Arbeitsrecht: Wann ist ein Streik zulässig? Wer streiken darf – und wer nicht

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Woman leading protests on a demonstration for equal rights - Copyright: FG Trade/Getty
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Juristisches Halbwissen kann viel Ärger, Zeit und Geld kosten. Ihr wollt eure Nerven und euer Portemonnaie lieber schonen? Dann ist unsere Kolumne „Kenne deine Rechte“ genau das Richtige für euch. Hier beantwortet Rechtsanwalt Pascal Croset von der Berliner Kanzlei Croset alle zwei Wochen eine Frage rund ums Arbeitsrecht. In dieser Woche geht es um die Frage, wer eigentlich streiken darf – und wer nicht.

Wie wird ein Streik im Arbeitsrecht definiert?

Der Streik ist, so das Bundesarbeitsgericht, das rechtmäßige Mittel zur Durchsetzung der Tarifordnung. Er dient als zulässiges „Druckmittel“ der Arbeitnehmenden zur Erreichung verbesserter tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel der Erhöhung des Gehalts, dem Erhalt von Sonderzahlungen oder einer Änderung beziehungsweise Verkürzung der Arbeitszeiten.

Das Recht zu streiken ist grundrechtlich verankert. Es ergibt sich aus dem Grundgesetz (GG, Art. 9 Abs. 3), dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Der Streik ist also das gleichzeitige Niederlegen der Arbeit durch mehrere in der Regel gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmende, die dadurch versuchen, ein bestimmtes Handeln des Arbeitgebers oder des Arbeitgeberverbandes zu erzielen.

Wann ist ein Streik zulässig?

Hier wird unterscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Streik zulässig ist und wann die Arbeitsniederlegung schlicht eine verbotene Arbeitsverweigerung mit allen arbeitsrechtlich vorgesehenen negativen Konsequenzen zulasten der Arbeitnehmenden darstellt. Folgende Punkte sind dafür wichtig:

  1. Zunächst einmal muss der Streik von einer Gewerkschaft getragen sein. Das bedeutet, diese Gewerkschaft organisiert den Streik und stellt sich mit ihren Forderungen hinter die Streikenden. Ist der Streik nicht gewerkschaftlich getragen, handelt es sich um einen sogenannten „wilden Streik“, der verboten ist.

  2. Der Streik darf nicht in dem Zeitraum der sogenannten Friedenspflicht stattfinden. Diese gilt während der Laufzeit des Tarifvertrages. Diese Verpflichtung beinhaltet, Frieden zu halten und keine Mittel des Arbeitskampfes, etwa des Streiks, zur Anwendung zu bringen. Erst nach Ablauf dieser Friedenspflicht ist es zulässig, zu streiken. Entsprechendes gilt auch für die Zeit des Laufs einer Schlichtungsvereinbarung.

  3. Die Streikenden müssen einen tariflich umsetzbaren Zweck verfolgen. Das bedeutet, Ziel des Streiks müssen Regelungen sein, die in einem Tarifvertrag, wie beabsichtigt, vereinbart werden dürfen. Ein politischer Grund für den Streik dagegen, gezielt gerichtet gegen politisches Agieren des Gesetzgebers oder auch der Regierung oder zum Verfolgen politischer Ziele, ist unzulässig.

  4. Das Ziel des Streiks muss tarifrechtlich zulässig sein – das heißt die angestrebten Ziele dürfen nicht rechtswidrig sein und nicht geltendem Tarifrecht widersprechen.

  5. Es gilt das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip: Das besagt, dass der Streik das letzte Mittel zur Durchsetzung des erstrebten Ziels darstellen muss. Praktisch heißt das, ein Streik „aus heiterem Himmel“, ohne, dass vorher Verhandlungen zwischen den Tarifparteien stattgefunden haben, ist unzulässig. Anders sieht dies aus bei Warnstreiks, die Tarifvertragsverhandlungen begleiten und die den Zweck haben, dem gewerkschaftlichen Standpunkt in diesen Verhandlungen mehr Nachdruck zu verleihen. Warnstreiks sind daher auch schon während der Tarifverhandlungen zulässig.

  6. Der Streik muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, er muss zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich, aber auch geeignet und angemessen sein. Die Streikenden dürfen also keine übertriebenen oder unzulässigen Maßnahmen einsetzten. Die Intensität des Streiks und das angestrebte Ziel dürfen nicht in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen.