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Außenminister Maas will Griechen und Türken an einen Tisch bringen

Die Spannungen zwischen Athen und Ankara beschäftigen die deutsche EU-Präsidentschaft. Außenminister Maas sondiert in Athen Möglichkeiten, wie die Staaten ins Gespräch kommen könnten.

Wenn der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas spricht, hat er vor allem ein Anliegen: Die Reisewarnung der Bundesregierung für die Türkei soll möglichst schnell aufgehoben werden. Das liegt Cavusoglu umso mehr am Herzen, als die Touristenmetropole Alanya seine Geburtsstadt und sein Wahlkreis ist.

Anfang Juli kam Cavusoglu deshalb eigens nach Berlin. Am vergangenen Freitag telefonierte er erneut mit Maas. Aber diesmal dürfte es auch um ein Thema gegangen sein, das Maas zunehmend beschäftigt: die jüngsten Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland.

Maas besucht an diesem Dienstag deshalb in Athen. Dort will er am Mittag seinen griechischen Kollegen Nikos Dendias treffen, im Anschluss ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant. Am Nachmittag folgt ein Gespräch mit Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Es geht darum auszuloten, wie die beiden Nachbarländer wieder miteinander ins Gespräch kommen können. Und ob Deutschland dabei helfen kann. Mit dieser Agenda hat sich Maas viel vorgenommen.

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Kein Konflikt in Europa ist so verwickelt wie die griechisch-türkischen Streitfragen. Und nirgendwo auf dem Kontinent ist das Risiko eines militärischen Konflikts größer als in der Ägäis. Türkische und griechische Kampfpiloten liefern sich im umstrittenen Luftraum fast täglich Verfolgungsjagden und fliegen riskante Abfangmanöver.

Seit Jahrzehnten streiten die beiden Nachbarländer um Grenzen, Hoheitszonen und Kontrollbefugnisse in der Ägäis. Die Konflikte sind deshalb besonders emotionsgeladen, weil das heutige Griechenland rund vier Jahrhunderte zum Osmanischen Reich gehörte. Die Türkenherrschaft ging zwar vor fast zweihundert Jahren mit dem griechischen Freiheitskampf zu Ende. Aber viele der heutigen Streitpunkte wurzeln in der osmanischen Besatzung.

Gefährlich verschärft haben sich die Spannungen, seit im östlichen Mittelmeer vielversprechende Erdgasvorkommen entdeckt wurden. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht Griechenland und Zypern die Wirtschaftszonen streitig, die den beiden EU-Staaten nach der Uno-Seerechtskonvention zustehen.

Kritik an East-Med-Pipeline

Ende 2019 unterzeichnete Erdogan mit dem libyschen Übergangspremier Fayiz as-Sarradsch ein Abkommen, mit dem beide Länder ihre Wirtschaftszonen abgrenzen. Libyen und die Türkei beanspruchen damit einen Meereskorridor zwischen ihren Küsten, ohne Rücksicht auf die darin gelegenen griechischen Inseln Kreta, Karpathos und Rhodos. Die EU und die USA betrachten die Vereinbarung als völkerrechtswidrig.

Mit dem Abkommen meldet die Türkei nicht nur neue Ansprüche auf die griechische Wirtschaftszone an. Sie will auch den geplanten, von der EU geförderten Bau der East-Med-Pipeline blockieren. Die Leitung soll Erdgas aus den Fördergebieten im östlichen Mittelmeer nach Europa bringen.

Die EU-Außenminister warnten die Türkei vor einer Woche vor den als „illegal“ erachteten Erdgas-Erkundungen im Mittelmeer. Der Außenbeauftragte Josep Borell bereitet jetzt Sanktionen gegen Ankara vor.

Erdogan beeindruckt das nicht. Seit Samstag sucht das türkische Tiefseebohrschiff „Yavuz“ 90 Kilometer südwestlich von Zypern nach Erdgas – in einem Seegebiet, für das die Regierung in Nikosia bereits Konzessionen an die Energiekonzerne Total und Eni vergeben hat. Damit durchkreuzt Erdogan im Mittelmeer jetzt auch Interessen Frankreichs und Italiens.

Der türkische Staatschef setzt offenbar darauf, dass er mit vier Millionen Flüchtlingen ein starkes Druckmittel gegenüber der EU in der Hand hat. Wie er es einsetzen kann, demonstrierte Erdogan Ende Februar, als er Zehntausende Migranten zu einer Belagerung an die griechische Grenze bringen ließ.

Im September soll sich ein EU-Sondergipfel mit dem Thema Türkei befassen. Außenminister Maas hofft, am Dienstag in Athen Anknüpfungspunkte für einen Dialog zu finden. Ein erster Schritt könnte die Wiederaufnahme der eingeschlafenen griechisch-türkischen Gespräche über „vertrauensbildende Maßnahmen“ sein.

Indiskretion der Türkei sorgt für Verstimmung

Wie undankbar die Rolle des Vermittlers sein kann, erfuhr die Bundeskanzlerin allerdings erst kürzlich: Auf ihre Initiative trafen sich in Berlin die Leiterin des diplomatischen Büros des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, Eleni Sourani, und Erdogans Vertrauter Ibrahim Kalin mit Merkels außenpolitischem Berater Jan Hecker.

Man vereinbarte strikte Vertraulichkeit. Die Begegnung sollte geheim bleiben. Dennoch plauderte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu das Treffen anderntags aus. Erdogans Chefberater Kalin steht damit als wortbrüchig da.

Griechische Regierungskreise sehen in der Indiskretion den Versuch der Türkei, den Annäherungsprozess zu torpedieren, noch bevor er überhaupt begonnen hat. Auch in Berlin sei man verstimmt über den türkischen Vertrauensbruch, heißt es in diplomatischen Kreisen.

Jetzt sorgt Erdogan mit der Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee für neuen Konfliktstoff. Das Bauwerk war eine der bedeutendsten Kathedralen des Christentums, bis die Osmanen 1453 Konstantinopel eroberten und die Kirche zur Moschee machten. 1934 ließ der türkische Republikgründer Atatürk das Bauwerk in ein Museum umwandeln.

Erdogan feiert die Rück-Umwidmung in eine Moschee als „Wiederauferstehung“ und „Vollendung der Eroberung“ Konstantinopels. Der Schritt vergiftet nicht nur die Beziehungen zu Griechenland weiter. Der EU-Außenbeauftragte Borell kritisierte, Erdogans Entscheidung werde „unweigerlich Misstrauen schüren, zu erneuten Spannungen zwischen Religionsgemeinschaften führen und unsere Bemühungen um Dialog und Zusammenarbeit untergraben“.

Bis zum geplanten EU-Sondergipfel im September könnten sich die Spannungen im östlichen Mittelmeer erheblich zuspitzen. Erdogan kündigte bereits Gas-Explorationen im libysch-türkischen Korridor an.

Wenn in den nächsten Wochen türkische Forschungsschiffe, eskortiert von Einheiten der Kriegsmarine, vor Kreta oder der kleinen griechischen Insel Kastellorizo aufkreuzen, kommt Premier Mitsotakis in Zugzwang. Bei diplomatischen Demarchen kann er es dann nicht mehr belassen. Erinnerungen an die Imia-Krise werden wach.

Auf deren Höhepunkt lagen bei der Inselgruppe am Nachmittag des 30. Januar 1996 fast drei Dutzend türkische und griechische Kriegsschiffe gefechtsbereit einander gegenüber. In nächtlichen Telefonaten mit Athen und Ankara gelang es dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, die Krise in letzter Minute zu entschärfen. Ob bei einer Neuauflage jemand im Weißen Haus zum Telefon greift und mit welchem Ergebnis, ist ungewiss. Diesmal könnte die deutsche EU-Präsidentschaft gefordert sein.

Mehr: Humanitäre Krise in der Ägäis – Europa zeigt sich als zögerlicher Retter.