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Ein deutscher Weltraumbahnhof ist machbar – und kostet nicht mal viel

Von einer mobilen Startrampe in der Nordsee sollen künftig Miniraketen starten. Der Industrieverband BDI hat mit Unternehmen ein Konzept erstellt.

Als der Industrieverband BDI vor einem Jahr den Bau eines deutschen Weltraumbahnhofs forderte, hielten das die Raumfahrtexperten im Bundeswirtschaftsministerium für eine reichlich spinnerte Idee. Lärmende Raketenstarts aus der Lüneburger Heide oder von Rostocks Flughafen Laage? Das klang ziemlich abgehoben.

Heute allerdings hält die Idee eines deutschen Raketenstartplatzes kaum noch jemand für abwegig. Im Gegenteil: Die Machbarkeit werde nun ernsthaft geprüft, hieß es am Freitagabend nach einem Treffen von Raumfahrtunternehmern und Ministerialen im Bundeswirtschaftsministerium.

Der BDI hatte zuvor seine Forderung gemeinsam mit Industriefirmen konkretisiert und eine Machbarkeitsstudie an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geschickt, die dem Handelsblatt vorliegt. Das Ergebnis: Es geht – wenn man es will.

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Und im Vergleich zu sonstigen Infrastrukturinvestitionen wäre der Weltraumbahnhof nicht einmal besonders teuer: Der Bund müsste in den ersten sechs Jahren Anschubkosten von 30 Millionen Euro finanzieren – so viel, wie drei Kilometer Autobahn kosten.

Nicht von Land aus, sondern von einer mobilen Startrampe in der Nordsee sollen demnach künftig Miniraketen, „Microlauncher“ genannt, abheben. Menschen an Land würden mit dem Lärm also nicht belästigt. Beim Start aus dem äußersten nördlichen Zipfel der deutschen „Ausschließlichen Wirtschaftszone“ in der Nordsee würden die Raketen nur über Wasser fliegen.

Abheben von Schiffen oder Plattformen

Abheben würden die Raketen von Schiffen oder Plattformen, wie sie bisher schon für das Aufstellen von Windrädern genutzt werden. Zum Beispiel von sogenannten Jack-up-Vessels, die erst am Zielort auf See ihre Pontons ausklappen und dann auf dem Meeresgrund stehen.

Eine Analyse der Rocket Factory Augsburg im Auftrag ihres Mitinvestors, des Raumfahrtkonzerns OHB SE, habe gezeigt, dass es möglich ist, Satelliten in polare und sonnensynchrone Umlaufbahnen zu bringen.

„Diese Positionen werden immer wichtiger, weil Satelliten, die über die Pole fliegen, die gesamte Erdoberfläche abdecken“, sagte OHB-Chef Marco Fuchs. Bisher werden diese Orbits selten genutzt, „aber das Interesse der kommerziellen Raumfahrt daran ist riesig“, so Fuchs. Die Hälfte der künftig etwa 1100 neuen Kleinsatelliten jährlich soll in diese Orbits gebracht werden.

Aus Sicht des BDI ist der eigene Startplatz der letzte notwendige Baustein für eine erfolgreiche New-Space-Strategie Deutschlands. Unter „New Space“ versteht man, seit Elon Musk SpaceX gründete, die kommerzielle Raumfahrt: Die hier aktiven Unternehmen bauen immer kleiner werdende Satelliten sowie Microlauncher mit einer Nutzlast von 500 bis 1000 Kilogramm. Die kleinste Falcon-Rakete zum Vergleich befördert 25 Tonnen pro Flug ins All.

Das Bundeswirtschaftsministerium fördert aktuell die drei deutschen Microlauncher-Hersteller Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg, und HyImpulse mit 25 Millionen Euro. Nur: Von wo sollen deren Raketen abheben? „Ziel einer Startplattform in der Nordsee ist es, das New-Space-Ökosystem zu stärken“, begründet denn auch BDI-Experte Matthias Wachter das Engagement des Verbands.

Bisher nur Startplätze im Ausland

Denn bisher werden auch Kleinsatelliten nur von den altbekannten Startplätzen in den USA, Russland und Französisch-Guayana ins All befördert. Die Hersteller müssen auf den jeweils nächsten Start einer Ariane- oder Falcon-Rakete warten und ihre Satelliten dann als Zuladung anbringen.

Das ist teuer und aufwendig, auch weil für das Verschicken der Satelliten an die weit entfernten Auslandsstartplätze Exportgenehmigungen für sicherheitssensible Güter nötig sind. Zudem fliegen die Großraketen meist nicht die polaren und sonnensynchronen Plätze im Orbit an.

Satelliten-Start-ups wie die US-Firma Planet mit Niederlassung in Berlin loben daher das BDI-Vorhaben. „Je mehr Raketen und Startplätze es gibt, desto besser ist es für uns“, sagte Planet-Mitgründer Will Marshall: „Die Preise für Starts werden im Wettbewerb weiter sinken, und wir müssen dann weniger lange warten bis zum nächsten Start“, sagte er.

Das Geschäft mit Satelliten werde getrieben durch Miniaturisierung, denn die größten Kosten verursache das Gewicht. „Wenn ein Satellit nicht mehr so groß ist wie ein Bus, sondern nur noch wie ein Schuhkarton, dann kann er wesentlich billiger in den Orbit gebracht werden“, so Marshall.

Noch billiger wird es, wenn regelmäßig Kleinstraketen starten könnten. Nach Aussage von Marshall ist Planet der größte kommerzielle Satellitenbetreiber Deutschlands: Seine Satelliten steuert das Unternehmen aus dem Dachgeschoss eines Gebäudes am Berliner Ku’damm.

Seit einigen Jahren werden in Europa neue Startplätze gesucht. Im Planungsstadium befinden sich Plätze auf den Azoren, in Schottland, Schweden und Norwegen. Bis 2022, wenn die ersten deutschen Microlauncher verfügbar sein sollen, könnte man nach dem BDI-Konzept die Nordsee-Startrampe einsatzfähig haben. Denn bisher verfügt keiner der drei Miniraketen-Hersteller über einen vertraglichen Startplatz in Europa.

Das Konzept hat die Tractebel DOC Offshore GmbH entwickelt, gemeinsam mit den drei deutschen Start-ups und der maritimen Wirtschaft. Die Plattform und die Begleitschiffe sollen für Starts jeweils aus ihrem Heimathafen Bremerhaven starten, eine Privatfirma soll den mobilen Startplatz betreiben. Als Betreiber kämen Reedereien infrage, die bereits heute Windräder aufs Meer bringen.

„Wir reden da technisch nicht über Rocket-Science“, sagt Fuchs. Eine schwimmende Plattform im Meer wurde in der Vergangenheit bereits als Startplatz genutzt. Viel anspruchsvoller werde es sein, „solche Dinge wie temporäre Luftverkehrssperrungen und die Vereinbarkeit mit anderem Schiffsverkehr zu klären“, sagt er. Auch die Belange von Umwelt- und Naturschutz seien zu berücksichtigen und „andere Nutzungen wie Fischerei und Offshorewindparks selbstverständlich auch“.

Auch im Wirtschaftsministerium sieht man die größeren Schwierigkeiten bei rechtlichen Fragen. Und: Werden Norwegen und Schweden die Konkurrenz einer deutschen Plattform vor ihren geplanten Küsten-Startplätzen akzeptieren?

Das höchste Innovationspotenzial haben nicht Raketen

Nach der Anschubfinanzierung von 30 Millionen Euro sollte sich der Bund mit Aufträgen für Starts beteiligen, heißt es im BDI-Konzept. Nach Prognosen von Euroconsult werden von den geplanten Satelliten etwa sechs Prozent für militärische Zwecke und weitere sieben Prozent für wissenschaftliche Zwecke gebraucht werden.

Auch die Bundeswehr interessiert sich zunehmend für den Weltraum. Am Montag vergangener Woche wurde in der Lüneburger Heide der Grundstein für den „AeroSpacePark“ gelegt, ein Forschungszentrum für Satelliten- und Raumfahrttechnik. Bis zu 60 Wissenschaftler und Ingenieure des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums sollen dort arbeiten. Das Verteidigungsministerium ist einer der Financiers.

Die meisten Kleinsatelliten dienen aber ziviler kommerzieller Nutzung. Dazu zählen Telekommunikation, die Überwachung von Stromnetzen und anderen Infrastrukturen, die Erdbeobachtung über die Veränderungen des Klimawandels, die Landwirtschaft sowie Mobilitätsdaten. Schon heute hängen zehn Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung von Satelliten ab.

Innovationstreiber sind nach Aussage von Marshall denn auch nicht die Infrastrukturen Raketen und Startplätze. „Ich weiß, dass Raketen sexy sind und Satelliten nur nützlich“, sagt Marshall. „Aber die echte Innovation, also die Möglichkeit, mit immer genaueren und besser zugänglichen Daten das Leben auf der Erde zu verbessern, liegt bei den Herstellern von Satelliten, nicht von Raketen.“

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