem Radiointerview. Der Minister steckt in einer Zwickmühle: Der Staat ist mit 15 Prozent immer noch größter Anteilseigner. Die Regierung weiß alles über den Plan, mit dem das Management in drei Jahren zwei Milliarden Euro einsparen will.

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Der Sparplan fällt allerdings in eine politisch hochbrisante Phase, denn der Staat will mit einer Kreditbürgschaft über fünf Milliarden Euro das Unternehmen vor einer Liquiditätskrise bewahren. Analysten schätzen, dass die Marke mit dem Rhombus am Bug im ersten Vierteljahr acht Milliarden Euro an Cash verbrannt hat.

Erste Elemente des Plans für massive Kostensenkungen, den die Interimschefin Clotilde Delbos erst in einer Woche der Öffentlichkeit vorstellen will, stachen Kreise des Wirtschaftsministeriums an die Medien durch, um die Reaktion zu testen. Sie lösen Wut und Empörung bei den Beschäftigten aus, aber auch Hilflosigkeit.

Fünf Modelle stehen auf dem Spiel

Wirtschaftsminister Le Maire fällt es schwer, Antworten zu finden, ohne wie ein kalter Sanierer zu wirken: „Warum entscheidet der Staat nicht einfach, dass bei Renault niemand entlassen wird, wenn er das Unternehmen mit Milliarden unterstützt?“ wurde er im Interview gefragt. Der Minister antwortete umständlich mit Hinweisen darauf, dass er am liebsten jeden Mitarbeiter halten würde, aber Renault seine Wettbewerbsfähigkeit wiedergewinnen müsse. Wie eine schlagkräftige Antwort auf die Angst vor dem Sturz in die Arbeitslosigkeit klingt das noch nicht.

Teil des Delbos-Plans soll die Schließung von drei kleineren Werken in Frankreich sein. Flins wird zumindest verkleinert, wenn es die 2.600 Mitarbeiter nicht schlimmer trifft. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum in Guyancourt soll offenbar eingedampft werden. Welche Werke möglicherweise im Ausland verkleinert oder geschlossen werden, weiß man noch nicht. Das Werk in Novo Mesto in Slowenien wird zumindest 400 von 3.200 Mitarbeiter verlieren, wie Renault selbst bereits mitgeteilt hat.

Unklar ist, was an der Nachricht der Wochenzeitung „Canard Enchainé“ stimmt, wonach fünf Modelle komplett eingestellt werden sollen: neben dem Espace der Scénic, der Mégane, der große SUV Koleos und der Talisman, mit dem Renault versucht hat, endlich in die Oberklasse vorzustoßen. Mit Ausnahme des Scénic handelt es sich durchweg um Autos, die in den Segmenten der mittleren bis größeren Fahrzeuge unterwegs waren und den Hersteller aus der Nische der kleinen, meist margenschwachen Modelle befreien sollten.

Die Reaktion aus Unternehmenskreisen ist eindeutig. „Bullshit!“, kommentieren Renault-Manager die Gerüchte hinter vorgehaltener Hand. Renault ziehe sich nicht aus der Mittel- und Oberklasse zurück. So funktioniere der Kostensenkungsplan nicht. Doch bestimmte Modelle könnten durch E-Autos ersetzt werden, die etwas anders konfiguriert sein könnten.

Vorsprung bei der Elektromobilität nicht genutzt

Neue E-Modelle hat Renault dringend nötig. Ghosn liebte es, darauf zu verweisen, dass der Zoé das absatzstärkste E-Auto der Welt sei. Doch der Hersteller wartete bis zum vergangenen Jahr, bis das Modell grundüberholt wurde. Es ist und bleibt ein Kleinwagen mit beschränkter Reichweite.

Renault hat seine frühen Erfahrungen mit Stromern nicht für eine größere E-Offensive genutzt und unter Ghosn lieber versucht, auf Teufel komm raus der absatzstärkste Hersteller der Welt zu werden, VW und Toyota zu überholen, was in einem Jahr auch gelang – mit der fatalen Folge, dass die Rentabilität absackte. Bereits 2019, lange vor Corona, fuhr Renault einen Verlust ein.

Der Kostensenkungsplan von Delbos ist unvermeidlich. Doch unter den Bedingungen der Coronakrise wird er zum Vorläufer der Konflikte, die vielen Unternehmen bevorstehen dürften. Viele Franzosen verstehen nicht, wieso sich der Staat mit Hunderten von Milliarden Euro verschuldet, um Unternehmen zu retten, dann aber trotzdem Mitarbeiter ihre Jobs verlieren. „Wir werden uns nicht rasieren lassen“, warnte ein Gewerkschafter im Werk Flins, nachdem die Gerüchte über die mögliche Schließung aufkamen.

Doch auch in Frankreich sind die Zeiten vorbei, in denen mit Staatshilfe jeder Arbeitsplatz gerettet wurde. Die Regierung möchte das nur nicht so deutlich sagen. „Wir werden unerbittlich sein, was die Sicherung von Arbeitsplätzen angeht“, sagte Premier Edouard Philippe zu den Renault-Vorhaben – ganz so, als wüsste er nicht längst, auf was die hinauslaufen.

In den nächsten Monaten wird man viele Fälle erleben, die dem von Renault ähneln: Massenhaft werden Beschäftigte ihren Job verlieren, obwohl der Staat ihr Unternehmen mit Millionen oder Milliarden Euro unterstützt. Die wirtschaftliche könnte zur politischen und sozialen Krise werden. Das Maß an Empörung, das die Bekanntgabe der Renault-Schrumpfung in der nächsten Woche auslöst, wird ein erster Gradmesser für die Stimmung der Franzosen sein.