Boris Pistorius, Kanzler der Reserve: Hauptstadtgeflüster
(Bloomberg) -- Arne Delfs über einen, der Klartext redet. — Abonnieren Sie unseren Newsletter Fünf Themen des Tages und erhalten Sie sonntags das Hauptstadtgeflüster direkt in Ihre Mailbox.
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‘Mit grimmiger Hingabe’
Vier Tage lang war Boris Pistorius in den USA und Kanada unterwegs, um vor allem eine Botschaft loszuwerden: Germany is back — auch militärisch.
Höhepunkt der Reise des deutschen Verteidigungsministers war am Donnerstag eine 30-minütige Rede an der School of Advanced International Studies der renommierten Johns Hopkins University in Washington, einer Kaderschmiede für angehende US-Diplomaten.
Anders als der oft zögerliche Bundeskanzler Olaf Scholz präsentierte sich Pistorius hier als entschlossener Macher, den keine noch so große globale Krise, kein noch so blutiger Konflikt schrecken konnte.
“Ich stehe hier, um Ihnen zu versichern: Deutschland ist ein standfester Verbündeter”, ließ Pistorius die rund 300 Studenten wissen. “Sie sehen mich bereit, diese Krisen und Herausforderungen mit grimmiger Hingabe zu bekämpfen.”
Viele seiner Zuhörer waren baff. Da stand ein Mitglied der Bundesregierung, das wohltuend anders klang als der Kanzler, der sich gern als besonnener Friedensfürst präsentiert, aber ansonsten seltsam zögerlich agiert. Zum Beispiel wenn es um die Taurus-Mittelstreckenraketen geht, deren Lieferung an die Ukraine Scholz beharrlich verweigert. Eine Position, die auch in den USA wenig Verständnis findet.
Ein junger Student schien besonders beeindruckt. In der anschließenden Fragerunde wollte er wissen, wie Deutschland in Zukunft aussehen werde, “wenn das Land unter Ihrer Führung steht”.
Pistorius stutzte kurz, lächelte leise und sagte dann mit der ihm eigenen Schlagfertigkeit: “Den letzten Teil habe ich nicht verstanden.”
Weil ihm die Frage in diesen Wochen immer wieder gestellt wird, wird sich der Minister wohl noch so manches Mal mit Hörproblemen herausreden müssen — umso öfter, je deutlicher Pistorius in den Beliebtheitsumfragen vor dem Kanzler liegt.
Viel wird nun davon abhängen, wie er aus dem Haushaltsstreit hervorgeht. Aus den USA lieferte sich Pistorius eine Art Fernduell mit Finanzminister Christian Lindner, indem er deutlich machte, dass die Landesverteidigung einen ebenso hohen, wenn nicht höheren Verfassungsrang habe als die Schuldenbremse, die bekanntlich das Steckenpferd des Finanzministers ist.
Lesen Sie auch eine Auswahl unserer Top-Artikel dieser Woche: Deutsche Banken entdecken TikTok, noch ne Karte, die Stadt der Reichen, von wegen Totalverlust, und Sparstrumpf im Getriebe.
Deutsche Banken entdecken TikTok
Die großen Spitzeninstitute von Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden beim Anwerben von Nachwuchskräften kreativ. Dass sie diese auch angesichts des Fachkräftemangels kaum noch über klassische Stellenanzeigen erreichen, ist kein Geheimnis. Im Fokus stehen soziale Medien — wer dabei nur an Karrierenetzwerke wie LinkedIn denkt, ist auf dem Holzweg. Denn zunehmend experimentieren die Banken auch mit TikTok. Ein Erfolgsbeispiel: die Helaba.
Noch ne Karte
Ein künftiger digitaler Euro würde nach Ansicht der EZB “unser Leben erleichtern”, er könnte “jederzeit und überall” genutzt werden. Das trifft auf den heute gängigen Karten-Zahlungsverkehr aber auch meist zu. Hört man Joachim Nagel zu, so ist die Motivation der Notenbanker um Christine Lagarde womöglich profaner: “Wenn man mich vor 20 Jahren gefragt hätte, ob das Geschäftsmodell der Zentralbank zerstörbar ist oder nicht, hätte ich nein gesagt”, so der Bundesbankpräsident. “Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher”. Der digitale Euro sei daher “eine Notwendigkeit.”
Die Stadt der Reichen
Mit mehr als 3 Billionen Dollar verfügen die New Yorker über ein größeres Vermögen als die Bewohner jeder anderen Metropole der Welt. Das verdankt die Stadt ihren fast 350.000 Millionären, die sich innerhalb von 10 Jahren um fast die Hälfte vermehrt haben. Beim Millionärswachstum liegt Big Apple innerhalb der USA allerdings hinter der Bay Area in Kalifornien und global gesehen hinter Peking und Singapur.
Von wegen Totalverlust
Die Kunden der Pleite-Kryptobörse FTX können vollständig entschädigt werden. Dank der Erholung der Preise auf dem Markt für digitale Währungen sind die Vermögenswerte so stark gestiegen, dass nun Milliarden Dollar mehr zur Verfügung stehen, als die Kunden beim Zusammenbruch der Handelsplattform im November 2022 insgesamt verloren haben. Meist erhalten Gläubiger bei Konkursen in den USA für ihre Forderungen nur wenige Cent pro Dollar. “Dies ist ein unglaubliches Ergebnis”, sagt CEO John Ray, der die FTX-Leitung übernahm, als die Börse insolvent ging.
Sparstrumpf im Getriebe
Steigende Konsumausgaben wären für den Euroraum ein wichtiger Konjunkturmotor. Eigentlich müsste das Umfeld dafür passen angesichts Rekordbeschäftigung, gestiegener Löhne und der Annäherung der Teuerungsrate ans Normalniveau. Doch “ein starker psychologischer Faktor wird oft unterschätzt: die Unsicherheit”, sagt Rolf Bürkl vom Nürnberger Marktforschungsinstitut NIM. Zwar wächst die Anschaffungsneigung, allerdings auch der Trend, mehr zu Sparen, um für die Zukunft vorzubauen.
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