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Bankenverband und Verbraucherschützer streiten um Zinsen für gestundete Kredite

Wer in der Coronakrise in einen finanziellen Engpass gerät, kann derzeit seine Kreditraten stunden lassen. Strittig ist, ob die Zinskosten dadurch steigen dürfen. Das soll nun der Gesetzgeber klären.

Verbraucher, die in der Coronakrise in eine finanzielle Schieflage geraten sind, können ihre Kreditraten derzeit stunden lassen. Der Bundestag hat Ende März angesichts der wirtschaftlichen Verwerfungen infolge der Viruspandemie beschlossen, dass Privatpersonen bei Krediten die Zahlung von Tilgung und Zinsen aufschieben können.

Was einfach klingt, sorgt aber für Probleme: Manche Banken verlangen offenbar auch für den Zeitraum der Stundung eine Zinszahlung, die dann auf die Restschuld aufgeschlagen wird. Vor allem bei Immobilienfinanzierungen kann das dazu führen, dass für den Kredit am Ende erkennbar mehr Zinsen zu berappen sind, was den Einzelnen in der angespannten Situation zusätzlich belasten dürfte. Während Banken darüber streiten, ob dieses Vorgehen richtig ist, kommt von Verbraucherschützern einhellig Kritik. Nun soll die Bundesregierung die Lage klären.

Grundsätzlich sind die gesetzlich beschlossenen gesetzlichen Stundungsregeln eindeutig: Bei Krediten für die Anschaffung von Konsumgütern wie einem Auto, einer Küche oder auch für eine Weltreise, aber auch bei Immobiliendarlehen, die vor dem 15. März abgeschlossen wurden, können die Zins- und Tilgungsleistungen ausgesetzt werden. Voraussetzung ist, dass der Betroffene wegen der Coronakrise in Finanznöte geraten ist. Die Stundung gilt zunächst für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni. Dieser wird aber möglicherweise noch verlängert. Nach Ablauf der Frist sind die gestundeten Beträge nicht mit einem Mal fällig, sondern die Vertragslaufzeit des Kredits wird entsprechend gestreckt.

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Der Streit entzündet sich nun aber daran, ob diese Corona-bedingte Verlängerung der Laufzeit extra kostet. Für „sonnenklar“ hält Niels Nauhauser, Abteilungsleiter für Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die Regeln: „Die Raten werden gestundet, ohne Verzugszinsen oder sonstige Entgelte. Die Stundung ist kostenfrei.“ Der Verbraucherschützer zitiert auch aus der Gesetzesbegründung: Im Anschluss an die gesetzliche Stundung von drei Monaten solle der Vertrag wie ursprünglich vereinbart fortgesetzt werden, nur die Fälligkeit der Leistungen werde um drei Monate verschoben.

Beim Bundesverbraucherministerium verweist man auf die eigene Website. Dort erfahren Kreditnehmer allerdings lediglich, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlungs-, Zins- oder Tilgungsleistungen gestundet werden, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden. Somit verschiebt sich „das gesamte Vertragsverhältnis einschließlich der Fälligkeit der jeweiligen Zins- und Tilgungsleistungen entsprechend“. Das bedeutet demnach, dass die Forderungen erst nach Ablauf des Stundungszeitraums fällig werden. Darüber hinaus wird deutlich gemacht, dass der Verbraucher infolge der Stundung mit den aufgeschobenen Zahlungen nicht in Verzug geraten könne. Somit laufen für Verbraucher in der Zeit für die gestundeten Ansprüche keine Verzugszinsen auf. Ob aber die regulären Zinsen für die Kapitalnutzung später noch zu leisten sind, wird daraus nicht ganz klar.

Vor allem bei Baukrediten kann es dann aber schnell teurer werden: Das Verbraucherportal „Finanztip“ nennt als Beispiel ein Immobiliendarlehen in Höhe von 140 . 000 Euro mit einer Verzinsung von zwei Prozent pro Jahr, das der Kunde noch 14 Jahre lang abzahlen muss. Verlangt die Bank für die aufgeschobenen Zahlungen Zinsen, würde dieser Baukredit inklusive Zinseszinsen etwa 800 Euro mehr kosten.

Aus der Sicht des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) ist dies gerechtfertigt. In einer Stellungnahme erklärt der Bankenverband: „Die vorliegende gesetzliche angeordnete Stundung besagt lediglich, dass der Darlehensnehmer drei Monate lang nicht zahlen muss. Sie besagt nicht, dass die Bank für die längere Laufzeit, die sie ja auch refinanzieren muss, kein Entgelt bekommt.“ Der Kredit werde im Ergebnis also nicht teurer, sondern „der Kreditnehmer bezahlt den vertraglich vereinbarten Zins für die Verlängerung der Kapitalnutzung“.

In einem Gutachten für den BdB schreibt der Bonner Verfassungsrechtler Matthias Herdegen, dass das Gesetz „nicht völlig eindeutig“ sei. Er hielte es für verfassungskonform, wenn es für den Darlehensnehmer allein den möglichen Aufschub von Zahlungspflichten bewirke und nicht auch von den Zinszahlungen als solchen für den Erleichterungszeitraum endgültig befreie. Das wäre ein „unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsgarantie“. Zugleich erkennt der Verfassungsrechtler eine Verletzung im „Grundrecht der Berufsfreiheit“ beim Darlehensgeber. Diese Verletzung ergibt sich seiner Ansicht nach nicht nur aus der „Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs“, sondern auch aus der „Ungleichbehandlung gegenüber den Gläubigern bei anderen Dauerschuldverhältnissen“ und aus dem „Sonderopfer“ gegenüber der Allgemeinheit. Der Bankenverband schlussfolgert: „Wenn der Gesetzgeber aber der Meinung ist, dass die Banken drei Monate Kredit entgegen der vertraglichen Vereinbarung ohne jede Gegenleistung – also ‚kostenlos‘ – geben sollen, muss er das regeln. Dies hat er aber gerade nicht getan.“ Nach Informationen aus Finanzkreisen lässt der Bankenverband den Sachverhalt nun beim Gesetzgeber klären.

Mehrere hunderttausend Kunden lassen Kredite stunden

Grundsätzlich, so betont der BdB, unterstützten die Banken und Sparkassen die Stundung von Verbraucherdarlehen. Das hätten sie bei mehreren Hunderttausend Kunden schon genehmigt, und die Zahl wachse täglich. Das heiße aber nicht, dass die Banken – anders als alle anderen Branchen, die jetzt von ähnlich wirkenden Moratorien betroffen sind – als einzige Branche auf ihre Gegenleistung aus einem Vertrag verzichten können.

Als Argumentationshilfe vergleichen die Bankenlobbyisten die Situation von Kreditkunden mit der von Stromabnehmern: Auch gegenüber seinem Stromanbieter dürfe ein Verbraucher drei Monate lang stunden. Aber selbstverständlich entfalle dadurch nicht seine Pflicht zur späteren Zahlung des Strompreises des in dieser Zeit verbrauchten Stroms.

Verbraucherschützer Nauhauser überrascht es nach eigener Aussage nicht, dass die Bankenlobby hier eine Darlehensprolongation konstruiert, die „dann natürlich einen Zinsanspruch für drei weitere Monate zur Folge hätte“. Das sei aber nicht, was der Gesetzgeber geregelt habe: „Das Moratorium ist da eindeutig: Die Raten dürfen kostenfrei drei Monate später gezahlt werden.“

So betont der Verbraucherschützer, er habe „erhebliche Schwierigkeiten“ mit der Argumentation des Bankenverbands. So rechnete der BdB vor: Wenn nur zehn Prozent der Berechtigten von der Regelung Gebrauch machen würden, würde das für die deutsche Kreditwirtschaft einen Ausfall von 1,2 Milliarden Euro bedeuten. Tatsächlich gehe es aber um eine Verschiebung und nicht um einen Ausfall, kontert Nauhauser.

Wie dies in der Praxis gehandhabt wird, werde sich zeigen, meint der Verbraucherschützer. Dazu lägen bislang keine aussagefähigen Unterlagen vor. Was er aber bereits gesehen habe, seien zwei Institute, die „nur die Stundung der Tilgung angeboten haben, laufende Zinsen aber in Rechnung stellen“.

Ob die Zinsberechnung also tatsächlich in der ganzen Republik zum Streitfall wird, ist noch unklar. Auch bei den zahlreichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen im Land ist man dazu offenbar nicht einer Meinung. Beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) heißt es zumindest, dass man die gesetzliche Regelung nach derzeitiger Einschätzung so auffasse, dass sich „der Zinsanteil nicht erhöht, sondern eine zinsfreie Vertragsverlängerung entsteht“.

Bei den Sparkassen dagegen hört sich die Interpretation der Lage zurückhaltend an. Der Sparkassenverband DSGV äußert sich wie folgt: „Die Ratenaussetzung führt dazu, dass die Kredite länger laufen und den Kunden das Kapital länger als ursprünglich geplant zur Verfügung gestellt wird. Deshalb werden die Kunden die Zinsen später zahlen. Die Zinsen werden aber durch die Stundung nicht weniger werden.“ Verbraucher sind in jedem Fall gut beraten, sich die Bedingungen ihrer Bank für die Stundung der Kreditraten genau anzuschauen. Außerdem kann es offenbar helfen, mit dem Kundenberater zu verhandeln. So soll es, wie aus informierten Bank- und Sparkassenkreisen zu hören ist, für verschiedene Kunden durchaus individuelle Vereinbarungen geben – demnach mit und auch ohne zusätzliche Zinskosten.