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„Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ – Aus für das Institut für Rundfunktechnik

Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen ihr renommiertes Technikinstitut abwickeln. Das kostet viel Geld, Image – und Zukunftsfähigkeit.

Trotz „intensivster Bemühungen“ gelang es den Gesellschaftern des Instituts nach eigenen Angaben nicht, eine belastbare wirtschaftliche Zukunftsperspektive zu entwickeln. Foto: dpa
Trotz „intensivster Bemühungen“ gelang es den Gesellschaftern des Instituts nach eigenen Angaben nicht, eine belastbare wirtschaftliche Zukunftsperspektive zu entwickeln. Foto: dpa

Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem steckt in diesen Tagen mitten in Sparaktionen. Umso dramatischer, dass nun finanzielle Zusatzlasten drohen – die womöglich einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag ausmachen werden. Grund ist das Aus für das Institut für Rundfunktechnik GmbH (IRT) in München zum 31. Dezember 2020. Es ist eine renommierte, 64 Jahre alte Technikschmiede, die zum Beispiel die MPEG-Technologie für MP3-Player mitentwickelt alt.

Nach einer mehr als fünfstündigen Gesellschafterversammlung am vorigen Freitag droht nun ein sehr unangenehmer Moment der bilanziellen Wahrheit. Die Auflösung und Liquidation der GmbH sind geradezu zwangsläufig, nachdem die 14 Gesellschafter – öffentlich-rechtliche Sender aus Deutschland, der Schweiz und Österreich – „kein tragfähiges Modell für eine Fortführung“ finden konnten, wie es in der IRT-Presseerklärung heißt.

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Trotz „intensivster Bemühungen“ sei es nicht möglich gewesen, eine belastbare wirtschaftliche Zukunftsperspektive zu entwickeln. Es bleibe bei den Ende 2019 ausgesprochenen Kündigungen aller Gesellschafter, für die rund 100 Mitarbeiter werde ein Sozialplan erarbeitet. Irgendwann in näherer Zukunft wird ein Antrag auf Auflösung der Gesellschaft beim Handelsregistergericht eintrudeln.

„Am Schluss fanden alle: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, befindet ein ARD-Manager. „Vor allem die kleineren ARD-Anstalten hatten für die Fortführung des Instituts gekämpft.“ Vom 1. Januar an heißt es dann IRT GmbH i.L. – in Liquidation.

Namentlich für die ARD – die größte Gesellschaftergruppe – ist das ein Offenbarungseid. Nach Betrugsfällen rund um die Sportchefs Jürgen Emig und Wilfried Mohren, Unterschlagungen beim Kinderkanal und dem Schleichwerbeskandal bei Bavaria in den 2000er-Jahren ist der IRT-Fall eine noch größere Herausforderung für das System. Die Liquidation des Technikinstituts kostet viel Geld und Image – und offenbart gravierende Mängel im Krisenmanagement.

Patente mit wirtschaftlichem Potential?

Im Falle einer Liquidation müssten zum Beispiel Pensionsansprüche von 120 Millionen Euro, Erfindervergütungsansprüche ehemaliger Mitarbeiter in Höhe von schätzungsweise neun Millionen sowie allgemeine Abwicklungskosten in Höhe von mindestens 30 Millionen Euro bewältigt werden. Die genaue Höhe hängt auch von Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der nicht gerade als sanftmütig bekannten Gewerkschaft Verdi ab. Insgesamt addieren sich diese Belastungsposten auf rund 160 Millionen Euro.

In der zuletzt einsehbaren Bilanz für das Geschäftsjahr 2018 sind insgesamt 80 Millionen Euro für Pensionsrückstellungen verbucht sowie mehr als elf Millionen für sonstige Rückstellungen. Bei einer Liquidation kommen für Verwertungserlöse vor allem Patente in Betracht. Einige könnten „ein wirtschaftliches Potential haben“, heißt es im Jahresabschlussbericht 2018. Die bisherigen Forschungsergebnisse sollen den Gesellschaftern, beziehungsweise dem europäischen Rundfunkwesen, zur Verfügung gestellt werden, heißt es allgemein beim IRT. Aber was sind sie wert? Und was kommt da womöglich noch hoch?

Über solche Fragen müsste der eingesetzte Liquidator entscheiden. Das könnte theoretisch IRT-Geschäftsführer Michael Hagemeyer sein. Nach seiner Zeit als Direktor Technologie und Produktion bei ProSieben Sat1 Media war er 2005 zum Bayerischen Rundfunk (BR) gegangen, von wo er im Januar 2018 zum IRT wechselte.

Damals war das System durch einen Patentverwertungsskandal aufgerüttelt. Ein Patentanwalt hatte saftige Erlöse erzielt, ohne dass IRT und die Gesellschafter davon etwas hatten. In einer außergerichtlichen Einigung zahlte der Anwalt, ein früherer IRT-Mitarbeiter, 60 Millionen von geforderten 200 Millionen Euro zurück. Der BR betont, in den Patentverwertungsfragen seien auch Justiziariate anderer Anstalten, des ZDF und des früheren SWF, aktiv gewesen. Prozesse mit dem italienischen Rechteverwerter Sisvel laufen weiter vor dem OLG Karlsruhe und dem LG Turin. Die Chancen? Nicht sehr hoch.

Für den im Februar 2021 scheidenden BR-Intendanten Ulrich Wilhelm, 59, ist der IRT-Flop ein Makel seiner Bilanz. Der vormalige Sprecher der Bundesregierung hatte sich sehr dafür eingesetzt, mit einem auf rund 50 bis 60 Mitarbeiter verkleinerten IRT weiterzumachen. Doch im Kreis der ARD ist er isoliert.

Wilhelm hat intern in Hintergrundgesprächen erklärt, im Zweifel lieber bei ARD-Gemeinschaftskosten zu sparen als beim BR. Offiziell erklärte Wilhelm im dpa-Interview, der BR habe „seit Jahren überproportional bei Technik und Verwaltung gespart“ und bis zuletzt versucht, das Programm zu schonen: „Das kommt an seine Grenzen.“ Auch stimmte er als einziger im Intendantenkreis gegen die Einrichtung einer Kulturplattform in Sachsen-Anhalt.

Zudem verstand es keiner seiner Chefkollegen, wie beharrlich Wilhelm mit dem Verweis auf das GmbH-Gesetz die Rolle des BR als „federführende Anstalt“ bei der Krisentochter IRT ablehnte. Er scheue die Verantwortung, lautete der oft gehörte Vorwurf, was Wilhelm strikt dementiert. Der BR betont die Verantwortung aller Gesellschafter. Vom nötigen Vertrauen für einen Neuanfang konnte jedenfalls unter solchen Bedingungen keine Rede sein.

So fand sich nach dem definitiven Ausstieg von ZDF und wohl auch der Schweizer SRG keine Lösung, bei der die verbliebenen Teilhaber nicht mehr hätten zahlen müssen. Bisher waren jährlich elf Millionen Euro Unterstützung nötig gewesen. Dann wählten sie lieber eines: das sichere Ende.