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Ebay-Deutschlandchef: „Wir wollen keine Kopie von Amazon werden“

Oliver Klinck spricht über die Folgen der Coronakrise, die strategische Neuausrichtung der Plattform und die Stärken des Konkurrenten Amazon.

Ebay war auch in Deutschland einer der Pioniere des Onlinehandels, doch seit Jahren verliert die Plattform Marktanteile und Umsatz an den großen Konkurrenten Amazon. Anfang September hat Oliver Klinck den Posten des Deutschlandchefs von Ebay übernommen. In seinem ersten großen Interview berichtet er jetzt, dass die Handelsplattform überraschend stark von der Coronakrise profitiert hat. Im ersten Halbjahr 2020 habe Ebay in Deutschland mehr aktive Kunden dazugewonnen als im gesamten Vorjahr.

Zugleich räumt er aber auch Versäumnisse der Vergangenheit ein. Sehr spät erst habe das Unternehmen begonnen, einheitliche Produktdaten, eine zentrale Zahlungsabwicklung und eine eigene Logistik einzuführen. „Wir waren vielleicht nicht clever genug, unseren Händlern klarzumachen, wie ihnen die verpflichtenden Produktangaben dabei helfen, bei der Suche sichtbarer zu werden“, räumt Klinck ein. Ebay habe in der Vergangenheit mehrere Versuche unternommen, auf einheitliche Produktdaten umzustellen, die aber nicht erfolgreich waren.

Strategisch will sich Klinck jetzt darauf konzentrieren, nicht Amazon zu kopieren, sondern die Stärken von Ebay auszubauen. Die sieht er insbesondere darin, dass auf Ebay im Gegensatz zu Amazon die Endkunden auch selbst Verkäufer sind. „Wir wissen, dass Kunden, die selbst verkaufen, auch deutlich mehr Geld auf unserer Plattform ausgeben, also einen höheren Wert für die Verkäufer haben als Kunden, die nur kaufen“, sagt Klinck.

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Ein Trend, von dem Ebay profitieren könne, sei auch das größere Bewusstsein für Nachhaltigkeit. „Das Suchvolumen nach umweltfreundlichen Produkten hat sich 2019 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt“, berichtet der Ebay-Deutschlandchef. Einen guten Weg dazu sieht er darin, den Produktlebenszyklus zu verlängern und Waren ein zweites Mal in den Markt zu bringen. Ebay hat deshalb jetzt ein B-Ware-Center eingerichtet, das drei Millionen Produkte aus zweiter Hand bündelt, die von professionellen Händlern angeboten werden – von Retouren über Vorführartikel bis hin zu wiederaufbereiteten Waren.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Klinck, Amazon wird immer als einer der großen Gewinner der Coronakrise genannt. Hat Ebay auch von dem Onlineboom profitiert?
Ja, die Auswirkungen der Coronakrise haben einen deutlich positiven Einfluss auf unser Geschäft. Weltweit ist der Umsatz auf unserer Plattform im zweiten Quartal um 29 Prozent gestiegen, wir haben acht Millionen neue Kunden gewonnen. Bemerkenswert ist, dass auch der Gewinn entsprechend zugelegt hat.

Können Sie auch Zahlen für das Geschäft in Deutschland nennen?
Ich kann nur so viel sagen, dass wir auch in Deutschland eine starke Dynamik erleben. Wir haben im ersten halben Jahr schon mehr aktive Kunden dazugewonnen als im kompletten Vorjahr.

Gilt das für alle Bereiche des Onlinehandels?
Es ist spannend zu sehen, dass das stärkste Wachstum nicht bei brandneuer Ware von den großen Marken zu beobachten ist, sondern bei kleineren, unbekannteren Marken und auch bei wiederaufbereiteten gebrauchten Artikeln. Wir sind also genau in den Bereichen, in denen wir ohnehin schon stark sind, noch stärker geworden.

Geschäft mit Secondhandware wird wichtiger

Wie erklären Sie sich das?
Die Marktentwicklung spielt uns in die Hände. Von dem Gesamtvolumen des Onlinehandels in Deutschland in Höhe von 80 Milliarden US-Dollar waren im vergangenen Jahr nur noch 42 Prozent neu verkaufte Markenware, die restlichen 58 Prozent waren entweder keine Markenware oder Artikel aus zweiter Hand. Dieser Bereich, in dem Ebay traditionell besonders stark ist, wird auch deutlich stärker wachsen und im Jahr 2024 Prognosen zufolge schon bei rund 65 Prozent liegen.

Liegt das daran, dass bei den Kunden in der Coronakrise das Geld nicht mehr so locker sitzt?
Das liegt auch sehr stark daran, dass die Kunden mehr auf Nachhaltigkeit achten. Das Suchvolumen nach umweltfreundlichen Produkten hat sich 2019 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Das Beste, was Sie da machen können, ist, den Produktlebenszyklus zu verlängern und Waren ein zweites Mal in den Markt zu bringen und gebraucht zu kaufen. Und dafür sind wir der beste Platz. Wir haben jetzt ein sogenanntes B-Ware-Center eingerichtet, dort ist nun alles gebündelt, was von professionellen Verkäufern kommt, aber nicht neu ist. Das sind in Deutschland aktuell auf unserer Plattform drei Millionen Artikel, von Retouren über Vorführartikel bis hin zu wiederaufbereiteten Waren. Das wird von den Kunden sehr gut angenommen.

Trägt auch zum Wachstum bei, dass Sie in der Coronakrise verstärkt stationäre Händler auf Ihre Plattform geholt haben?
Wir haben unser „Local Heroes“-Programm ja schon Ende vergangenen Jahres gestartet, also vor Beginn der Pandemie. Das Ziel ist es, Händler, die noch keine Erfahrung mit E-Commerce haben, an die Onlinewelt heranzuführen. Wir sehen, dass das extrem gut wirkt. Wir haben ungefähr 5000 neue Verkäufer nur durch dieses Programm gewonnen, und diese Verkäufer entwickeln sich im Geschäft deutlich besser als die, die ohne diese Starthilfe einsteigen.

„Etwa 50 Prozent der Händler bei Ebay betreiben auch stationären Handel“

Was können Sie den Händlern bieten außer Ihrer Reichweite?
Sie müssen in den ersten drei Monaten keine Provision zahlen, damit ist die erste Barriere schon weg. Außerdem bekommen sie unseren sogenannten Concierge-Service für ein halbes Jahr kostenlos. Wir teilen da unser Know-how mit den Händlern und geben gezielte Beratung. Wir haben ja selber ein Interesse daran, dass diese neuen Händler Erfolg haben, das ist eine Win-win-Situation.

Zalando hat ein Programm gestartet, mit dem es seinen Onlinehandel mit stationären Händlern verknüpft. Hätte das nicht eigentlich von Ebay kommen müssen?
Zalando tut so, als hätten sie das erfunden, dabei machen wir das schon lange. Etwa 50 Prozent der Händler bei Ebay betreiben auch stationären Handel. Man kann bei uns beispielsweise Suchanfragen so filtern, dass nur Händler aus einem Umkreis von zehn Kilometern berücksichtigt werden. Auch Click and Collect bieten wir schon lange an, Kunden können sich also bei Ebay gekaufte Waren bei einem stationären Händler abholen. Dafür müssen aber die Händler die entsprechenden Voraussetzungen bei den Warenwirtschaftssystemen erfüllen.

Kunden erleben bei Ebay, dass bei den vielen verschiedenen großen und kleinen Händlern sehr unterschiedliche Standards bestehen und sie nie genau wissen, welcher Service sie erwartet.
Deswegen sind wir ja gerade dabei, mit unserer Initiative „Managed Marketplace“ einheitliche Standards und Services zu schaffen. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere neue einheitliche Zahlungsabwicklung, die wir jetzt schrittweise einführen. Weltweit haben wir bereits 42.000 Händler angebunden und 4,7 Milliarden Euro Umsatz darüber abgewickelt. Wir sind in Deutschland dabei genauso weit wie in den USA.

„Wir sind das Land der Filterer“

Ein großes Problem ist, dass es auf Ebay anders als auf anderen Plattformen bisher für Händler nicht Pflicht war, einheitliche Produktdaten einzugeben. Das macht die Suche schwierig.
Daran arbeiten wir, aber das ist eine große Herausforderung. Das funktioniert nur, wenn wir das weltweit machen, und wir haben rund 1,5 Milliarden Artikel online. Wir machen jetzt für eine bestimmte Kategorie eine gewisse Anzahl von Angaben verpflichtend – ohne die können Verkäufer die Ware gar nicht erst auf die Plattform bringen. Damit werden die Artikel viel besser gefunden, weil die Filter besser funktionieren. Das ist für Deutschland ganz wichtig, denn wir sind das Land der Filterer, hier wird seltener nach ganz konkreten Begriffen gesucht, sondern eher die Suche mit immer weiteren Filtern eingegrenzt.

Wie weit sind Sie mit dieser Umstellung?
Wir haben bis jetzt etwa 50 Prozent unseres Handelsvolumens darauf umgestellt. Das ist eine gute Zahl dafür, dass wir das erst vor einem guten Jahr gestartet haben.

Warum haben Sie damit erst so spät begonnen?
Wir haben verschiedene Anläufe dazu genommen, die leider nicht erfolgreich waren. Aufgrund der Größe und der Vielfalt unseres Angebots sowie der Tatsache, dass nicht wir, sondern viele verschiedene Verkäufer die Waren anbieten, ist das ein komplexes Thema. Man kann sich da beispielsweise keinen fertigen Produktkatalog kaufen, der würde bei uns nicht passen.

Oder haben Sie bei dem Thema den Konflikt mit Ihren Händlern gescheut, für die das ja Mehrarbeit bedeutet?
Nein, das würde ich so nicht unterschreiben. Wir waren vielleicht nicht clever genug, unseren Händlern klarzumachen, wie ihnen die verpflichtenden Produktangaben dabei helfen, bei der Suche sichtbarer zu werden. Am Ende haben eher die Händler gedrängt, dass wir da mehr machen. Auf allen anderen Marktplätzen hatten sie das ja längst, sie mussten also noch nicht mal etwas extra für uns erstellen. Und wir haben die Pflege der Attribute auch nicht einfach genug gemacht. Das haben wir jetzt verbessert und werden dies weiter tun.

Ein wichtiger Schritt, um zu Amazon aufzuschließen, ist ja auch die geplante Einführung einer zentralen Logistik für die Plattform. Machen Sie da Fortschritte?
Das haben wir als Pilotprojekt in Deutschland gestartet. Das hat hier so gut funktioniert, dass es jetzt weiter ausgerollt wird. Dadurch bekommen die Händler jetzt auch die Möglichkeit, diese Versanddienstleistung auch beim Handel über Grenzen hinweg zu nutzen. Das ist ein zusätzlicher Service für kleinere Händler, die ihre Logistik nicht selbst machen können oder wollen. Ziel ist es, die Lieferstandards über das ganze Angebot anzuheben.

„Wir werden es nie schaffen, für 100 Prozent der Waren den gleichen Lieferstandard zu bekommen“

Ihre Kunden erleben da aber immer noch sehr große Unterschiede.
Wir werden es nie schaffen, für 100 Prozent der Waren den gleichen Lieferstandard zu bekommen. Das liegt an unserem Geschäftsmodell: Wir sind ein globaler Marktplatz, auf dem Kunden Waren aus aller Welt kaufen können – von gewerblichen wie privaten Verkäufern. Aber aktuell sind schon 60 Prozent des Warenbestands lieferbar in zwei Tagen. Praktisch bekommen Sie bei unserem großen Bestand und den vielen Händlern fast jedes Produkt, das Sie haben wollen, innerhalb von zwei Tagen. Wir investieren auch stark in den Ausbau der Künstlichen Intelligenz zur Optimierung der Lieferzeiten, auch da ist Deutschland einer der führenden Märkte. Da haben wir viele Effizienzgewinne.

Wo setzen Sie sonst noch Künstliche Intelligenz ein?
An sehr vielen Stellen, der wichtigste Punkt ist die Suche. Da helfen uns natürlich die verbesserten Produktdaten enorm. Ich werde oft von Händlern gefragt, nach welchen Kriterien sie nach ganz oben in den Artikellisten kommen. Das kann ich selbst nicht sagen, das macht bei uns die KI.

Ist es Ihr Ziel, mit all diesen Änderungen so gut wie Amazon zu werden?
Wir wollen keine Kopie von Amazon werden. Die machen einen guten Job, aber wir sind anders. Klar gibt es einiges, wo wir aufholen müssen. Aber um uns zu differenzieren, werden wir unsere Stärken stärken.

„Bei uns findet man das gesamte Preis-Leistungs-Spektrum“

Wo sehen Sie diese Stärken?
Wir sind eine große Plattform, auf der ein Endkunde sowohl privat verkaufen als auch neue Ware von Händlern kaufen kann – und dies über alle Kategorien und weltweit. Und wir wissen, dass Kunden, die selbst verkaufen, auch deutlich mehr Geld auf unserer Plattform ausgeben, also einen höheren Wert für die Verkäufer haben als Kunden, die nur kaufen. Deshalb geben wir Kunden, die selbst verkaufen, Gutscheine für den Einkauf. Das Zweite, das uns einzigartig macht, ist, dass man bei uns das gesamte Preis-Leistungs-Spektrum findet. Einen Dyson-Staubsauger beispielsweise können Sie direkt vom Hersteller kaufen, von einem Händler, als von Dyson wiederaufbereitetes gebrauchtes Produkt oder aus zweiter Hand von privat – oder eben ein ähnliches Produkt von einer ganz anderen Marke.

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Onlinemarktplätze vervielfacht. Nun aber hat mit Rakuten der erste größere in Deutschland wieder aufgegeben. Erwarten Sie eine Konsolidierung in diesem Markt?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Fakt ist aber, dass es für bestimmte Businessmodelle nur begrenzten Platz im Markt gibt. Wer da kein einzigartiges Geschäftsmodell hat, für den wird es schwierig neben den großen Playern. Davon wird es nur wenige geben, und jeder muss sich überlegen, was seine Existenzberechtigung ist. Das kann auch eine Plattform sein, die sich auf ein spezielles Segment konzentriert, wo sie besser als die Generalisten ist. In jedem dieser Bereiche wird es dann Platz für ein, zwei Große geben – aber auch nicht mehr. Die traditionellen Händler, die jetzt noch Onlinemarktplatz werden wollen, stehen da vor großen Herausforderungen.

Also wäre ein Marktplatz, der das Gleiche macht wie Amazon, zum Scheitern verurteilt?
Ja, denn Amazon ist ja nicht nur groß, sondern auch über Jahre optimiert auf das, was sie tun. Deshalb konzentrieren wir uns mehr denn je auf unsere eigenen Stärken.

Herr Klinck, vielen Dank für das Interview.