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Firmenlenker misstrauen der Börsenrally

Vorstände und Aufsichtsräte kaufen nicht mehr viele Aktien der eigenen Unternehmen. Das ist kein gutes Zeichen für den Dax. Auffällig ist allerdings der deutliche Zukauf bei einem schon gut gelaufenen Unternehmen.

Die Schnäppchenjagd unter Topmanagern am deutschen Aktienmarkt ist offenbar vorbei. In den letzten beiden April-Wochen meldeten insgesamt nur 76 Unternehmen Aktienkäufe von Vorständen und Aufsichtsräten an die Finanzaufsicht Bafin. Darunter war kein einziger Konzern aus dem Dax. Und auch aus den Nebenwerteindizes MDax und SDax meldeten insgesamt nur drei Unternehmen Käufe.

Das ist ein herber Einbruch. Von Mitte März bis Anfang April, als die Aktienkurse wegen der Corona-Pandemie eingebrochen waren, hatten Führungskräfte bei 309 und damit fast viermal so vielen Unternehmen Aktien erworben. Auch bei vielen Konzernen aus der Dax-Familie gab es damals Käufe.

Seither sind die Aktienkurse wieder deutlich gestiegen. Der Dax hat seit Mitte März rund ein Viertel zugelegt. Damit hat er mehr als die Hälfte der Verluste zwischen Mitte Februar und Mitte März wettgemacht.

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Kurse schnell wieder gestiegen

Viele Anlagestrategen fürchten, dass die Aktienmärkte schon zu weit geklettert sind. „Die eingepreisten Konjunkturprognosen am Aktienmarkt sind zu optimistisch“, meint zum Beispiel Pascal Blanqué, Chefanlagestratege beim Asset-Manager Amundi. Die weltweit stillgelegte Wirtschaft lasse sich schließlich nicht einfach über Nacht wieder hochfahren. „Außerdem ist bisher unklar, welche Verluste in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt vorübergehend sind – und welche Schäden bleiben werden.“

Nach Ansicht von Olaf Stotz, Professor an der Privatuniversität Frankfurt School of Finance & Management, deuten auch die stark zurückgegangen Aktienkäufe durch Vorstände und Aufsichtsräte darauf hin, dass „die Kurse schon zu weit gelaufen sind und Rückschläge an der Börse drohen“.

Stotz beschäftigt sich seit 17 Jahren mit den Aktiengeschäften von Führungskräften. Er hat aktuell mehr Käufe erwartet, denn: „Es gibt trotz der jüngsten Dax-Erholung noch viele Aktien etwa aus den zyklischen Bereichen Automobil und Chemie, die stärker als der Markt gelitten haben und günstig aussehen.“ Dennoch greife die Masse der Insider nicht zu, und die Zahl der Aktienkäufe notiere lediglich auf dem Niveau von Mitte Februar.

Dazu kommt: Unter den Käufen von Unternehmen aus einem der Dax-Indizes ist nur einer auffällig, und zwar der beim Medizintechnik-Hersteller Drägerwerk. Bei dem SDax-Unternehmen stockte die Familie des Firmengründers Heinrich Dräger ihren Anteil auf und kaufte Aktien für mehr als 5,7 Millionen Euro. Dazu legte sich Vorstandschef Stefan Dräger Aktien für knapp 650.000 Euro ins eigene Depot.

Käufe beim Krisengewinner Drägerwerk

Drägerwerk zählt zu den wenigen Gewinnern der Coronakrise. Beatmungsgeräte und Patientenmonitore zur Behandlung von Covid-19 haben Hochkonjunktur. Von Mitte bis Ende März hat sich der Aktienkurs fast verdoppelt. Seither verlor die Aktie rund 20 Prozent. Die Gründerfamilie, die rund 70 Prozent der Stammaktien hält, sah darin offenbar eine gute Einstiegsgelegenheit.
Tatsächlich sind die Aussichten gut. Das Lübecker Unternehmen hat währungsbereinigt im ersten Quartal seine Auftragseingänge gegenüber dem Vorjahresquartal um fast 120 Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Euro gesteigert. Die meisten dieser Aufträge wollen die Medizintechniker in diesem Jahr ausliefern. Der Umsatz stieg um 7,1 Prozent auf 640 Millionen Euro.

Operativ – vor Steuern und Zinsen – macht Drägerwerk zwar noch Verluste. Die verringerten sich aber von 10,7 Millionen Euro auf zuletzt nur noch 0,6 Millionen Euro. Wegen der hohen Auftragseingänge erwägt Drägerwerk, die Prognose für das laufende Jahr anzuheben. Ende vergangenen Jahres hatte der Konzern für 2020 mit einer Umsatzsteigerung von maximal vier Prozent gerechnet.

Die meisten Analysten raten indes, die Aktie nach dem starken Kursanstieg nur noch zu halten. Es gibt aber auch Optimisten wie Volker Stoll von der Landesbank Baden-Württemberg und Aliaksandr Halitsa von Hauck & Aufhäuser. Sie änderten ihr Votum nach den guten Quartalszahlen von „halten“ auf „kaufen“ und erhöhten die Kursziele deutlich auf 98 und 95 Euro – das entspricht einem Kurspotenzial von noch mehr als 20 Prozent.

Wiederholte Käufe bei Krones und Pro Sieben

Die beiden anderen Insiderkäufe aus dem SDax und dem MDax kamen vom Abfüllanlagenhersteller Krones und vom Medienkonzern Pro Sieben Sat1. Diese Käufe sind nach Ansicht von Hochschullehrer Stotz aber kein Indiz für steigende Kurse – nicht für die Aktien und erst recht nicht für den breiten Markt. Der Grund: „Die Käufe haben wohl weniger mit den gefallenen Kursen zu tun, sondern sind strategisch bedingt, denn bei beiden Unternehmen schlagen die Insider häufig zu.“

Das gilt vor allem für Krones, wo Aufsichtsrätin Petra Schadeberg-Herrmann über die Schwawei GmbH vor rund zweieinhalb Wochen einen Kauf für gut 510 Millionen Euro meldete. Seit Ende Februar hat Schadeberg-Herrmann schon mehrfach Millionen in die Aktie investiert.

Wie die meisten Unternehmen spürt der Getränke-Abfüllanlagenhersteller die Krise deutlich. Die Aufträge sind im ersten Quartal um 19 Prozent auf 841 Millionen Euro gesunken, der Umsatz lag mit 942 Millionen Euro vier Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Der Nettogewinn immerhin stieg wegen Sparmaßnahmen, die schon vor der Krise eingeläutet wurden, um knapp acht Prozent auf 39,1 Millionen Euro. Wie die meisten deutschen Unternehmen wagt Krones angesichts der vielen Unwägbarkeiten aber keine Prognose für das laufende Jahr.

Das ist auch bei Pro Sieben Sat 1 Media so. Da Dauer und volle Tragweite der Pandemie weiter ungewiss seien, könne man derzeit keinen Ausblick auf das zweite Quartal und für das Gesamtjahr geben, sagte der neue Vorstandsvorsitzende Rainer Beaujean bei der Vorlage der Quartalszahlen. Für April rechnet er mit einem 40-prozentigen Einbruch bei den TV-Werbeeinnahmen.

Im ersten Quartal steigerte der Konzern den Umsatz noch leicht um ein Prozent auf 926 Millionen Euro, weil die ersten Corona-Effekte laut Beaujean sich erst ab Mitte März in allen Segmenten zeigten. Der Betriebsgewinn sank jedoch um 17 Prozent auf 157 Millionen Euro. Die Dividende für Aktionäre hat der Konzern bereits gestrichen.

Bei Pro Sieben Sat 1 kaufte Aufsichtsratschef Werner Brandt Aktien für knapp 64.000 Euro, seine Stellvertreterin Marion Helmes erwarb Anteile für gut 20.000 Euro. Bei Pro Sieben sind indes Vorstände und Aufsichtsräte dazu verpflichtet, einen Teil ihrer Gehälter in die Aktie des Konzerns zu investieren. Schon allein deshalb gibt es regelmäßige Käufe.

Zweistelliger Millionenverkauf bei SAP

Umgekehrt handelt es sich auch beim größten Insiderverkauf der vergangenen beiden Wochen um einen Akteur, der schon häufiger durch große Verkäufe auffiel: Beim Softwarekonzern SAP verkaufte Sabine Plattner – Ehefrau von Firmenmitgründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner – Aktien für knapp 31 Millionen Euro.

Im vergangenen November hatte Hasso Plattner Aktien für mehr als 100 Millionen Euro verkauft. Im November 2017 hatte Sabine Plattner sich von Aktien im Wert von 47,5 Millionen Euro getrennt. Eine Verkaufsempfehlung lässt sich aus den Verkäufen der Großaktionäre Plattner wohl nicht ableiten. Analysten jedenfalls sind sich einig: Mehr als 80 Prozent raten zum Kauf der Aktie, Verkaufsempfehlungen gibt es für Europas wertvollsten Technologiekonzern kaum. Der überraschende Abgang von Co-Chefin Jennifer Morgan hat keinen Analysten dazu bewogen, das Kaufvotum zu ändern.

Die Coronakrise macht sich zwar auch bei SAP bemerkbar. Währungsbereinigt reichte es im ersten Quartal nur noch für ein Umsatzplus von fünf Prozent auf 6,5 Milliarden Euro, und das Betriebsergebnis fiel um ein Prozent auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Dennoch ist Finanzchef Luka Mucic zuversichtlich: Das Cloud-Geschäft bleibe ein Wachstumstreiber. Die Cloud-Buchungen stiegen im ersten Quartal um 24 Prozent auf knapp 6,7 Milliarden Euro. Sie gelten als Indikator für das künftige Geschäft.

In der Nacht zum Dienstag meldete SAP Sicherheitsmängel bei Cloud-Anwendungen. Bis zum Sommer will der Konzern sie beseitigen, die Ausgaben dafür erforderten keine Änderungen am Ausblick. Die Aktie litt unter der Meldung nicht, sie hielt sich am Dienstag stabil.

Dem Börsencrash bis Mitte März konnte sich zwar auch die SAP-Aktie nicht entziehen und verlor zeitweise ein Drittel an Wert. Seither hat sie sich aber stärker erholt als viele andere Aktien und liegt seit Jahresbeginn nur noch gut elf Prozent im Minus.

Außer bei SAP gab es in den vergangenen beiden Wochen nur zwei weitere Insiderverkäufe bei Unternehmen aus einem deutschen Aktienindex. Auch sie gelten nicht als wegweisend mit Blick auf die künftige Aktienentwicklung.

Wenig aussagekräftig

Beim Bausoftwareentwickler Nemetschek verkaufte mit dem Firmengründer Georg Nemetschek, der heute noch stellvertretender Aufsichtsvorsitzender ist, ebenfalls ein Großaktionär Aktien. Er trennte sich von Aktien für mehr als 1,6 Millionen Euro.

Bei der auch auf Bausoftware spezialisierten RIB Software ist der Verkauf ebenso kein Indiz für fallende Kurse. Der französische Elektronikkonzern Schneider will RIB Software für 1,5 Milliarden Euro übernehmen. Das entspricht einem Kaufpreis von 29 Euro je Aktie.

Mit der Bekanntgabe des Übernahmeangebots sprang die Aktie im Februar um 40 Prozent auf ebenjene 29 Euro hoch – und notiert derzeit nur ganz leicht darunter. RIB-Aufsichtsrat Matthias Rumpelhardt verkaufte Aktien zum Preis von knapp unter 29 Euro über die Avalanche GmbH.

Insgesamt meldeten in den vergangenen beiden Wochen 13 Unternehmen Aktienverkäufe von Führungskräften. Die Verkäufe lagen damit im üblichen Rahmen. Das Insiderbarometer, dass Stotz regelmäßig exklusiv für das Handelsblatt aus den Transaktionen berechnet, hat sich in den vergangenen beiden Wochen ganz leicht auf 141 Punkte erhöht.

Verzerrende Wirkung

Damit signalisiert das Barometer theoretisch weiter ein Kaufsignal für Aktien. Der Stimmungsindikator bildet sich aus Durchschnittsbetrachtungen der vergangenen drei Monate, von daher verzerren die vielen Käufe im März und Anfang April laut Stotz den aktuellen Stand etwas. Kurzfristig orientierte Anleger sollten es dem Ökonomen zufolge daher wohl besser so machen wie die vielen Unternehmensführer: abwarten und auf bessere Einstiegskurse warten.