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Erfolg vor Jahresende möglich: Wie die EU China einen Deal abringt – und was er bedeuten würde

Ein Durchbruch beim Investitionsabkommen zwischen der EU und China steht kurz bevor. Ein perfekter Deal sieht allerdings anders aus – trotz der Zugeständnisse aus Peking.

Nach fast sieben Jahren Verhandlung haben sich die EU und China nach Handelsblatt-Informationen auf den Text eines Investitionsabkommens verständigt. „Eine politische Einigung ist vor Jahresende möglich“, sagte ein Vertrauter von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem Handelsblatt. Voraussichtlich an diesem Mittwoch soll die Einigung von der EU-Spitze verkündet werden. Kommissionsvize Valdis Dombrovskis hatte den Durchbruch in Gesprächen mit Peking erreicht.

Das Comprehensive Agreement on Investment (CAI) soll einen verbesserten Marktzugang für europäische Unternehmen in China schaffen – und damit neue Geschäftsmöglichkeiten in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Davon profitieren unter anderem die Auto- und Telekommunikationsbranche, aber auch Banken und Versicherungen sowie Investoren aus dem Gesundheitssektor. „Das Verhandlungsergebnis ist das ehrgeizigste Ergebnis, das China jemals mit einem Drittland vereinbart hat“, heißt es in Kommissionskreisen.

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„Bessere Wettbewerbsbedingungen im staatswirtschaftlichen China sind für deutsche, europäische und chinesische Unternehmen von großem Nutzen“, sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dem Handelsblatt. Doch entscheidend seien die Durchsetzungsmöglichkeiten der neuen Rechte. Bis das Abkommen in Kraft treten kann, wird es voraussichtlich mehrere Monate dauern. Unter anderem muss noch das Europaparlament zustimmen.

EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis hatte mit Chinas Vizepremier Liu He die letzten Hindernisse aus dem Weg geräumt. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sprach von „großen Fortschritten“. Am Montag hatten die EU-Botschafter grünes Licht für das Abkommen gegeben. „Die Arbeiten auf technischer Ebene sind abgeschlossen“, sagte der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses.

Ausschlaggebend für die Einigung zwischen der EU und China war laut Angaben aus Kommissionskreisen, dass Peking Zusagen im Bereich Klimaschutz gemacht hat, darunter die Implementierung des Pariser Klimaabkommens.

Zudem habe es Fortschritte beim Streitthema Zwangsarbeit gegeben. China habe sich bereit erklärt, „fortgesetzte und nachhaltige Anstrengungen“ zu unternehmen, um die Ratifizierung des grundlegenden Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Zwangsarbeit voranzutreiben.

An solchen Kompromissen gab es jedoch am Dienstag bereits Kritik: „Dass Europa sich mit einer solchen Formulierung zufriedengibt, wo die chinesische Führung doch in Hongkong gerade unter Beweis gestellt hat, dass ihr internationale Vereinbarungen nichts wert sind, ist ein strategisches Eigentor“, sagte etwa Thorsten Benner vom Thinktank Global Public Policy in Berlin. Zugeständnisse Pekings im Bereich der Arbeitsrechte werden auch für die erforderliche Zustimmung des EU-Parlaments zentral sein.

Das Abkommen eröffnet EU-Unternehmen neue Marktzugänge etwa für Elektro- und Hybridautos, Cloud- und Finanzdienstleistungen sowie bei Investitionen in private Krankenhäuser in Städten mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Das Abkommen soll sicherstellen, dass es keine Diskriminierung von EU-Firmen durch chinesische Staatsunternehmen gibt. Darüber hinaus wird es China untersagt sein, die Bewilligung von Investitionen und anderen Vorteilen an den Transfer von Technologie zu knüpfen.

Der Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, sprach von einem „robusten Abkommen“, mit dem man leben könne: „Ein perfektes Abkommen gibt es nie.“

Deshalb sei es gut gewesen, dass die deutsche Ratspräsidentschaft im Hinblick auf einen Abschluss so viel Druck gemacht habe. Und auch EU-Abgeordneter Lange lobt: „Mit den erreichten Fortschritten werden die Investitionsmöglichkeiten verbessert, die Wettbewerbsbedingungen angeglichen, und vor allem wird mehr Rechtssicherheit geschaffen.“

„Als erster Akteur bringt EU China zu Zugeständnissen“

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), warnt hingegen: „Berlin und Brüssel dürfen sich nicht mit Zusagen abspeisen lassen, die an den gelebten Geschäftspraktiken nichts Wesentliches ändern.“ Gelänge diese Veränderung, wäre das Investitionsabkommen ein wichtiges Signal gegen die vielen protektionistischen Tendenzen in der Weltpolitik.

Neben der zentralen Einigung mit Großbritannien auf ein Anschlussabkommen nach dem endgültigen Ausscheiden aus der EU könnte das Investitionsabkommen einen zweiten Durchbruch zum Jahresende bedeuten. „Die EU ist der erste Akteur weltweit, der China zu Zugeständnissen in Fragen der Sozialstandards gebracht hat“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Lang. Das sei ein entscheidender Schritt hin zu einer „Union, die sich auch in Investitionsfragen geschlossen und als starker Akteur in die Gestaltung globaler Regeln einbringt“.

Dennoch ist auf europäischer Seite klar: Das Abkommen ist nur ein Baustein in den Beziehungen zu China. So bietet CAI keinen umfassenden Investitionsschutz außerhalb der bestehenden bilateralen Vereinbarungen. Auch können europäische Unternehmen weiterhin bei öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden – diesen Punkt umfasst das Investitionsabkommen ebenfalls nicht.

Bei dessen Weiterentwicklung, so die Forderung vieler Wirtschaftsvertreter, Ökonomen und Politiker, sollte es eine enge Abstimmung mit der neuen US-Regierung unter Joe Biden geben.

Zugeständnisse Pekings beim Marktzugang und beim Thema Wettbewerbsverzerrung sind vor allem aus deutscher Sicht von hoher ökonomischer Bedeutung. Deutschland allein exportierte in diesem Jahr bis einschließlich November Waren im Wert von knapp 100 Milliarden Euro in die Volksrepublik.

China rangiert damit auf Platz drei der größten deutschen Exportzielländer, gleich hinter den USA und Frankreich. China ist hinter den USA der wichtigste Handelspartner der EU. Während der Handel mit den USA in den vergangenen 19 Jahren deutlich zurückgegangen ist, verdreifachte sich der Anteil Chinas im selben Zeitraum nahezu auf knapp 16 Prozent des gesamten EU-Warenverkehrs.

Unter anderem hatte der Abschluss der „regionalen, umfassenden Wirtschaftspartnerschaft“ (RCEP) zwischen 14 asiatisch-pazifischen Staaten inklusive China Schwung in die Verhandlungen zwischen der EU und Peking gebracht. „Durch den Abschluss des RCEP sind die USA und die EU unter Zugzwang“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm.

Bereits seit Januar 2014 verhandeln beide Seiten. Auch nach der politischen Einigung dürfte bis zum Inkrafttreten des Abkommens noch viel Zeit vergehen. Allein die Übersetzung und juristische Prüfung des Textes dürfte ein halbes bis ein Jahr in Anspruch nehmen. Anschließend muss das Abkommen noch vom Europäischen Parlament diskutiert und verabschiedet werden.

EU-Parlamentarier kritisieren Eile bei Gesprächen für finalen Deal

Dabei dürften vor allem das Nachhaltigkeitskapitel und die Arbeitnehmerrechte zentral sein. „Die Ratifizierung von ILO-Kernarbeitsnormen gerade gegen die Zwangsarbeit muss verbindlich und mit konkreten Schritten verbunden sein“, fordert EU-Abgeordneter Lange.

In Brüssel kritisieren Europaparlamentarier die Eile bei der Einigung über das Investitionsabkommen. „Aus geostrategischen Gründen halte ich es für unklug, jetzt, kurz bevor Joe Biden Präsident wird, unbedingt schnell noch den Investmentpakt mit China durchzuziehen“, sagte der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne), Vorsitzender der China-Delegation des EU-Parlaments. „Ich dachte, wir wollten daran arbeiten, die Zeit der Alleingänge hinter uns zu lassen.“

China bleibe auch nach einem Investitionsabkommen ein Systemrivale, sagte Bütikofer. Er kündigte eine genaue Prüfung des Vertragstextes an. Unverbindliche Versprechen bei den Arbeitnehmerrechten reichten nicht für eine Zustimmung: „Ich nehme als Maßstab unser Freihandelsabkommen mit Vietnam.“ Dort sei ein Stufenplan vereinbart für die Ratifizierung der ILO-Standards.

Das Verhältnis zwischen der EU und China ist alles andere als entspannt. Das Europaparlament brachte kurz vor Weihnachten noch Sanktionen gegen China wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen ins Spiel. Insbesondere die Attacke Pekings auf die Autonomie Hongkongs hatte nicht nur im Europaparlament, sondern auch in zahlreichen Mitgliedstaaten Empörung und Kritik hervorgerufen.

Mehr: Das Abkommen könnte einen Keil zwischen Europa und die USA treiben