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Lindner wirft Regierung „Politikversagen mit Ankündigung“ vor

FDP-Chef Christian Lindner kritisiert die Corona-Beschränkungen als teils unverhältnismäßig und fordert einen Neuanfang für das Land.

Der FDP-Chef kritisierte die Corona-Strategie der Bundesregierung. Foto: dpa
Der FDP-Chef kritisierte die Corona-Strategie der Bundesregierung. Foto: dpa

Es ist nicht einfach für einen Politiker, vor leeren Rängen zu reden. Stühle lachen nun mal nicht über Scherze, ermuntern nicht durch Applaus, lassen sich nicht mitreißen. Aufbruchstimmung lässt sich vor einer solchen Kulisse schwerlich erzeugen.

Christian Lindner blieb nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Die Parteifreunde aus Baden-Württemberg hatten darauf bestanden, dass der FDP-Chef seine Dreikönigsrede am angestammten Ort hält, im Stuttgarter Opernhaus, nur eben ohne Zuhörer. Im Stammland der Freidemokraten wird am 14. März ein neuer Landtag gewählt.

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Lindner fügte sich und wandte sich am Mittwoch mit dem Rücken zu den 1400 unbesetzten Plätzen an das virtuelle Publikum. Der 42-Jährige ist ein versierter Redner, er braucht nur Zettel mit Stichpunkten für die Selbstvergewisserung auf der Bühne. Aber selbst der Profi Lindner wirkte bisweilen ein wenig verloren in der dunklen Leere des Opernhauses.

Der Parteichef hatte sich vorgenommen, in Stuttgart den Ton seiner Partei für das neue Jahr zu setzen, in dem so viele Wahlkämpfe anstehen. In sechs Bundesländern wird 2021 gewählt, und im September im Bund. Wie stark die Liberalen dabei abschneiden, wird auch über Lindners Zukunft an der Parteispitze entscheiden.

In seiner Ouvertüre zum Superwahljahr bemüht sich Lindner um einen Ton, der den außergewöhnlichen Umständen angemessen ist. Er verkneift sich allzu scharfe Attacken gegen die politischen Rivalen und arbeitet sich, anders als der Stuttgarter FDP-Landeschef Michael Theurer, nicht an den Grünen ab. Eine Lehre aus dem Frühjahr, als Lindners Kritik am Corona-Kurs der Bundesregierung auch vielen FDP-Anhängern zu schrill vorkam.

„Politikversagen mit Ankündigung“

Das hindert ihn freilich nicht daran, in der Sache bisweilen hart zu urteilen: Die Liberalen hätten seit Langem darauf gedrungen, besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen besser vor der Ansteckung zu schützen, die Verzögerungen etwa bei der Verteilung von Schutzmasken und Schnelltests in Altersheimen seien „Ausdruck eines Politikversagens mit Ankündigung“.

Die am Dienstag von Kanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten beschlossenen Einschränkungen seien „vielfach nicht verhältnismäßig“ und auch nicht praxistauglich. Die Beschränkung der Kontakte auf eine einzelne Person außerhalb des eigenen Haushaltes erschwere etwa die Nachbarschaftshilfe zur Betreuung von Kindern. Zudem fehle eine klare Perspektive für die Öffnung der Schulen.

In der Pandemiebekämpfung, so Lindners Diagnose, sei Deutschland dort stark gewesen, wo Disziplin und Pflichterfüllung gefragt seien. Finster sehe es hingegen dort aus, wo kreative Lösungen und unternehmerisches Handeln der Politik gefragt seien.

Ein Befund, der aus Sicht des FDP-Chefs über die Pandemie hinaus zutrifft: „Deutschland ist kein fortschrittsfreundliches Land mehr“, sagt er, auch Unternehmer hätten es zunehmend schwer.

Sätze gegen das Chauvi-Image

Zwar mache es ihn stolz, dass es Aufstiegsgeschichten wie jene der beiden Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin gebe. „Geben wir uns aber bitte nicht der Illusion hin, dass diese Erfolgsgeschichte repräsentativ für unser Land wäre.“

Deutschland sei bis heute kein attraktives Einwanderungsland, Zugewanderte kämpften mit Alltagsrassismus etwa bei der Wohnungs- und Jobsuche.

Türecis Karriere als Spitzenforscherin stehe zudem nicht repräsentativ für Frauen, die nach wie vor durch die verbreiteten Rollenmuster in den Familien litten und als Mütter in der Pandemie besondere Lasten tragen müssten.

Lindner versucht mit solchen Sätzen zugleich, das ihm anhaftende Chauvi-Image abzustreifen und die FDP auch für Wählerinnen attraktiver zu machen. Viele hatten es etwa nicht goutiert, wie der Parteivorsitzende im Sommer seine Generalsekretärin Linda Teuteberg geschasst und durch Volker Wissing ersetzt hatte.

Fehler wie diese kosteten die Liberalen im vergangenen Jahr Zustimmung. Inzwischen liegt die FDP in den Umfragen bei sechs bis sieben Prozent. Aus Sicht von führenden Liberalen ist das aber nur eine Momentaufnahme: Die Karten würden neu gemischt, wenn die Union ihren neuen Kanzlerkandidaten benenne und der Merkel-Bonus bei den Wählern schwinde. Liberal gesinnte Anhänger der Kanzlerin könnten dann von der CDU zur FDP wechseln und ihr erneut ein zweistelliges Wahlergebnis bescheren, so die Hoffnung.

Diesmal will die Partei auch mitregieren. Lindner trommelt bereits: Wenn er Finanzminister würde, verspricht der FDP-Chef, werde es „keine Erhöhung der Steuern auf die Einkommen der Beschäftigten und derjenigen geben, die die Arbeitsplätze in unserem Land schaffen“. Die einzige Ausnahme davon seien die Digitalkonzerne, die einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten müssten.

Die Wahlen in diesem Jahr sieht er als Grundsatzentscheidung zwischen einer Politik der „Staatsfrömmigkeit“, bei der die Bürger alle Entscheidungen an Regierungen abträten, und einer Rückbesinnung auf Freiheitsliebe und Ideenwettbewerb um die beste Lösung. Für diejenigen, die die zweite Option bevorzugten, sei die FDP der richtige „Ansprechpartner“.

Wegen Corona findet die Traditionsveranstaltung diesmal vor leeren Rängen im Opernhaus Stuttgart statt. Foto: dpa
Wegen Corona findet die Traditionsveranstaltung diesmal vor leeren Rängen im Opernhaus Stuttgart statt. Foto: dpa