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Energiekrisen-Debatte stutzt Europas Fiskalfalken die Flügel

(Bloomberg) -- Wird das einst Undenkbare zur neuen Normalität der Europäischen Union?

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der EU am heutigen Donnerstag in Brüssel treffen, um Wege aus der Energiekrise zu finden, werden sie auch versuchen, Lehren aus der Corona-Pandemie zu ziehen. Ein Element der Debatte ist eines der größten Tabus der Union: die gemeinsame Ausgabe von Anleihen und damit ein massiver Vermögenstransfer von den reichsten EU-Staaten zu den besonders Bedürftigen.

Die fiskalpolitischen Falken des Blocks lehnen eine Neuauflage des bahnbrechenden 724 Milliarden Euro schweren europäischen Wiederaufbaufonds zwar ab. Einige, darunter auch Deutschland, sind jedoch bereit für gemeinsame Anleihen, wenn mit diesen Kredite zur Stützung angeschlagener Volkswirtschaften finanziert werden - keine Zuschüsse. Der Sinneswandel unterstreicht den Ernst der Lage in der EU inklusive der Einsicht, dass die herkömmlichen Finanzierungswege der EU nicht ausreichen, um das Ausmaß der aktuellen Schocks zu bewältigen.

“Diese Krise erfordert ein gemeinsames Vorgehen”, sagte Maria Demertzis, stellvertretende Direktorin der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Mit Blick auf die in Reaktion auf die Pandemie eingeführten Sure-Anleihen der EU sagte sie: “Wenn man ein Instrument hat, das schon einmal funktioniert hat, ist es schwierig, es nicht erneut einzusetzen.”

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Moskaus Krieg in der Ukraine hat die Inflation angeheizt und Europa an den Rand der Rezession gebracht. Die drastische Reduzierung der russischen Gaslieferungen nach Europa lässt den Kontinent nach alternativen Versorgungsmöglichkeiten suchen.

Noch vor dem Ende des Gipfels am Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU ein konkretes Maßnahmenpaket zur Abmilderung der Auswirkungen der hohen Energiepreise vorlegen. Von Paris bis Prag nehmen die Proteste gegen die steigenden Lebenshaltungskosten zu.

EU-Solidarität

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Deutschlands langjährigen Widerstand gegen die Verwendung gemeinsamer Anleihen zur Abfederung der Energiekrise unter einer Bedingung aufgegeben: Das frische Geld sollte als Darlehen und nicht als Zuschuss ausgezahlt werden, berichtete Bloomberg Anfang des Monats.

Dieser Kehrtwende vorausgegangen war Kritik anderer EU-Staaten an Berlins 200 Milliarden Euro schwerem “Doppelwumms”-Paket gegen die hohen Gaspreise. Dies könnte innerhalb der Union zu einer Spaltung führen, so die Kritik: dem einheitlichen Binnenmarkt drohten irreparable Schäden.

“Wenn es keine Konsultation, keine Solidarität, keine gezielte Unterstützung und keine Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen gibt, riskieren wir eine Zersplitterung des Euroraums”, hatte der französische Finanzminister Bruno Le Maire gewarnt.

Am Vorabend des Gipfels bestätigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, an Optionen zur Beschaffung zusätzlicher Mittel zu arbeiten, um die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen und gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Union zu gewährleisten. “Wir müssen jedem Mitgliedsstaat die gleiche Chance geben, sich auf die Zukunft vorzubereiten”, sagte von der Leyen vor dem Europäischen Parlament. “Es geht nicht nur um Energie, es geht um unsere globale Wettbewerbsfähigkeit und unsere Souveränität.”

Neue Instrumente

Die gemeinsame Kreditaufnahme sei eine der Optionen, die von der Kommission untersucht werden, berichteten mit der Debatte vertraute EU-Beamte Bloomberg. Die Erörterungen befänden sich allerdings noch in einer frühen Phase.

Länder wie Frankreich, Italien und Portugal wollten den Gipfel in Brüssel nutzen, um auf die Schaffung neuer EU-Instrumente zu drängen, hieß es. Luxemburg, die Niederlande und Dänemark indessen warnten vor der Entwicklung neuer gemeinsamer Maßnahmen.

Unter den traditionellen fiskalpolitischen Falken sei Österreich offen für Gespräche über eine Sure-ähnliche Option, solange die Unterstützung in Form von Darlehen und nicht in Form von Zuschüssen erfolge. Wien bleibt dennoch skeptisch in Bezug auf die Frage, ob eine erneute gemeinsame Anleiheemission klug wäre.

“Ich denke, dass die Mitgliedsstaaten ihre Haushalte vorher in Ordnung bringen müssen, und sie brauchen Anreize, das zu tun”, sagte Österreichs Finanzminister Magnus Brunner im Bloomberg-Interview.

Die entscheidende Rolle wird, wie so oft, Deutschland spielen. Nach jahrelangem Widerstand gegen die Risikovergemeinschaftung war Scholz vor zwei Jahren als Finanzminister federführend bei der Schaffung des Corona-Fonds und offen für mehr gemeinsame Schulden, um EU-Staaten mit höheren Kreditkosten Darlehen zu gewähren.

‘Schritt nach vorne’

Wie zu hören ist, wies Scholz eine Forderung des von Christian Lindner geführten Finanzministeriums zurück, ein schuldenfinanziertes EU-Programm beim Gipfel in Brüssel auszuschließen. Im Mittelpunkt der Gespräche steht eine Wiederholung des Sure-Instruments aus der Pandemie-Ära, bei dem EU-Schulden genutzt wurden, um den Mitgliedstaaten Kredite zur Zahlung von Arbeitslosenunterstützung bereitzustellen.

Lindner hat erklärt, noch keinen Grund für eine Debatte über eine solche Option zu sehen. Blockieren würde er dem Vernehmen nach eine solche Lösung jedoch nicht, sollte sich später die Notwendigkeit dazu ergeben.

Anfang des Monats besprach der liberale Minister die aktuelle Krise am Rande des Prager Treffens der Euro-Finanzminister mit EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Am selben Abend veröffentlichte der Italiener einen erkennbar an ein deutsches Publikum gerichteten Leitartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in dem er sich für den Einsatz von Gemeinschaftsgarantien aussprach.

Die Verwendung eines Instruments wie Sure “wäre ein Schritt nach vorne”, sagte Demertzis vom Think Tank Bruegel. Ein noch größerer Schritt wäre es nach ihrer Ansicht, wenn die gemeinsame Kreditaufnahme dazu genutzt würde, um Zuschüsse zu gewähren. Dies sei bei der Reaktion auf die Covid-Krise die “wahre Innovation” gewesen.

Überschrift des Artikels im Original:Energy Crisis Debate Clips the Wings of Europe’s Fiscal Hawks

--Mit Hilfe von Diederik Baazil, Márton Éder und Kamil Kowalcze.

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