Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 3 Stunden 19 Minuten
  • Nikkei 225

    38.385,22
    +182,85 (+0,48%)
     
  • Dow Jones 30

    39.056,39
    +172,13 (+0,44%)
     
  • Bitcoin EUR

    57.321,70
    -1.084,55 (-1,86%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.310,80
    +16,12 (+1,25%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.302,76
    -29,80 (-0,18%)
     
  • S&P 500

    5.187,67
    -0,03 (-0,00%)
     

Mit diesem Plan soll der freie Güterverkehr in der zweiten Corona-Welle gewahrt bleiben

„Nur die Transportwege offen halten!“, lautete die Devise des Bundesverkehrsministeriums in der Coronakrise. Nun will sich die Europäische Union mit einem Pandemieplan für die nächste Ausnahmesituation wappnen.

Die Fernsehbilder aus dem März alarmierten nicht nur Logistikexperten: An den Grenzübergängen nach Dänemark, Polen, Österreich oder Frankreich bildeten sich in der Coronakrise lange Lastwagenschlangen. In Europa, dem Kontinent mit der Waren- und Reisefreiheit, stand der Güterverkehr still, mussten die Lastwagen etliche Stunden warten, bis sie nationale Grenzen passieren durften. Fahrer aus dem Ausland sollten wie Urlauber in Quarantäne gehen.

Die Situation entsprach nicht dem europäischen Geist – und sie gefährdete die Versorgung der Europäer mit wichtigen Gütern. Wie es hieß, schaltete sich Kanzlerin Angela Merkel persönlich ein und verabredete etwa mit der polnischen Regierung, dass es zwar Einreisebeschränkungen für Personen gab, aber die Quarantäneregeln nicht für die Fahrer von Gütertransporten galten. Zudem entstanden damals bevorzugte Abfertigungslinien, in denen die Kontrollen auf das Nötigste beschränkt werden.

Für sein Krisenmanagement erhält auch der viel gescholtene Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Lob: „Das Ministerium hat sehr schnell gehandelt“, resümiert Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV). Huster zeigt sich erfreut, dass die Maßnahmen vom Frühjahr nun im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft in einem Pandemieplan für den Güterverkehr münden sollen. Einen entsprechenden „europäischen Notfall- und Pandemieplan für den Güterverkehr“ hat Scheuers Ministerium bereits vorgelegt.

WERBUNG

„Der Plan soll in Zukunft sofort scharfgeschaltet werden, wenn die Weltgesundheitsorganisation eine Pandemie ausruft“, heißt es im Verkehrsministerium. Mit den Maßnahmen sollen die europäischen Transportwege auch dann offen bleiben, wenn es etwa zu einer Verschärfung der Corona-Lage oder einer weiteren Pandemie kommt. Doch welche Lehren konnte Europa aus der ersten Krisenphase ziehen?

Das Ziel: keine Sanktionen beim Warentransport

Vergangene Woche beriet der Minister den Plan mit seinen EU-Kollegen. „Europa hat verstanden, dass das Personal im Warentransport von Sanktionen ausgeschlossen sein muss“, lautete das Credo im Ministerium. „Mit europäischen Regeln wächst die Marktmacht Europas.“

Zu dem Plan soll eine „Desinfektionsbahn“ gehören, wenn sich etwa ein Virus längere Zeit an Material hält. Auch sollen die Lenk- und Ruhezeiten vier bis sechs Wochen außer Kraft gesetzt werden können. Künftig sollen mit dem europäischen Galileo-Satellitensystem die Lkw-Ströme gemessen werden, um Engpässe zu vermeiden. Die EU-Kommission soll beauftragt werden, entsprechende digitale Lösungen zu erarbeiten.

Verkehrsminister Scheuer hatte gleich zu Beginn der Coronakrise zu Telefonkonferenzen eingeladen, um sich mit den Verkehrsbranchen über die aktuelle Lage auszutauschen und etwa das Transportgewerbe unbürokratisch von Regeln zu befreien: Wer etwa seinen Lkw zum Tüv bringen musste, durfte dies auf später verschieben.

Ebenso galt dies bei der Erneuerung von Zertifikaten oder der Vorlage von Gesundheitszeugnissen. Lenk- und Ruhezeiten wurden gelockert, Versicherungen reagierten auch flexibel, wenn Flotten stillgelegt wurden. Allerdings gab es Probleme bei den Zulassungsbehörden, die schlicht nicht mehr besetzt waren. Doch klappte vieles plötzlich auch ganz unbürokratisch. „Damit es nicht zu Versorgungsengpässen kam, sollten Maschinen und Personal so lange es ging in Betrieb bleiben“, hieß es im Ministerium und in den zuständigen Bundesbehörden.

Kritische Infrastrukturen im Blick

So wurde auch das Sonntagsfahrverbot aufgehoben. Allerdings nutzte das Logistikgewerbe diese Freiheit kaum: Da der Einzelhandel die Geschäfte an Sonntagen nicht öffnen musste, wurden entsprechend auch keine Waren an diesen Tagen angenommen. Und doch wäre es möglich gewesen. Mitunter schien es gar, als schieße das Ministerium über das Ziel hinaus. „Noch nie war es so leicht, ohne Führerschein und ohne Tüv betrunken mit einem Lkw an einem Sonntag durch Deutschland zu fahren“, wird in der Logistikbranche heute noch gewitzelt.

In der Krise pflegte das Verkehrsministerium auch mit anderen kritischen Infrastrukturen einen engen Austausch. Im Luftverkehr wie in der Schifffahrt gab es Erleichterungen, wenn es etwa darum ging, Lizenzen im Lotsendienst zu verlängern. Es gab viele Fragen zu lösen. Eine davon: Wie konnte die Lufthansa noch im Bereich Cargo fliegen, wenn etwa in Staaten wie China oder Indien für die Crew nach der Landung eine 14-tägige Quarantäne gilt?

Die pragmatische Lösung: Die Crews stiegen erst gar nicht aus. Der Personalwechsel fand auf einem abgelegenen Flugplatz in Russland statt. Mithilfe der Botschaften vor Ort wurden derartige Erleichterungen gefunden. „Andernfalls hätte es keine Cargoflüge mehr gegeben“, hieß es im Ministerium.

Im Bereich der Seeschifffahrt wurde die Fahrt auf See als Quarantänezeit angerechnet, da ein Transport etwa aus Asien gut und gerne drei bis vier Wochen dauert. Im Hafen dann musste der ärztliche Dienst über Krankheitsvorfälle an Bord informiert werden.

Lufthansa, DFS und Bahnen reagierten schnell

Auch die Unternehmen, die kritische Infrastrukturen betreiben, fuhren ihre Krisenapparate frühzeitig hoch. Im Luftverkehr etwa begann die Krise Ende Januar, als die Lufthansa Flüge nach China einstellte und in Deutschland erste Corona-Fälle bekannt wurden. Von diesem Tag an habe das Ministerium neben dem Auswärtigen Amt geklärt, wie Flugverbindungen weiter aufrechterhalten bleiben könnten, hieß es im Verkehrsressort.

Im Februar dann reagierte die Deutsche Flugsicherung (DFS), um den Luftraum weiter offen zu halten. Ein „Kernteam Covid-19“ sorgte neben Hygienemaßnahmen dafür, dass Mitarbeiter keine Dienstreisen mehr unternahmen, weder ins Ausland noch im Inland. Mitarbeiter, die privat ins Ausland fuhren, wurden danach in Quarantäne geschickt. Wer konnte, sollte von zu Hause arbeiten. „Priorität Nummer eins hatte der Schutz der Mitarbeiter“, resümiert DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle. „Damit wurde auch der Betrieb aufrechterhalten.“

Es galt, den Güterluftverkehr aber auch die Rückholaktionen der Bundesregierung zu sichern. Dies allerdings hing nicht nur von der Deutschen Flugsicherung ab: In Spanien etwa hatten es Rückkehrer schwer, das Land zu verlassen, weil die dortige Flugsicherung nicht mehr ausreichend Personal hatte. Etliche Flüge verspäteten sich und gerieten in Deutschland ins Nachtflugverbot.

Für die Rückreise von Urlaubern freilich war nicht das Verkehrs-, sondern das Gesundheitsministerium zuständig. Ebenso wie für die Flüge aus China und Iran, die noch lange Zeit in Deutschland landeten und nach dem Infektionsschutzgesetz untersagt werden mussten, wie das Verkehrsressort betont. „Wir sind zuständig für die Gefahren, die von einem Flugzeug ausgehen, nicht für die Passagiere“, hieß es abwehrend. Schließlich wurden noch sehr lange Flüge erlaubt und keine Kontrollen an den Flughäfen durchgeführt, als es bereits zu Infektionsherden gekommen war.

Bei der Deutschen Bahn AG wurde nach Angaben des Ministeriums bereits Ende Januar der Pandemiekrisenstab aktiviert und so sichergestellt, dass möglichst viele Mitarbeiter gesund blieben und der Zugverkehr aufrechterhalten werden konnte. Der Krankenstand sei die gesamte Zeit kontrolliert worden. So ging es etwa darum, dass die Stellwerke weiter betrieben wurden und genügend Lokführer zur Verfügung standen. Internationale Verbindungen indes wurden gekappt, im Regionalverkehr ebenso, da etliche Mitarbeiter mangels Kinderbetreuung in Schulen und Kitas nicht zur Arbeit kommen konnten.

Kritische Infrastrukturen sollen geschützt werden

Die Bahn ist Andreas Scheuer ein besonderes Anliegen. Entsprechend soll sie nun mit Milliarden unterstützt werden. Die privaten Eisenbahnen hingegen gehen leer aus. Die Güterbahnen klagen bereits über die Ungleichbehandlung bei der EU-Kommission und wollen notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um für fairen Wettbewerb zu streiten.

Schließlich seien sie es, die maßgeblich Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagerten und damit einen Beitrag zur Verkehrswende leisten. „Die Folgen schädigen unzulässig die Wettbewerber“, klagt Peter Westenberger vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen. Da der DB-Konzern und nun auch der Bund die Defizite von DB Cargo abdeckten, könne DB Cargo „im Markt mit Preisen unter Kosten operieren und sich somit zulasten der Wettbewerber Auslastung und Marktanteile sichern“.

Künftig wird sich das Verkehrsministerium auch mit dem durch die Pandemie verursachten Wandel in der Mobilität beschäftigen müssen. Grundsätzlich aber gilt: Das Verkehrsnetz – ganz gleich ob Schiene, Straßen, Datenkabel, Flüsse, Kanäle, Meere oder die Lüfte – zählt zu den kritischen Infrastrukturen. Und deren Schutz steht in der Krise oben auf der Agenda, ganz gleich, ob im Kriegsfall, bei einem Cyberangriff oder einer Pandemie.

Mehr: Autobauer fordern mehr gesetzlichen Freiraum beim autonomen Fahren.