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FDP-Chef Lindner räumt nach Thüringen-Eklat Fehler ein

Der FDP-Vorsitzende Lindner hat das Vertrauen seiner Partei. Mit klaren Worten zum Thüringen-Debakel will er auch das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen.

Zwei uniformierte Beamte stehen im Eingangsbereich des Genscher-Hauses. Dass FDP-Chef Christian Lindner eine Pressekonferenz unter Polizeischutz abhält, ist ungewöhnlich. Aber es sind ungewöhnliche Zeiten für die Liberalen seit dem Eklat um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.

Der Bundesvorstand der FDP hat sich am Freitag in der Parteizentrale in der Berliner Reinhardtstraße eingefunden, um über die durch AfD-Unterstützung ermöglichte Wahl ihres Thüringer Landeschefs Thomas Kemmerich zu diskutieren.

Die Aussprache lief noch, als Lindner vor die Kameras trat. Das auch für ihn persönlich wichtigste Ergebnis konnte er aber schon verkünden: „Ich bin meiner Partei dankbar, dass sie mir mit einem sehr starken Ergebnis das Vertrauen ausgesprochen hat.“ Mit Ja votierten 33 Vorstandsmitglieder. Zwei Teilnehmer enthielten sich, nur einer entzog Lindner das Vertrauen – wer das ist, war unklar. Die Abstimmung lief geheim.

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Öffentliche Selbstkritik ist eigentlich nicht Lindners Stärke, doch bei seinem Auftritt war er glasklar: „Wir tragen Verantwortung für die Lage in Thüringen und darüber hinaus für die Debatte in Deutschland“, sagte er. „Und wir übernehmen auch die Verantwortung für diese Lage.“

Kemmerich war am Mittwoch im Erfurter Landtag im dritten Wahlgang angetreten, nachdem der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei in den ersten beiden Durchgängen nicht die erforderliche Mehrheit erreicht hatte. Der Chef der Thüringen-FDP erhielt dabei nicht nur Stimmen aus seiner Fraktion und aus der Union – sondern auch aus der AfD, die sich kurzerhand von ihrem eigenen Kandidaten abkehrte.

Kemmerich nahm die Wahl an und löste damit ein politisches Beben aus. Die AfD wird in Thüringen von Björn Höcke geführt, dessen rechtsnationaler „Flügel“ vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft wird.

Klare Grenze zu Rechtspopulisten

„Thüringen war ein Ernstfall und ist unverändert ein Ernstfall für die politische Kultur insgesamt und insbesondere für die FDP“, sagte Lindner. „Die Entscheidungen und Ereignisse in Thüringen, die wir verantworten, haben Zweifel bei vielen an der Grundhaltung der FDP ausgelöst. Diese Zweifel an der grundlegenden Orientierung unserer Partei bedauern wir zutiefst.“

Die FDP im Bund und auch in Thüringen habe immer eine klare Grenze zu den Rechtspopulisten gezogen. „Die AfD ist eine Partei, die ein völkisches Gedankengut hat, während wir eine liberale, an das Individuum glaubende Partei sind“, sagte Lindner. „Die AfD setzt auf Ausgrenzung, wo wir auf Toleranz setzen. Die AfD setzt auf Abschottung, wo wir auf Weltoffenheit setzten.“

Die Absicht von Kemmerich sei es gewesen, ein „Signal für die Mitte“ zu setzen. Dieses „lautere Motiv“ sei dann „in für uns katastrophaler Weise in das Gegenteil verkehrt worden“, so Lindner.

Es sei ein Fehler gewesen, dass Kemmerich im dritten Wahlgang angetreten und die Wahl anschließend trotz AfD-Unterstützung angenommen habe. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass diese Partei so weit geht, Kandidaten nur zum Schein vorzuschlagen, um dann plötzlich ganz anders zu votieren“, sagte Lindner. Aber: „Man hätte das vorher ahnen müssen bei Herrn Höcke.“

Diese „Fehleinschätzung dürfe sich nicht wiederholen. Der Vorgang unterstreiche „die besondere Bedrohung der AfD, die nicht nur in der Sache unsere politische Kultur zerstören will, sondern die auch die parlamentarischen Verfahren offenbar zerstören will“.

Die Fassungslosigkeit über die Ereignisse war auch in der FDP groß. Führende Liberale stellten die Frage, warum Lindner die Pläne Kemmerichs nicht unterbunden habe. Und warum er in seinem ersten Statement nach der Wahl den Parteifreund nicht zum Amtsverzicht aufgefordert hatte.

Lindner verwies auf die Eigenständigkeit der Landespartei. Er selbst habe aber nie „grünes Licht“ für die Wahl Kemmerichs unter Inkaufnahme von Stimmen der AfD gegeben. Fehler räumte Lindner bei seiner ersten Reaktion vom Mittwoch ein, diese sei „noch nicht kristallklar genug“ gewesen.

Der Gesprächsbedarf im FDP-Vorstand war groß, die Sitzung zog sich bis in den späten Nachmittag. Lindner berichtete von einer „sehr intensiven und offenen Aussprache“. Eine sehr grundlegende persönliche Kritik habe er nicht vernommen, es sei „im Rahmen des Üblichen“ gewesen.

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Sitzungsteilnehmer berichteten, dass sich der Parteichef zwar Kritik habe anhören müssen. Allerdings sei er für sein späteres Krisenmanagement auch gelobt worden: Lindner war am Donnerstag nach Thüringen gefahren und hatte Kemmerich von einem Rückzug vom Ministerpräsidentenamt überzeugt. Nach Informationen des Handelsblatts drohte Lindner mit seinem eigenen Rücktritt, um den Thüringer zum Einlenken zu bewegen.

Ein FDP-Vorstandsmitglied, das die Vorgänge in Thüringen besonders kritisch bewertet, zeigte sich zufrieden mit dem Auftreten des Parteichefs. Lindner habe den richtigen Ton getroffen, der Umgang mit den Ereignissen gehe nun klar in die richtige Richtung.

Kemmerich reichte am Freitag noch nicht seinen Rücktritt ein und nannte dafür formelle Gründe. Landtagsverwaltung und Staatskanzlei seien sich darüber einig, dass „ein Rücktritt, zum Beispiel sofort, nicht geboten ist, da es wichtige Entscheidungen der Landesregierung gibt, für die es zumindest ein amtierendes Regierungsmitglied braucht“, sagte er nach einem Gespräch mit Landtagspräsidentin Birgit Keller in Erfurt.

Kemmerich teilte mit, er habe mit Keller über die Möglichkeit einer schnellen, geordneten Amtsübergabe gesprochen. Die Landtagspräsidentin wolle schnellstmöglich eine Sondersitzung des Ältestenrates einberufen. Mit dessen Hilfe solle ein Weg gefunden werden, wie es verfassungskonform „schnell zur Wahl eines Ministerpräsidenten“ kommen könne.

Lindner: Lage ist geklärt

Lindner erklärte, dass Kemmerich die Bezüge aus seiner kurzen Amtszeit „selbstverständlich nicht annehmen beziehungsweise spenden“ werde. Die FDP im Bund und in Thüringen habe die Lage nun geklärt. Das wünsche er sich auch von der CDU, deren Landtagsfraktion in Thüringen sich noch gegen Neuwahlen stellt.

Der Schaden durch den Eklat von Erfurt wird sich aber nicht leicht reparieren lassen, dass weiß auch der FDP-Chef. „Natürlich ist jetzt eine Situation entstanden, in der wir aufgeworfene Fragen an die Verlässlichkeit der FDP, an ihre klare Haltung beantworten müssen“, sagte er.

Noch sei „viel Erklärarbeit“ erforderlich. Doch: „Nachdem wir gestern einen Fehler korrigiert haben, halte ich es für aussichtsreich, dass es uns gelingt, die an uns gestellten Fragen auch beantworten können.“