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Autoindustrie droht beim autonomen Fahren den Anschluss an Google zu verlieren

Wegen Corona stockt die Entwicklung des autonomen Fahrens. Der Markt verändert sich, die Autoindustrie muss sparen. Das könnte Googles Tochter Waymo einen Vorsprung verschaffen.

Die Roboterautofirma von Google sammelt mitten in der Coronakrise fast drei Milliarden Dollar bei Investoren ein. Foto: dpa
Die Roboterautofirma von Google sammelt mitten in der Coronakrise fast drei Milliarden Dollar bei Investoren ein. Foto: dpa

Seit vergangener Woche rollen sie wieder durch Phoenix im US-Bundesstaat Arizona: Die Roboterautos von Waymo. Endlich können die dank ihres rotierenden Dach-Lidars so auffälligen, weißen Chrysler Vans unter Aufsicht eines Sicherheitsfahrers die für das autonome Fahren so wichtigen Testkilometer sammeln.

Fast zwei Monate standen die Prototypen wegen der Corona-Pandemie in den Garagen von Googles Roboterautofirma. Die Pandemie-Zwangspause ist nun vorbei, der Tech-Konzern treibt die Entwicklung weiter voran – im Gegensatz zur klassischen Auto- und Zuliefererindustrie.

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In der Coronakrise brechen der alten Branche die Einnahmen weg. Mitten in der Transformation müssen die Unternehmen sparen. Elektromobilität, Auto-Betriebssysteme und das autonome Fahren – alles drei zusammen zu entwickeln überfordert die Konzerne sowohl technisch als auch finanziell.

Die Industrie könne nicht mehr gleichzeitig mit voller Kraft in alle drei Bereiche investieren, sagte Continental-Chef Elmar Degenhart kürzlich der „Wirtschaftswoche“ mit Blick auf die Autobauer. „Da muss man Prioritäten setzen.“ Der Zulieferer verschiebt Investitionen in die Entwicklung von Fahrersystemen ab Level 3 der bis zu Level 5 reichenden Automatisierungsskala. Zeitnah lasse sich mit solchen Systemen noch kein Geld verdienen.

Bei der GM-Tochter Cruise werden deswegen bereits die ersten Mitarbeiter entlassen. 2016 hatte der US-Autobauer das Start-up Cruise übernommen. Zuletzt hatten dort 2000 Mitarbeiter das autonome Fahren für GM entwickelt. Nun verlieren 160 ihren Job.

Auch Ford passt seine Pläne an. Der GM-Konkurrent bündelt seine technischen Kompetenzen und finanziellen Mittel im 2017 aufgekauften Start-up Argo, in das Volkswagen im vergangenen Jahr 2,6 Milliarden Dollar investiert hat. Den Start seiner Robotertaxis – in denen ein Sicherheitsfahrer mitfährt – verschiebt Ford nun um ein Jahr auf 2022.

Traton-Chef und VW-Vorstand Andreas Renschler schreibt fahrerlose Robotertaxis für dieses Jahrzehnt sogar komplett ab. Wenn Investitionen verschoben werden, dann beim autonomen Fahren, glaubt Renschler.

Während die klassische Autoindustrie in die Entwicklung der Elektromobilität allein schon wegen der kommenden CO2-Grenzwerte weiter investieren muss, droht das autonome Fahren wegen Corona nun zur Sparmasse degradiert zu werden. Die Autobauer und Zulieferer laufen Gefahr, in der Entwicklung von Roboterautos gegenüber Tech-Konzernen wie Waymo uneinholbar zurückzufallen.

„Das autonome Fahren wird nach Corona wieder eine größere Rolle spielen – und ich gehe davon aus, dass sich einige Unternehmen gerade jetzt in der Krise einen Vorsprung erarbeiten“, sagt etwa Autoexperte Markus Winker vom Beratungsunternehmen Capgemini mit Verweis auf Googles Roboterautofirma.

Auch Daimler und BMW müssen sparen

Der Tech-Riese aus dem Silicon Valley hat die Chance erkannt. Anfang März, kurz vor der akuten Phase der Corona-Pandemie in den USA, hat Waymo erstmals Geld von externen Investoren eingesammelt. Prompt kamen über zwei Milliarden Dollar zusammen. Am Dienstag, mitten in der Coronakrise, kamen weitere 750 Millionen Dollar hinzu. Insgesamt stehen Waymo nun, unabhängig von Google, knapp drei Milliarden Dollar zur Verfügung. Das ist mehr als alle deutschen Autohersteller und Zulieferer zusammen jährlich in die Entwicklung des autonomen Fahrens investieren.

Die Beratungsgesellschaft PwC Strategy & schätzt die Ausgaben der deutschen Autoindustrie in diesem Bereich auf zwei Milliarden Euro. Doch schon jetzt ist abzusehen, dass diese Summe in diesem Jahr geringer ausfallen wird.

Denn Zulieferer wie Continental bauen keine eigenen Autos, die sie mit hochautomatisierten Fahrsystemen ausstatten. Diese entwickeln sie für die Autobauer. Und die würden Conti zufolge wegen Corona nun Produkteinführungen verschieben. Dazu zählen auch Level-3-Fahrsysteme.

Genau darum geht es, wenn Hersteller wie BMW, Daimler und VW derzeit davon sprechen, dass sie Ausgaben senken und in allen Unternehmenssparten nach Sparpotenzial suchen. „Im Bereich der Fahrerassistenzsysteme gibt es Innovationen, die aus regulatorischen Gründen auch jetzt weiterentwickelt werden. Ein Beispiel ist der Tote-Winkel-Assistent“, sagt Wolfgang Bernhart, Autoexperte bei Roland Berger. „Aber alles darüber hinaus dürfte nun auf den Prüfstand kommen.“

Bereits vor Corona war die Entwicklung von Roboterautos für viele Autobauer ein Prestigeprojekt, das immer mehr an Glanz verloren hat. Die Unternehmen haben die Komplexität von Software und Sensorik unterschätzt. Hinter vorgehaltener Hand hieß es zuletzt immer öfter, dass die Projekte nicht mehr mit demselben Ehrgeiz verfolgt werden würden wie zu Anfang des Hypes.

Audi-Chefentwickler Hans-Joachim Rothenpieler zufolge habe die Begeisterung rund um Level-3-Systeme nachgelassen. Deswegen und wegen nach wie vor fehlender internationaler rechtlicher Rahmenbedingungen habe Audi entschieden, die im aktuellen A8 fertig entwickelte Level-3-Fahrfunktion nicht zu aktivieren.

Die Entwicklung des autonomen Fahrens ist eine größere Herausforderung als gedacht, bindet Personal und beträchtliche finanzielle Mittel. Die Datenanalysefirma PitchBook schätzt die Kosten von Start-ups, die an hochautomatisierten Fahrsystemen arbeiten, monatlich auf durchschnittlich 1,6 Millionen Dollar.

Über solche Summen in der Autoindustrie wird geschwiegen. Belastbare Zahlen werden von Autobauern nicht kommuniziert. Vom Zulieferer Bosch heißt es lediglich unkonkret, dass man weiterhin plane, dieses Jahr eine Milliarde Euro für die elektrifizierte, automatisierte und vernetzte Mobilität aufzuwenden. Continental hält die Summe geheim, die durch die Verschiebung von Level-3-Projekten gespart wird.

Start-ups bekommen Finanzierungsschwierigkeiten

Capgemini-Experte Winkler befürchtet allerdings, dass sich an der Investitionszurückhaltung der Autoindustrie so schnell nichts ändern wird. Denn selbst nach dem anfänglichen Hochlauf der Fahrzeugproduktion dürfte die Nachfrage nach Autos nicht automatisch steigen, so Winker. „Die Auto- und Zulieferunternehmen müssen daher noch längere Zeit mit niedrigeren Einnahmen rechnen, was im Umkehrschluss ihre Investitionsfähigkeit begrenzt.“

Davon betroffen sind auch die unzähligen Start-ups aus diesem Bereich. Das Beratungshaus Oliver Wyman rechnet in einer aktuellen Studie zu den Auswirkungen von Corona auf Mobilitäts-Start-ups damit, dass Investitionen im Bereich autonomes Fahren besonders stark sinken werden. Davon profitieren bereits gewachsene Unternehmen wie Waymo: Dessen jüngste Finanzierungsrunde legt nahe, dass die Investoren damit beginnen auszusieben.

Viele Start-ups, die kürzlich in den Markt eingestiegen sind, werden das nicht überleben. Auch jungen Unternehmen, die sich bis jetzt nicht etabliert haben, droht das Aus. So musste das mit 2,7 Milliarden Dollar bewertete Start-up Zoox zuletzt Mitarbeiter entlassen und steht laut „The Information“ zum Verkauf. Beim Lidar-Hersteller Velodyne wurden offenbar ebenfalls Mitarbeiter entlassen.

Voyage, ein Start-up aus dem Silicon Valley, hatte kürzlich 52 Millionen Dollar eingesammelt. Dem Unternehmen zufolge reicht das aber gerade einmal bis Ende 2021. Bis dahin wird das Start-up keine Einnahmen haben und auch 2022 wahrscheinlich noch kein Geld verdienen. Denn für das autonome Fahren gibt es auf absehbare Zeit noch kein funktionierendes Geschäftsmodell.

Gegenüber der „New York Times“ fasste Investor Aaron Jacobson vom Wagniskapitalgeber New Enterprise Associates die Lage des autonomen Fahrens folgendermaßen zusammen: „Wenn du dich mit Roboterautos beschäftigst, dann hast du es mit Unternehmen zu tun, die Milliardensummen Kapital benötigen, ohne dass es eine klare Aussicht für ein großes Geschäft oder Gewinne gibt.“

Corona bremst Waymo nicht aus

Die Kombination aus hohen Investitionen, langer Entwicklungszeit und fehlender Perspektive macht die Entwicklung des autonomen Fahrens zu einem Luxus, den sich die klassische Autoindustrie derzeit nicht leisten kann. Winkler glaubt deswegen, dass die Autoindustrie bei Investitionsprojekten künftig noch stärker als zuvor auf Partnerschaften angewiesen sein wird. Und zwar nicht nur untereinander, sondern „im Verbund mit Technologieunternehmen.“

Die zahlreichen Start-ups, die nun in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, dürften Joint Ventures oder Komplettübernahmen nicht abgeneigt sein.

Für Unternehmen wie Waymo hingegen spiele laut Roland-Berger-Experte Bernhart die Coronakrise bei der Entwicklung des autonomen Fahrens keine so große Rolle. „Sie waren schon vor der Krise nicht profitabel, und ich denke nicht, dass sie nun die Entwicklungsgeschwindigkeit senken werden.“

Bei der Vorstellung der Quartalszahlen Ende April nannte Google-Chef Sundar Pichai Waymo als einen der Bereiche, in den man „investiert, um langfristige Chancen zu nutzen“. Die Softwareentwicklung für selbstfahrende Autos könne in der Zukunft des Billionenkonzerns eine „bedeutende Rolle spielen“, sagte Pichai. Die Autoindustrie wird aufpassen müssen, dass Waymo in Zukunft nicht die dominierende Rolle spielen wird.