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Finanzpolitik: Diese fünf Lektionen hat die Pandemie Europa erteilt

Die gemeinsame Schuldenaufnahme der EU in der Coronakrise soll eine Ausnahme bleiben, beteuert vor allem die Union. Ökonomen halten das für unrealistisch.

Vor Kurzem gab Armin Laschet sein erstes großes Interview zu seinen Vorstellungen in der Außenpolitik. Darin erteilte der neue CDU-Chef einer Schuldenvergemeinschaftung in Europa eine glasklare Absage.

„Ich sehe Euro-Bonds nicht“, so Laschet. Und zur erstmaligen Schuldenaufnahme der EU in der Coronakrise sagte er klipp und klar: „Das ist jetzt eine einmalige Sache für sechs Jahre.“

Laschets Parteifreunde haben diese Ansagen mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Für viele CDU-Politiker ist die Vorstellung, Deutschland würde für die Schulden anderer EU-Staaten wie Italien einstehen müssen, ein Albtraum.

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Bundesregierung vor einer Richtungsentscheidung

Laut Ökonomen macht sich Laschet allerdings etwas vor. „Es ist ein Trugschluss, dass man nach der Pandemie da wird weitermachen können, wo die Debatten Ende 2019 standen“, sagt Lucas Guttenberg, stellvertretender Direktor des Jacques-Delors-Instituts. Die neue Realität werde die nächste Bundesregierung zu Richtungsentscheidungen in der europäischen Finanzpolitik zwingen. „Ob sie das will oder nicht.“

Guttenberg hat mit einigen Co-Autoren ein neues Papier veröffentlicht, das auch international bereits Beachtung fand. Darin stellt er die These auf, dass die Pandemie Europas Finanzarchitektur komplett verändert hat.

Die Krise biete nun die historische Chance, den europäischen „Ausnahmeförderalismus in Dauerzustand endlich hinter sich zu lassen“. Denn die Pandemie habe Europa fünf Lektionen erteilt.

Lektion 1: EU-Schulden sind möglich

Jahrzehntelang war strittig, ob Europa eigene Schulden machen kann. Die Krise hat diese Frage endgültig beantwortet. Zur Finanzierung des Corona-Wiederaufbaufonds tut die EU-Kommission erstmals genau dies. Damit stehe nun unausweichlich die Frage im Raum, unter welchen Bedingungen die Finanzierung von EU-Ausgaben über Schulden in Zukunft möglich sein soll, so Guttenberg.

Würde sich die EU dazu entscheiden, die neuen EU-Anleihen wieder dem Markt zu entziehen, stünde eine solche Entscheidung „in direktem Gegensatz zum erklärten Ziel, die internationale Rolle des Euros zu stärken“, heißt es im Papier. Dessen müsse sich die Politik klar sein, wenn sie zu diesem Schritt greife.

Lektion 2: Die EU hat jetzt einen Stabilisierungsfonds

Mit dem neuen EU-Wiederaufbaufonds hat die EU nun auch ein lang umstrittenes Instrument geschaffen: einen Geldtopf, aus dem die EU als Ganzes eine Krise bekämpfen kann. Auch hat die EU in der Krise geklärt, wie so ein Kriseninstrument aussehen soll: Es fließen keine Kredite, es gibt auch keine Art Krisenversicherung. Stattdessen werden Zuschüsse gezahlt.

Bislang ist der Wiederaufbaufonds auf sechs Jahre begrenzt. Schon jetzt gibt es aber gewichtige Stimmen, die ihn zu einer Dauereinrichtung machen wollen. So forderte etwa die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, die EU dazu auf, genau darüber nachzudenken.

Die neue Bundesregierung wird sich daher entscheiden müssen: Ist der Aufbaufonds nur eine Ausnahme, so wie es Laschet formuliert? Oder gibt es doch eine dauerhafte Lösung? Der Druck auf Deutschland könnte jedenfalls groß werden, den Fonds nicht einfach auslaufen zu lassen.

Lektion 3: Die Schuldenregeln sind überholt

Die Pandemie hat nicht nur neue Rettungsfonds geschaffen, durch sie wurden auch die alten europäischen Schuldenregeln überholt. Spätestens durch die Krise sind viele Euro-Staaten so hoch verschuldet, dass eine Einhaltung der alten Maastricht-Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts unrealistisch ist.

Eine buchstabengetreute Verpflichtung des Regelwerks würde die EU-Mitgliedstaaten auf lange Zeit hinaus verpflichten, hart zu sparen. „Im Falle Italiens liefe dies auf einen jährlichen Schuldenabbau um circa fünf Prozentpunkte hinaus“, heißt es in dem Papier des Jacques-Delors-Instituts. Kein Ökonom hält so einen Sparkurs für sinnvoll.

Europa hat nun zwei Optionen: Entweder die EU-Kommission gewährt Mitgliedstaaten andauernd Ausnahmen, worunter die Glaubwürdigkeit der Regeln weiter leidet. Oder sie reformiert die Regeln.

Lektion 4: Die Krisenarchitektur ist infrage gestellt

Eigentlich war für Krisenzeiten der Europäische Rettungsfonds ESM als Finanz-Feuerwehr für die Euro-Zone vorgesehen. Doch in der Coronakrise hat kein einziges Land Hilfe beim ESM beantragt.

Der Grund: Der ESM hat seit der Euro-Krise keinen guten Ruf in Südeuropa. Damals machte er den Ländern strenge Reformauflagen im Gegenzug für seine Finanzhilfen. Auch die kürzlich erfolgte Reform des ESM „vermag dieses Problem nicht zu lösen“, schreibt Guttenberg.

Die Politik sollte daher aus seiner Sicht einen neuen Versuch unternehmen, den ESM unter das Dach der EU zu nehmen und mit dem in der Coronakrise geschaffenen Fonds zu Abfederung von Arbeitslosigkeit, SURE, zu verschmelzen.

Lektion 5: Die Euro-Zone hat an Relevanz verloren

Viele Jahre war die Euro-Zone der Raum in Europa für schnelle Entscheidungen. Doch in der Pandemie hat der Währungsraum an Relevanz verloren.

So wurde der neue Wiederaufbaufonds von allen 27-EU-Staaten beschlossen. Durch den Brexit und die absehbare Erweiterung der Euro-Zone auf 21 Länder wird die zahlenmäßige Kluft zwischen EU und Euro-Zone zudem immer kleiner.

„Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten“, bei der die Euro-Zone vorwegmarschiert, hat vor diesem Hintergrund nur noch wenig Sinn. Ein weiterer Vorteil der EU ist, dass in ihren Strukturen vielfach mit Mehrheitsentscheidungen gearbeitet werden kann. „Das Euro-Zonen-Format hat an Bedeutung verloren, und es gibt gute Gründe dafür, dass es sie nicht zurückgewinnen sollte“, heißt es in dem Papier.

In den nächsten 18 Monaten wird sowohl in Deutschland wie in Frankeich gewählt. In dieser Zeit sind politische Fortschritte in Europa unwahrscheinlich. Doch die Politik sollte die Zeit nutzen, eine umfassende Reformdiskussion vorzubereiten, so Guttenberg. „Und dies sollte man auch im Wahlkampf offen diskutieren.“

Die Frage ist nur, ob die Spitzenkandidaten sich mit dem Thema die Finger verbrennen wollen. Bislang galt eine tiefere Integration Europas nicht gerade als Wahlkampf-Hit in Deutschland.