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Frankreichs Wirtschaft erwartet starkes Wachstum

Die jüngste Prognose stimmt zuversichtlich. Aber Luftfahrt und Tourismus leiden weiter unter der Pandemie. Das schwächt die Leistungsbilanz und bringt ausländische Investoren ins Spiel.

Der französische Staatspräsident will einen dritten Lockdown unbedingt vermeiden. Denn die Wirtschaft in seinem Land ist zurzeit auf Wachstumskurs. Foto: dpa
Der französische Staatspräsident will einen dritten Lockdown unbedingt vermeiden. Denn die Wirtschaft in seinem Land ist zurzeit auf Wachstumskurs. Foto: dpa

Die Folgen der Covid-Pandemie haben die französische Volkswirtschaft härter als die deutsche und die der Euro-Zone im Schnitt getroffen. Aber sie kommt offenbar schneller wieder heraus: „Ich bestätige unsere Wachstumsprognose von fünf Prozent für 2021“, sagte François Villeroy de Galhau, Gouverneur der Banque de France, am Montag dem Handelsblatt. Die Prognose sei „robust und eher vorsichtig, wobei man immer die Ungewissheit aufgrund der Epidemie im Hinterkopf haben muss“.

Am Dienstag veröffentlicht die Banque de France ihre aktualisierte Schätzung. Die Prognose für Deutschland hatte die Bundesregierung jüngst auf plus drei Prozent herabgesetzt.

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Frankreichs Wirtschaft ist also durchaus widerstandsfähig, dennoch ist das französische Geschäftsmodell zumindest teilweise infrage gestellt. Den jüngsten verfügbaren Zahlen zufolge hat das Leistungsbilanzdefizit 2020 gut zwei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) erreicht. Das ist der höchste Wert seit 1951. Das BIP ist 2020 laut der jüngsten Schätzung des INSEE (nationales Statistikamt) um 8,3 Prozent eingebrochen.

In der Euro-Zone ging es im Durchschnitt um 6,8 Prozent zurück. Anders als die Dienstleistungen konnte die Industrie aber im letzten Quartal 2020 knapp im Positiven bleiben. Das INSEE verweist darauf, dass auch im laufenden Jahr die großzügigen staatlichen Hilfen die Aktivität stützen werden.

Einer der härtesten Lockdowns

Die französische Regierung reagierte in der ersten Jahreshälfte mit einem der härtesten Lockdowns in ganz Europa, mit einer Ausgangssperre, der Schließung fast aller Geschäfte und Restriktionen für die Arbeit in Büros und Fabriken. Das hatte zur Folge, dass der deutsche Nachbar im zweiten Quartal im Jahresvergleich fast ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung einbüßte.

Der zweite Faktor: Die Covid-Folgen treffen zwei Sektoren überdurchschnittlich stark, von denen Frankreich besonders abhängt, den Tourismus und die Luftfahrt. Die Aeronautik ist einer der wenigen Sektoren, in denen Frankreich noch Exporterfolge feiert, dank Airbus und einer leistungsfähigen Zulieferindustrie.

Die Produktion ist hier im vergangenen Jahr um fast die Hälfte zurückgegangen, weil die Reisebeschränkungen vieler Länder dem weltweiten Luftverkehr stark zugesetzt haben und weiter zusetzen.

Ähnliches gilt für den Tourismus. Der ist zwar nicht so stark rückläufig wie die Luftfahrt – ausländischer Fremdenverkehr wurde teilweise durch heimische Touristen ersetzt. Der Leistungsbilanz, die vor allem den Ex- und Import von Gütern und Dienstleistungen saldiert, hilft das aber nicht.

Traditionell gleicht Frankreich einen Teil der defizitären Handelsbilanz durch einen hohen Überschuss bei den Dienstleistungen aus. Dieses Plus ist im vergangenen Jahr drastisch geschrumpft, was das Rekorddefizit der Leistungsbilanz erklärt.

Hier geht es nicht allein um Informationen für Feinschmecker der Statistik. Ein Minus in der Leistungsbilanz führt zur Verschuldung gegenüber dem Ausland. Frankreich benötigt ausländische Investoren, um sein aktuelles Lebensniveau finanzieren zu können. „Frankeich lebt über seine Verhältnisse“, stellt Emmanuel Jessua vom unternehmernahen Wirtschaftsforschungsinstitut Rexecode nüchtern fest.

Diese ausländischen Investoren wollen nicht nur Staatsanleihen kaufen, sie suchen auch nach möglichst profitablen Anlagen und stoßen dabei auf die interessantesten französischen Unternehmen. Daraus resultieren Versuche wie der von Couche-Tard aus Kanada, die Einzelhandelskette Carrefour zu übernehmen. Diesen Vorstoß hat Wirtschaftsminister Bruno Le Maire durch eine energische Intervention abgewehrt.

Doch solche Eingriffe lassen sich nicht beliebig oft wiederholen. Die Wirtschaft gibt der Politik die Handlungsspielräume vor. Wer beim Ausland in der Kreide steht, büßt seine Souveränität ein. Der Diskurs von Präsident Emmanuel Macron, Frankreich und Europa mehr strategische Autonomie zu verschaffen, wird durch das Außenhandelsdefizit entwertet. Sonntags predigt Macron mehr Unabhängigkeit von China, montags kommt China Eastern und will seine Beteiligung an Air France-KLM erhöhen oder baut Huawei ein Werk im Elsass.

Weil die klassischen Exportmotoren Luftfahrt und Tourismus anfällig geworden sind, muss Frankreich neue Branchen stärken. Le Maire setzt verstärkt auf die „Förderung neuer Aktivitäten wie Fertigung und Recycling von Batterien für E-Autos und den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft“.

Die Ankündigung von Air Liquide und Siemens vom Montag, bei der Produktion von grünem Wasserstoff in hoch leistungsfähigen Elektrolyseanlagen zu kooperieren und sich „gemeinsam für große Projekte innerhalb des Green Deals der EU und der IPCEI zu bewerben“, geht genau in diese Richtung. Unter der IPCEI sind große Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse zu verstehen, die von Frankreich und Deutschland gefördert werden.

Daneben versucht die Regierung, im Wettlauf zwischen Restriktionen zwecks Eindämmung der Epidemie und Schutz der Wirtschaft geschickter zu agieren. Die erheblich geringere Beeinträchtigung der Aktivität während des zweiten Lockdowns im vierten Quartal 2020 (minus fünf Prozent, während es im zweiten Quartal minus 18,8 waren) zeigt, dass sie dabei erfolgreich ist: „Diese Unterschiede zwischen zwei Lockdowns lassen sich zum einen durch den Unterschied in der Strenge der Maßnahmen, zum anderen durch ein angepasstes Angebots- und Nachfrageverhalten erklären“, sagt Bruno Cavalier, Chefvolkswirt von Oddo BHF.

Die Untersuchungen der Banque de France und des INSEE zeigten, „dass sich der Schock nun viel stärker auf eine kleinere Anzahl von Branchen auswirkt, als es im Frühjahr der Fall war“.

Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet

In den vergangenen Tagen hat Macron einen dritten Lockdown abgeblasen oder zumindest aufgeschoben, für den sich medizinische Experten und einige Minister ausgesprochen hatten. Die 14-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner) liegt den jüngsten Zahlen der EU-Behörde ECDC zufolge in Frankreich bei 427, in Deutschland bei 218. Die Zahl der Toten pro eine Million Einwohner steht dagegen in Frankreich bei 86, in der Bundesrepublik bei 126.

Der Präsident hat im Blick, dass er durch die Covid-Restriktionen die Wachstumshoffnungen für 2021 nicht torpedieren darf. Auf fünf Prozent schätzt die Banque de France den Zuwachs des BIP in diesem Jahr, die neueste Schätzung am Dienstag dürfte daran nicht viel ändern.

Macron sieht, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Frankreich durch die Corona-Maßnahmen größer geworden ist. Ihm wird aber ohnehin der Vorwurf gemacht, eine Politik allein für die Franzosen auf der Sonnenseite des Lebens zu machen und die im Schatten zu vergessen.

Da will Macron, die Wahlen 2022 fest im Blick, nun stärker gegenhalten. Nicht nur durch eine wachstumsfreundliche Politik, sondern auch durch neue Initiativen für Jugendliche aus ärmeren Familien. Für die will er im Laufe der Woche bessere Perspektiven ankündigen, etwa einen einfacheren Zugang zu den Eliteschulen und der hohen Verwaltung des Landes sowie Schritte gegen rassistische Diskriminierung. Covid-Bekämpfung, Schutz des Lebensstandards und Wahlen – das ergibt ein kompliziertes Gleichungssystem für die Politiker, in Frankreich wie in Deutschland.