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Commerzbank: Ärger um die Besetzung des Chefpostens im Aufsichtsrat

Mit Hans-Jörg Vetter gibt es einen Favoriten für den Posten des Aufsichtsratschefs. Doch die Personalie sorgt bereits vor Vollzug für neuen Streit – dabei drängt die Zeit.

Es dürfte eine der interessanteren Aufsichtsratssitzungen in der jüngeren Geschichte der Commerzbank werden. Wenn das Kontrollgremium am Montagnachmittag zusammenkommt, dann haben die acht Damen und zwölf Herren vor allem eine Aufgabe zu lösen: Sie müssen das Führungschaos, das nach der überraschenden Revolte des amerikanischen Großaktionärs Cerberus die Bank lähmt, so schnell wie möglich beenden.

Bei dem Treffen des Aufsichtsrats soll es nach dem Doppelrücktritt von Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann nach Möglichkeit zumindest bei der Suche nach einem neuen Chefkontrolleur einen entscheidenden Schritt vorangehen.

In den vergangenen Tagen hat sich mit Hans-Jörg Vetter ein Favorit für den Posten herauskristallisiert. Nach Informationen aus Finanzkreisen soll der ehemalige Chef der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) dem Aufsichtsrat als Kandidat vorgeschlagen werden. Vetter gilt als ausgewiesener Sanierungsexperte.

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Doch der Konflikt rund um die künftige Strategie und den Umbau der Commerzbank wäre selbst mit einer Wahl des Ex-Landesbankers noch nicht ausgestanden. Denn im Kreis der Großaktionäre der zweitgrößten deutschen Privatbank gibt es erhebliche Vorbehalte gegen den 67-Jährigen.

Gegen Vetter spreche unter anderem sein Alter, monieren die Kritiker. Der Ex-Landesbanker könne allenfalls ein Übergangskandidat sein, die Commerzbank brauche bei der schwierigen Sanierung aber eine Dauerlösung an der Aufsichtsratsspitze. Außerdem sei Vetter bereits drei Jahre aus dem Geschäft und habe keine Erfahrung mit der Führung einer börsennotierten Großbank. Ihm fehle zudem die Expertise im wichtigen Privatkundengeschäft und bei der Digitalisierung. Insgesamt sei Vetter deshalb der falsche Kandidat für die Commerzbank.

Allerdings gibt es auch institutionelle Investoren, die den Ex-LBBW-Chef unterstützen: „Vetter wäre ein veritabler Aufsichtsratschef. Es ist gut, dass er sich mit Restrukturierungen auskennt. Er hat bei der LBBW einen guten Job gemacht und die Bank auf gesunde Füße gestellt“, heißt es bei einem Großanleger, der an der Commerzbank beteiligt ist.

Lähmendes Führungschaos

Vetter gilt als erfahrener Sanierer. Er rückte 2009 in der Finanzkrise für sieben Jahre an die Spitze der LBBW, die wegen hochriskanter Geschäfte mit komplexen Finanzprodukten ins Wanken geraten war und von den staatlichen Eigentümern gerettet werden musste. Zuvor hatte er einen ähnlichen Sanierungsjob an der Spitze der Bankgesellschaft Berlin. Damit dürfte Vetter die nötige Branchenexpertise mitbringen, die die europäischen Bankenaufseher auf dieser Position erwarten.

Mit der Suche nach einem geeigneten Kandidaten war Jutta Dönges beauftragt. Die Chefin der Finanzagentur des Bundes ist eine der zwei Aufsichtsräte, die der Bund erst vor Kurzem in das Kontrollgremium der Commerzbank geschickt hatte. Wegen der Rettung der Bank durch den Staat während der Finanzkrise ist der Bund nach wie vor mit 15 Prozent an dem Institut beteiligt.

Die Commerzbank ist seit fast einem Monat durch ein Führungschaos gelähmt, in das sie die überraschenden Rücktritte von Aufsichtsratschef Schmittmann und Zielke Anfang Juli gestürzt hatten. Die Schmittmann-Nachfolge ist dabei am drängendsten, weil der amtierende Aufsichtsratschef das Gremium auf eigenen Wunsch am kommenden Montag verlassen wird.

Durch die Kontroverse um Vetter stehen bereits vor der wichtigen Aufsichtsratssitzung am Montag die Zeichen erneut auf Streit. In Finanzkreisen heißt es, Vetter habe sich nicht selbst für den Posten bei der Commerzbank ins Spiel gebracht, er sei mehrfach darum gebeten worden und werde die Aufgabe nur übernehmen, wenn das Umfeld und die Bedingungen stimmten.

Nach Informationen des Handelsblatts hatte Vetter bislang keinen Kontakt zum rebellischen Großaktionär Cerberus. Das ist insofern bemerkenswert, weil der US-Finanzinvestor mit seiner heftigen Kritik an der Commerzbank-Strategie den Doppelrücktritt mitausgelöst hatte.

Der US-Finanzinvestor ist seit dem Sommer 2017 mit gut fünf Prozent an der Commerzbank beteiligt. Seither ist der Börsenkurs des Frankfurter Geldhauses um rund 60 Prozent eingebrochen. Normalerweise agiert der prominente US-Investor lieber diskret im Hintergrund. Doch die Commerzbank-Beteiligung hat Cerberus offenbar derart frustriert, dass die Amerikaner in die Offensive gingen.

Ein Brief von Anfang Juni an Aufsichtsratschef Schmittmann, der an die Öffentlichkeit durchsickerte, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Die unausgereiften und mangelhaft umgesetzten Bemühungen des Managements, den Niedergang der Commerzbank zu verhindern, demonstrieren ein Maß an Fahrlässigkeit und Arroganz, das wir nicht länger hinnehmen wollen.“

Das Verhältnis zwischen Cerberus und der Commerzbank war aber bereits vor dem Brandbrief schwer belastet. Seit seinem Einstieg hatte der amerikanische Investor in über 70 Treffen auf Änderungen gedrängt – unter anderem bei Vorstandschef Zielke, den Aufsichtsratschefs Stefan Schmittmann und Klaus-Peter Müller sowie den Finanzvorständen Stephan Engels und Bettina Orlopp.

Mehrfach hatten die Amerikaner dabei gefordert, dass sich die Commerzbank bei ihrem Umbau von der Cerberus-Beratungssparte COAC unterstützen lassen soll. Die Commerzbank-Spitze lehnte dies jedoch stets ab, weil sie einen Interessenkonflikt darin sieht, wenn Cerberus sowohl als Großaktionär als auch als Berater auftritt.

Cerberus forderte in dem Brief aus dem Juni zwei Sitze im Aufsichtsrat und deutlich radikalere Einschnitte, um die Probleme des Instituts in den Griff zu bekommen. Zuvor war Zielkes Umbauplan, den er im Herbst 2019 vorgestellt hatte, bereits beim wichtigsten Großaktionär, der Bundesregierung, durchgefallen.

Erst wenn das Führungsvakuum gefüllt ist, kann die Commerzbank auch den geplanten tiefgreifenden Umbau auf den Weg bringen. Die nachgeschärften Pläne sehen Finanzkreisen zufolge bisher den Abbau von 10.000 Stellen und die Schließung der Hälfte der Filialen vor, um die Rendite auf das materielle Eigenkapital mittelfristig auf sieben Prozent zu heben.

Ursprünglich wollte die Commerzbank ihren verschärften Sparkurs am kommenden Mittwoch zusammen mit den Halbjahreszahlen der Öffentlichkeit vorstellen, doch die Suche nach einem Vorstandschef verzögert das Projekt. Denn der neue Mann oder die neue Frau an der Spitze wird bei der Strategie mit Sicherheit eigene Akzente setzen wollen.

Als interne Favoriten für die Zielke-Nachfolge gelten Firmenkundenchef Roland Boekhout und Finanzchefin Bettina Orlopp. Sollte mit dem Ex-Landesbanker Vetter ein Externer das Rennen um den Aufsichtsratsposten machen, würde das die Chancen für interne Kandidaten für den Vorstandsvorsitz erhöhen, da diese die Bank und ihre Probleme bereits kennen und sofort verfügbar wären.

Probleme im Firmengeschäft

Die Probleme der Bank werden sich auch in den Zahlen für die Monate April bis Juni dieses Jahres zeigen, die am kommenden Mittwoch anstehen. Von dem Frankfurter Geldhaus befragte Analysten erwarten im Schnitt, dass der Gewinn im zweiten Quartal von 271 Millionen Euro auf 95 Millionen Euro geschrumpft ist. Für das Firmenkundengeschäft befürchten die Experten einen operativen Verlust von 134 Millionen Euro. Die Vorsorge des Konzerns für Kreditausfälle wird den Schätzungen zufolge von 178 Millionen Euro auf 475 Millionen hochschnellen. Für das Gesamtjahr liegt die Prognose bei einem Verlust von 320 Millionen Euro.

Neben der Coronakrise wird die Commerzbank voraussichtlich auch die Pleite des Skandalkonzerns Wirecard hart treffen. Der scheidende Vorstandschef Zielke hatte den kollabierten Zahlungsanbieter aus Aschheim bei München einst als „guten Kunden“ bezeichnet. Einen 200 Millionen Euro schweren Kredit an den Konzern muss das Geldhaus, das im September 2018 von Wirecard aus dem Dax verdrängt wurde, wohl abschreiben.