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Annette Roeckl hat den Handschuhhersteller gerettet – und will nun expandieren

Lange sah es so aus, als würde das Traditionsunternehmen Roeckl nicht überleben. Mit der neuen Chefin, Annette Roeckl, hat sich das Blatt gewendet.

Ein warmer Winter ohne Schnee, stattdessen Regen und Stürme. Das sind eigentlich schlechte Nachrichten für Annette Roeckl. Denn dann lassen sich die Handschuhe ihres gleichnamigen Familienunternehmens schlecht verkaufen.

Dennoch gibt sich die geschäftsführende Gesellschafterin beim Gespräch in der Münchener Firmenzentrale in einem Büroturm an der Isar vorsichtig optimistisch. „Wir stehen wieder wirtschaftlich solide da“, sagt die 52-Jährige. Nach Krisenjahren eröffnet sie wieder Läden, will in neue Märkte expandieren und das Geschäft mit Lederaccessoires ausbauen.

Roeckl hofft, dass sie so mit dem 180 Jahre alten Familienunternehmen im schwierigen Modegeschäft überleben kann. Die Konkurrenz ist groß, weil viele internationale Ketten von H & M und Esprit bis Zara Handschuhe und andere Accessoires verkaufen – und das deutlich billiger als der Münchener Handschuhspezialist.

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„Wir haben inzwischen wieder zwei Boutiquen eröffnet in Zürich und in Wien und eine vierte in München“, sagt die zierliche Unternehmerin selbstbewusst. Insgesamt betreibt sie jetzt 14 Filialen, ein Outlet und einen Onlineshop. „Das Geschäft ist nach wie vor schwierig. Aber wir haben jetzt eine gute Basis für die Zukunft“, ist sie überzeugt.

Sanierung in Eigenregie

Vor knapp drei Jahren sah es nicht danach aus, dass das Unternehmen, das Roeckl in sechster Generation führt, überleben würde. Nach drei warmen Wintern war der Handschuhhersteller am Ende. Die Unternehmerin musste im April 2017 die vorläufige Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden

Bei der besonderen Form des Insolvenzverfahrens übernimmt nicht ein Insolvenzverwalter das Kommando. Sondern das bisherige Management versucht, sich in Eigenregie unter der Beobachtung eines sogenannten amtlichen Sachwalters zu sanieren. Das hatte für Roeckl den Vorteil, dass sie Herrin im Traditionshaus blieb, aber gleichzeitig ihre Kosten im Schutze des Verfahrens schnell senken konnte. So trennte sie sich schnell von acht unprofitablen Filialen.

Allerdings währte das Insolvenzverfahren nicht lange. Schon nach sechs Wochen konnte sie es wieder beenden. Anders als in vielen solchen Fällen, in denen dann Private-Equity-Firmen oder strategische Investoren einsteigen, fand Roeckl Rückhalt bei Verwandten. „Teile der Familie haben sich damals als stille Gesellschafter beteiligt“, ist die zierliche Frau noch heute froh. „Wir sind deshalb weiter ein Familienunternehmen geblieben.

Aber es ging nicht ohne tiefe Einschnitte. Annette Roeckl versammelte das Management viele Monate lang oft am Wochenende um sich – in dem Hochhaus der Firmenzentrale an der Isar mit dem weiten Blick bis in die Alpen. Es wurden nicht nur Boutiquen geschlossen, sondern auch 35 Stellen gestrichen, Arbeitsabläufe verbessert und mit Lieferanten neue Konditionen ausgehandelt.
Es ging schließlich darum, das 1839 gegründete Unternehmen vor dem Aus zu retten. Alles hatte mit einem kleinen Handwerksbetrieb begonnen, den Jakob Roeckl in München gründete. Später entstanden eine Gerberei und eine Färberei. Sohn Christian dachte in großen Dimensionen und baute am damaligen Stadtrand eine Fabrik mit bis zu 1000 Mitarbeitern. Roeckl wurde Hoflieferant von Bayerns König Ludwig II. und der österreichischen Kaiserin („Sissi“).

Doch die Konkurrenz aus Fernost und der Wandel in der Modewelt ließen das Unternehmen schrumpfen. Annette Roeckls Begeisterung für den Handschuhhersteller hielt sich denn auch anfangs in Grenzen. Sie weigerte sich lange Zeit, ins Unternehmen ihrer Eltern einzusteigen und trug konsequent bis zu ihrem 20. Lebensjahr keine Handschuhe.

Erste Frau auf dem Chefposten

Aber dann, nach der Geburt ihres Sohnes, machte sie eine Ausbildung im Betrieb ihrer Eltern und entdeckte ihre Leidenschaft für das Metier. 2003 übernimmt sie als erste Frau den Chefposten. Der Vater übergibt ihr das Unternehmen für Modehandschuhe. Vetter Christian übernimmt die Firma Roeckl Sporthandschuhe.

Annette Roeckl ist klar, dass sie die Abhängigkeit vom Geschäft mit Handschuhen verringern muss. „Aus der Handschuhmarke Roeckl machen wir daher eine Marke für Accessoires“, sagte sie vor fünf Jahren im Interview dem Handelsblatt.

„Es dauert aber länger, die Kompetenz im Accessoire-Geschäft aufzubauen, als wir gedacht haben“, räumt sie heute ein. Doch sie gibt nicht auf, wie in all den Jahren zuvor an der Spitze des Unternehmens mit knapp 290 Mitarbeitern mit einem nicht genannten unteren zweistelligen Millionen-Umsatz und „einem kleinen Gewinn“, wie sie es beschreibt.

Mitarbeiter beschreiben sie als „eine starke Persönlichkeit, die genau weiß, was sie will“. Es sei ihr ganz wichtig, mit Mitarbeitern vor Ort zu sprechen. „Sie will wirklich wissen, wo es Probleme gibt in den Filialen und welche Produkte bei den Kunden ankommen“, sagt Regionalleiterin Candy Schmidt, die Annette Roeckl schon seit vielen Jahren kennt.

So erfährt die Chefin auch, welche Accessoires gut laufen. „Wir sind dabei, das Geschäft mit Geldbörsen und Gürteln auszubauen.“ Da sieht sie die Kompetenz des Unternehmens als Lederspezialist. Zwar gibt es schon lange keine Fertigung mehr in Deutschland. Aber sie betreibt zwei eigene Manufakturen für Handschuhe und Ledertaschen in Rumänien.

Dieses besondere Know-how ihrer Manufakturen will sie künftig auch für andere Marken öffnen. „Da sehen wir eine große Chance, denn es gibt nicht mehr viele hochwertige Manufakturen für Handschuhe in Europa.“ Außerdem will sie durch solche künftigen Kooperationen auch von anderen Unternehmen lernen.

Die Sanierungsleistung erkennen Fachleute an. „Frau Roeckl hat das Unternehmen und ihre Marke mit sehr viel Engagement wiederbelebt“, sagt Strategieberater Franz Maximilian Schmid-Preissler. Sie sei inzwischen die einzige wirkliche Marke für Handschuhe in Deutschland, wenn nicht in Europa.

Expansion nach China

Das will Roeckl nutzen, um die Internationalisierung der Marke voranzutreiben. Noch sind Deutschland, Österreich und Russland die wichtigsten Absatzmärkte. Doch sie plant, im nächsten Jahr mit Partnern nach China zu expandieren. Denn sie beobachtet bei chinesischen Touristen, die nach Deutschland kommen, ein Interesse für europäische Handwerkskunst. Sie hofft da auf die Zeit nach der Coronavirus-Epidemie.

Sie hat noch viel zu tun, um die Zukunft ihres Unternehmens dauerhaft zu sichern. Sie ist froh, dass sie nicht allein dasteht. Denn auch ihr 30-jähriger Sohn „hat Interesse am Unternehmen“, wie sie zufrieden feststellt. Es könnte also sein, dass der 180 Jahre alte Handschuh- und Accessoire-Hersteller noch den Sprung in die siebte Generation schafft.