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1,2 Billionen Euro gegen die Coronakrise

Finanzminister Scholz bietet alles auf, um die deutsche Wirtschaft zu retten: Er plant mit Rekordschulden und will einen 600-Milliarden-Fonds schaffen.

Mitten in der Wirtschaftskrise plagt sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit einer Erkältung herum. Zwar fiel der Coronatest negativ aus, aber ein Husten macht dem Vizekanzler seit Tagen schwer zu schaffen. Und so gingen in der Telefonkonferenz mit Haushalts- und Wirtschaftspolitikern am Samstagabend einige der gigantischen Zahlen zu den Corona-Rettungspaketen im Husten des SPD-Ministers unter.

Zuvor wurde innerhalb der Bundesregierung ununterbrochen an einem Gesetzespaket der Superlative gearbeitet. Es gab zig Telefonkonferenzen und vor allem zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium einen ständigen E-Mail-Verkehr.

Als Scholz am Samstagabend die Abgeordneten über die gigantischen Rettungsaktionen für die deutsche Wirtschaft aufklärte, die die Bundesregierung am Montag beschließen will, waren viele der Maßnahmen via Handelsblatt bereits durchgesickert. Maßnahmen, die vor Kurzem noch undenkbar waren.

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Scholz, eigentlich bekannt als „Mister schwarze Null“, plant für das laufende Jahr eine Rekordneuverschuldung von 156 Milliarden Euro. Zudem wird die Bundesregierung einen riesigen Rettungsfonds für Unternehmen mit einem Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro errichten.

Der Garantierahmen des Bundes für die Staatsbank KfW könnte um bis zu 450 Milliarden Euro erhöht werden. Summiert man alles zusammen, was die Bundesregierung nun zur Bekämpfung der Coronakrise aufbieten will, kommt man auf eine gigantische Summe von mindestens 1,2 Billionen Euro.

„Wir werden jedes Mittel nutzen, das uns zur Verfügung steht“, kündigte Scholz schon vor gut einer Woche an. „Deshalb wird hier nicht gekleckert, sondern es wird geklotzt.“ Nun macht der Finanzminister Ernst. Aufgrund der Coronakrise wird Scholz in diesem Jahr Schulden in Rekordhöhe machen.

„Die enormen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Pandemie zu bewältigen sind, machen es erforderlich, Kredite zur Finanzierung der Belastungen in Höhe von rund 156,3 Milliarden Euro aufzunehmen“, heißt es in einem Nachtragshaushalt des Bundesfinanzministeriums für das Jahr 2020.

Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen

Ein Defizit von 156 Milliarden Euro – das gab es noch nie. Selbst nach der Finanzkrise wurden für das Jahr 2010 nur 80 Milliarden Euro an Schulden geplant, die dann aber gerade mal zur Hälfte tatsächlich aufgenommen werden mussten. In Coronazeiten plant Scholz nun mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von knapp 123 Milliarden Euro, womit die Ausgaben auf rund 485 Milliarden Euro steigen.

Gleichzeitig sinken die Einnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise, die auf die Pandemie folgen wird. „Für das Jahr 2020 muss von einem deutlichen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts ausgegangen werden“, heißt es im Nachtragshaushalt.

Intern geht das Ministerium davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um fünf Prozent schrumpfen wird. „Die Bundesregierung rechnet daher mit geringeren Steuereinnahmen in Höhe von 33,5 Milliarden Euro als ursprünglich im Haushalt 2020 eingeplant.“ Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen – das führt zur Rekordverschuldung.

Mit dem Nachtragshaushalt will die Bundesregierung den Auswirkungen der Pandemie entschlossen entgegentreten, sowohl im Hinblick auf die gesundheitlichen als auch die wirtschaftlichen Herausforderungen. So würden im Zusatzetat weitere 55 Milliarden Euro bereitgestellt, die kurzfristig für die unmittelbare Pandemiebekämpfung genutzt werden könnten.

Für die Unterstützung von Kleinunternehmern und von „Soloselbstständigen“ sind in dem Nachtragshaushalt 50 Milliarden Euro vorgesehen. Kleine Unternehmen und Selbstständige sollen infolge der Coronakrise Soforthilfen in Höhe von bis zu 15.000 Euro erhalten. Dabei handelt es sich ausdrücklich um Zuschüsse, nicht um Kredite.

Dies geht aus einem Gesetzesentwurf „Corona-Soforthilfen für kleine Unternehmen und Selbstständige“ hervor. Die finanziellen Hilfen können Unternehmen mit „bis zu zehn Beschäftigten“ in Anspruch nehmen, die infolge von Corona nach dem 11. März einen Schadenseintritt erlitten haben, heißt es im Gesetz.

Eine Einmalzahlung in Höhe von 9000 Euro für drei Monate sollen Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) bekommen. Bis zu 15.000 Euro sollen Firmen für drei Monate mit bis zu zehn Vollzeitbeschäftigten erhalten. Die Antragstellung soll möglichst elektronisch erfolgen.

Ihr ist zudem eine eidesstattliche Erklärung beizulegen, dass das eigene Unternehmen wegen der Coronakrise existenzgefährdet ist oder in Liquiditätsengpässen. Das Geld soll dann schnell ausgezahlt werden, um Pleiten zu verhindern. Spätere, rückwirkende Prüfungen sind allerdings möglich.

Neben den Hilfen für Selbstständige und Kleinunternehmen legt die Bundesregierung auch noch mal bei den Großen nach. Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatten bereits angekündigt, dass die staatliche KfW-Bank Unternehmen mit Liquiditätshilfen beistehen soll – und zwar unbegrenzt. Damit die KfW das stemmen kann, erhöht der Bund seine Garantien für die Staatsbank.


Riesiger Rettungsschirm für Unternehmen für Montag geplant

Mit dem Nachtragshaushalt werde der Garantierahmen um rund 357 Milliarden auf rund 822 Milliarden Euro angehoben, heißt es in dem Papier. Gleichzeitig wird im Kleingedruckten festgelegt, dass Scholz diesen Rahmen mit Zustimmung des Bundestags-Haushaltsauschusses noch mal um 30 Prozent erhöhen könnte – auf 1,06 Billionen Euro.

Aber all diese Maßnahmen reichen nach Einschätzung der Bundesregierung nicht aus, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Deshalb will sie am Montag im Kabinett beschließen, einen riesigen Rettungsschirm für Unternehmen zu spannen. Der sogenannte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) soll ein Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro haben.

Ein Schritt, der laut Ökonomen absolut gerechtfertigt ist: „Ich halte es für richtig und wichtig, dass die Bundesregierung diesen Rettungsschirm errichtet, auch in dieser Größe“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem Handelsblatt. „Es geht jetzt darum, anderen Kreditgebern Vertrauen zu geben, dass Insolvenzen weniger zahlreich sein werden als ohne den Rettungsschirm.“

Die Pandemie sorge „für enorme Unsicherheiten in der Realwirtschaft und Verwerfungen an den Kapitalmärkten“, heißt es auch im Gesetzentwurf zur Schaffung des WSF. „Unternehmen geraten zunehmend in Liquiditätsengpässe und Insolvenzgefahr.“

Der WSF ermögliche über die KfW-Programme hinaus „auch großvolumige Stützungsmaßnahmen mit der Möglichkeit der direkten Eigenkapitalstärkung für relevante große deutsche Unternehmen der Realwirtschaft“, heißt es im Gesetzentwurf.

Staatsgarantie könnte Unternehmen helfen

Der Fonds soll einerseits Staatsgarantien für die Verbindlichkeiten von Unternehmen abgeben, andererseits direktes Beteiligen ermöglichen. Für Ersteres werde der WSF laut Entwurf ermächtigt, „Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro zu übernehmen, um Liquiditätsengpässe zu beheben und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen“.

Die Idee dahinter: Angesichts der Krise könnten Zweifel wachsen, ob Firmen in der Lage sind, ihre Kredite zu bedienen – schließlich machen viele wegen des eingeschränkten öffentlichen Lebens kaum noch Umsätze. Eine Staatsgarantie könnte den Unternehmen dann helfen, sich frisches Geld am Finanzmarkt zu leihen.

Die Laufzeit der Garantien und der abzusichernden Verbindlichkeiten darf 60 Monate nicht übersteigen. Die 60 Monate sowie die 400 Milliarden Euro sind im Entwurf allerdings noch in eckige Klammern gesetzt. Heißt: Höhe und Laufzeit sind noch nicht abschließend geklärt.

Das ganze Wochenende über wurde an den Details gefeilt. Auch am Sonntagnachmittag liefen die Gespräche noch, hieß es von Beteiligten. Allerdings wurde in den Ministerien betont, dass es keine größeren Änderungen mehr geben werde.

Bereits fest stehen 100 Milliarden Euro für direkte Unternehmensbeteiligungen. So werde das Finanzministerium ermächtigt, für den WSF zur Deckung von Aufwendungen und von Maßnahmen „Kredite bis zur Höhe von 100 Milliarden Euro aufzunehmen“, heißt es im Gesetzentwurf. Das bedeutet: Droht ein Unternehmen in Schieflage zu geraten, könnte sich der Staat direkt daran beteiligen. Die Konzerne würden de facto teilverstaatlicht.

In der Finanzkrise hatte der Staat sich etwa an Banken beteiligt. Bis heute hält der Bund noch einen Anteil an der Commerzbank. Damals wurden stille Einlagen genutzt. Dieses Instrument ist weiterhin vorgesehen. Daneben sind nun aber auch andere Kapitalspritzen möglich. Dadurch hätte der Staat auch entsprechende Stimmrechte, etwa auf einer Hauptversammlung.

Erfahrungen aus der Finanzkrise

Zudem soll es wie schon in der Finanzkrise wieder Regeln geben für Konzerne, denen der Staat und damit letztlich der Steuerzahler beispringt. Im Gesetzentwurf ist geregelt, dass das Finanz- und das Wirtschaftsministerium den begünstigten Konzernen Auflagen machen können. Dazu gehören etwa Vergütungsgrenzen für den Vorstand oder Vorgaben zur Dividendenausschüttung.

Ohnehin orientiert sich die Bundesregierung sehr an den Erfahrungen aus der Finanzkrise. Sie nutzt für den neuen Rettungsschirm die Strukturen des alten Bankenrettungsfonds Soffin. „Das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz wird umbenannt in Gesetz zur Errichtung eines Stabilisierungsfonds“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Auch wenn das alles drastische Maßnahmen sind, gibt es Unterstützung von Ökonomen. „Die Bundesregierung ist grundsätzlich auf dem richtigen Weg“, sagte Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dem Handelsblatt.

Nach Kurzarbeitergeld und Liquiditätshilfen werde man auch an direkten Unternehmenshilfen und Kapitalbeteiligungen nicht vorbeikommen. „Es kann sein, dass für eine gewisse Zeit bestimmte kritische Unternehmen quasi teilverstaatlicht werden“, sagt Hüther und verweist auf das Vorgehen der US-Regierung, die in der Finanzkrise Banken verstaatlicht hatte.

Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass der WSF der KfW-Bank weitere 100 Milliarden Euro an Krediten bereitstellen könnte. „Der WSF kann der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen zur Refinanzierung der ihr von der Bundesregierung als Reaktion auf die sogenannte Coronakrise zugewiesenen Sonderprogramme gewähren“, heißt es im Entwurf.

Daher werde das Finanzministerium ermächtigt, „für den WSF zum Zwecke der Darlehensgewährung Kredite in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro aufzunehmen“. Dadurch will die Bundesregierung absichern, dass die KfW in der Lage ist, die ihr zugewiesenen enormen Aufgaben bei den Liquiditätshilfen zu stemmen.

Die Maßnahmen der Bundesregierung finden parteiübergreifend Zustimmung. Wenn nächste Woche der Bundestag die Ausnahmeregelung für Notfälle bei der Schuldenbremse ziehen will, dürften alle Parteien im Bundestag zustimmen.

Ökonom Fuest warnt aber vor falschen Hoffnungen: „Kein noch so großer Rettungsschirm kann die Tatsache aus der Welt schaffen, dass die zur Eindämmung der Epidemie ergriffenen Maßnahmen zu einem Einbruch der Wirtschaftsentwicklung führen werden.“