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Bundesbank-Präsident Weidmann warnt vor Einführung eines digitalen Euros

Kein Anleger ist auf dem Börsenparkett vor Fehlern gefeit. Foto: dpa

Der Notenbankchef fordert die Banken auf, zuerst ihren Zahlungsverkehr schneller und preiswerter zu machen. Die Facebook-Währung Libra will er mit Regulierung ausbremsen.

Kryptowährungen bleiben in der Bankenwelt auch 2020 ein Top-Thema. Die DZ-Bank etwa schreibt in einer neuen Studie, der Einsatz sei „nur eine Frage der Zeit“. DZ-Analyst Sören Hettler spricht von einer „geänderten Anspruchshaltung der Bürger“ und erinnert die Zentralbanken an ihre Aufgabe, „einen reibungslosen Zahlungsverkehr zu gewährleisten“.

Vor gut einem halben Jahr hatte Facebook die Notenbanker dieser Welt aufgeschreckt: Der Internetriese kündigte an, eine eigene Kryptowährung mit Namen Libra zu entwickeln. Libra soll als sogenannte Stablecoin an einen Korb etablierter Währungen wie Dollar und Euro angebunden sein. Angesichts der globalen Reichweite von Facebook ließ sich das Thema nicht mehr verdrängen.

Die Hüter der weltweiten Währungen reagierten skeptisch auf Facebooks Libra-Pläne. Ihre Antworten auf die Grundsatzfrage, wie sie die Zukunft des digitalen Geldes sehen und welche Rolle Notenbanken darin spielen sollen, fielen bisher allerdings eher vage aus.

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Bundesbank-Präsident Jens Weidmann wird im Gespräch mit dem Handelsblatt konkreter: Er warnt davor, vorschnell mit einem digitalen Euro zu reagieren.

Weidmann fordert vielmehr die Banken auf, ihren Zahlungsverkehr schneller und preiswerter zu machen, um dem Libra-Projekt von Anfang den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Ich halte nichts davon, immer gleich nach dem Staat zu rufen. In einer Marktwirtschaft ist es zunächst an den Unternehmen, für Kundenwünsche ein entsprechendes Angebot zu entwickeln.“ Außerdem hält er es für geboten, zuerst einmal genau zu definieren, was ein E-Euro eigentlich leisten sollte.

Weidmann zeigt sich damit deutlich zurückhaltender als andere Notenbanker, die eine größere Offenheit gegenüber digitalem Zentralbankgeld erkennen lassen, ohne wirklich in die Details zu gehen. Christine Lagarde, die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), forderte jüngst, bei dem Thema „der Zeit voraus“ zu sein.

Der scheidende EZB-Direktor Benoît Cœuré machte vor Kurzem einen radikalen Vorschlag: dem breiten Publikum digitales Zentralbankgeld anzubieten, um auf diese Weise einen direkten „chirurgischen“ geldpolitischen Eingriff in die Wirtschaft, ohne Umweg über die Banken, zu ermöglichen. Teil des Konzepts wäre auch, bei Bedarf „Zinsen auf digitales Zentralbankgeld zu erheben“, also Minuszinsen technisch zu erleichtern.

Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Jens Weidmann:

Herr Weidmann, Facebook hat mit den Plänen für Libra, eine konzerneigene digitale Währung, die Finanzwelt aufgeschreckt.
Mit „aufgeschreckt“ haben Sie recht. Aber mit dem Begriff der Währung wäre ich vorsichtig. Facebook plant ein digitales Zahlungsmittel, gebunden an einen Korb aus mehreren Währungen wie Euro und US-Dollar. Dadurch entsteht für die Nutzer ein Wechselkursrisiko. Wir haben mit dem Euro stabiles Geld, das sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt hat.

Also keine Chance für Libra?
Ich sehe größeres Potenzial in Ländern, in denen die offizielle Währung schwach und die Infrastruktur des Zahlungsverkehrs nicht so gut entwickelt ist, etwa in einigen Schwellenländern.

Warum hat Facebook dann mit der Ankündigung so eine starke Wirkung erzielt?
Der Zahlungsverkehr ist ein Feld, in dem Netzwerkeffekte und Größe eine entscheidende Rolle spielen. Facebook bringt mehr als zwei Milliarden mögliche Nutzer mit. Dadurch hätte Libra von Beginn an das Potenzial, ein dominierender Akteur zu werden.

Sollte die Europäische Zentralbank mit einer eigenen Digitalwährung dagegenhalten?
Ich halte nichts davon, immer gleich nach dem Staat zu rufen. In einer Marktwirtschaft ist es zunächst an den Unternehmen, für Kundenwünsche ein entsprechendes Angebot zu entwickeln. Wettbewerb macht den Marktteilnehmern Beine. Zum Beispiel ist die Initiative der Kreditwirtschaft, ein besseres europaweites Zahlungssystem anzubieten, auch deshalb entstanden, weil sich neue Wettbewerber abzeichneten.

Christine Lagarde, die neue Präsidentin der EZB, fordert, die Notenbanken sollten der Entwicklung voraus sein, statt hinterherzulaufen.
Erst mal geht es darum, die positiven und negativen Seiten von digitalem Zentralbankgeld zu verstehen. Dann kann entschieden werden, ob es gebraucht wird und sich die Risiken beherrschen lassen.

Aber mit Libra droht ein privates Monopol im Bereich der digitalen Währungen zu entstehen. Da ist es doch legitim, mit einem öffentlichen Monopol dagegenzuhalten.
In einer Marktwirtschaft sollten zunächst konsequent Regulierung und das Wettbewerbsrecht angewendet werden, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

Ist die Forderung, Libra streng zu regulieren, überhaupt realistisch? Eine digitale Währung kann in Wallets, in elektronischen Geldbörsen, irgendwo auf der Welt aufbewahrt werden.
Wir sprechen doch über ein Szenario, in dem Libra im Euro-Raum oder anderswo als Zahlungsmittel zielgerichtet angeboten wird. Die Anbieter müssen dann die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen einhalten, und die Vorschriften, die Geldwäsche oder die Finanzierung von Terrorismus verhindern sollen. Damit kein aufsichtsfreier Raum entsteht, haben sich auch die G7 und die G20 des Themas angenommen.

Und wie genau müssten die Regierungen vorgehen, um ein Monopol zu verhindern?
Solche Internetunternehmen mit großen Plattformen sind für die Wettbewerbshüter ein schwieriges Thema. Die großen Datenmengen, die sie horten, können ihnen Vorteile gegenüber kleineren Wettbewerbern verschaffen. Die Bundesregierung arbeitet deshalb an einer Modernisierung des Wettbewerbsrechts. Ein weiterer Schritt wäre, die Bürgerinnen und Bürger dabei zu unterstützen, über die Verwendung ihrer Daten selbst zu bestimmen.

Wie soll das praktisch funktionieren?
Es gibt hier interessante Ideen. So sollen beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger in Indien die Möglichkeit erhalten, über ihre eigenen Finanzdaten zu verfügen. Firmen, die diese benutzen möchten, müssen sich die Erlaubnis holen. Der Ansatz, den Menschen die Hoheit über ihre Daten zu geben, hat für mich viel Charme. Auch die deutsche Expertenkommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ empfiehlt, das zu prüfen.

Was würde das für den Staat bedeuten?
Im digitalen Zeitalter ist das eindeutige Identifizieren des Gegenübers durch eine elektronische Identität sehr wichtig. Es wäre gut, wenn das europaweit funktionieren würde. Das kann privat angeboten werden. Realistischerweise wird aber auch der Staat hier eine Rolle spielen.

Würde das nicht Ängste vor einem Überwachungsstaat wecken?
Digitale Technologien können Überwachung einfacher machen, das müssen wir im Blick behalten. Je wichtiger die Daten und ihre Verarbeitung werden, desto wichtiger werden auch Regelungen zum Schutz der Daten. Andererseits beruhen immer mehr innovative und nützliche Dienstleistungen auf Daten als Rohstoff. Hier besteht ein Spannungsverhältnis, das austariert werden muss.

Sie haben angedeutet, dass die Banken Facebook entgegentreten sollten. Aber wie?
Dabei geht es vor allem um Schnelligkeit und einfache Handhabung, etwa per Fingerabdruck auf dem Smartphone, aber auch um niedrige Kosten und natürlich um Sicherheit.

Reicht das aus?
Derzeit arbeitet die Kreditwirtschaft daran, ein gemeinsames europaweites Leistungsangebot aufzubauen. Es gilt, Zahlungen in Echtzeit kundenfreundlich möglich zu machen, auch international. Ähnlich wie beim Bargeld wird dann der Wert ohne Verzug übertragen. Der Empfänger sieht sofort und nicht erst in ein paar Tagen, dass ihm das Geld gutgeschrieben wurde. Das Risiko entfällt, die Ware auszuliefern, ohne dass das Konto des Zahlers eine ausreichende Deckung aufweist.

In Schweden gibt es schon länger Pläne für eine digitale Krone. Dort ist ein Grund, dass das Bargeld zunehmend außer Gebrauch kommt.
So weit sind wir im Euro-Raum noch lange nicht. In Deutschland finden immer noch rund drei Viertel aller Zahlungen im Laden bar statt, der Summe nach ist es knapp die Hälfte.

Aber diese Quoten nehmen ab. Und wenn das Bargeld verschwindet, haben die Bürger gar keine Möglichkeit mehr, direkt Zentralbankgeld in die Hand zu bekommen.
Die Quoten nehmen nur sehr langsam ab. Und selbst wenn: Die Menschen hätten nach wie vor ihre Einlagen bei Banken, die sie für Zahlungen nutzen können. Klar ist aber, dass wir Bargeld zur Verfügung stellen, solange die Bürgerinnen und Bürger das wünschen.

Bei einer Finanzkrise wären manche Kunden doch froh, ähnlich wie beim Bargeld eine direkte Forderung gegenüber der Notenbank statt ein Bankkonto zu besitzen.
Digitales Zentralbankgeld kann aber die Grundlagen des Finanzsystems verändern und es unsicherer machen. Abhängig von der Ausgestaltung würden die Kunden womöglich in großem Stil von Bankguthaben in digitales Zentralbankgeld umschichten und den Banken eine wichtige Finanzierungsquelle entziehen. Auch die Gefahr eines Bankruns in einer Krisensituation könnte steigen.

Trotz allem experimentiert die Bundesbank selbst auch mit einer digitalen Währung.
Dabei geht es um den Zahlungsverkehr zwischen uns und den Banken. Wir erproben hier eine Blockchain als Ergänzung zur bisherigen zentralen, kontenbasierten Lösung.

Und, wie gut funktioniert das?
In unserem speziellen Kontext mit wenigen, uns bekannten Geschäftspartnern ist die Blockchain zunächst nicht effizienter als eine zentrale Abwicklung. Aber sie ermöglicht, automatische Funktionen für sogenannte smarte Kontrakte einzubauen. Zum Beispiel könnte dann die Übergabe eines Wertpapiers zugleich eine Zahlung auslösen.

Besteht bei so viel Zurückhaltung in Europa nicht die Gefahr abgehängt zu werden? China hat als Reaktion auf Libra schon die Schaffung einer zentralen digitalen Währung angekündigt.
China mag schneller sein, es hat aber auch ein anderes politisches System. Dort hat der Staat eine Machtfülle, die vielen von uns nicht gefallen würde. Ich glaube, dass eine soziale Marktwirtschaft in einer freiheitlichen Gesellschaft am Ende die besseren Lösungen findet.
Herr Weidmann, vielen Dank für das Gespräch.