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Annegret Kramp-Karrenbauer – Wer sie ist und wofür sie steht

Die Nachfolgerin von Angela Merkel heißt Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie muss die CDU nach internen Richtungskämpfen versöhnen. Schafft sie das? Ein Porträt.

Sie weint. Während die anderen um sie herum aufspringen, jubeln und johlen, steht Annegret Kramp-Karrenbauer langsam auf und realisiert um kurz vor 17 Uhr, dass sie am Ziel ist: Sie ist Bundesvorsitzende der CDU, Nachfolgerin von Angela Merkel und damit vermutlich auch die nächste Kanzlerkandidatin, spätestens bei der Bundestagswahl 2021. Ihr Mann steht neben ihr, umarmt sie, gibt ihr Halt.

Wenige Sekunden vorher hatte Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Leiter des Tagungspräsidiums, das Wort ergriffen und das Ergebnis der Wahl verkündet. „Abgegebene Stimmen: 999. Für Friedrich Merz stimmten 482 …“. Da schon brandete der Jubel in einem Teil der Halle auf, während die andere Seite schwieg. Links, da saß der saarländische Block mit ihrer Spitzenkandidatin, rechts der aus Nordrhein-Westfalen mit Merz und Spahn.

„Liebe Angela, lieber Friedrich Merz lieber Jens Spahn“, sagt die Siegerin sichtlich gerührt, nachdem sie sich den Weg durch die Menge auf die Bühne gebahnt hat und nun vor dem Mikrofon steht. „Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen.“ Sie dankt für „den fairen Wettbewerb, den wir uns geliefert haben“.

Und dann sagt sie den zentralen Satz, den alle hören wollen: Wichtig sei „mit allen Flügeln, mit allen Mitgliedern, mit allen, die Verantwortung tragen, die Volkspartei der Mitte zu erhalten und zu formen“. Merz und Spahn lädt sie umgehend ein, „mitzuarbeiten“. Danach nimmt sie dort Platz, wo zuvor noch die siebte Parteivorsitzende gesessen hatte.

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Kramp-Karrenbauer weiß, dass sie die Flügel einbinden muss, die sich im parteiinternen Wahlkampf so offen wie lange nicht positioniert haben. Die CDU muss geeint werden, damit sie bleibt, was sie noch ist: eine Volkspartei mit einem breiten Spektrum von Meinungen.

Gut, dass Merz auf die Bühne tritt und die Partei bittet, „mit voller Kraft Annegret zu unterstützen“. Er selbst will kein Amt in der Partei übernehmen, wohl aber Präsidiumsmitglied Jens Spahn. „Ich möchte im Team bleiben“, sagt er.

Merkel ließ sie im Unklaren

Nun also Kramp-Karrenbauer: Christlich, konservativ und sozial – mit diesen Attributen lässt sich die Saarländerin beschreiben. Sie hat dies bei den Regionalkonferenzen zum Ausdruck gebracht, als sie etwa sagte, Familie definiere sich nicht nur als Gemeinschaft, die sich den Kühlschrank und das WLAN teilt. Solche Aussagen vermissten viele in der Partei, die so etwas wie eine Entmenschlichung in der Gesellschaft spüren.

Deshalb verweist Kramp-Karrenbauer auch darauf, dass der Fortschritt dem Menschen dienen müsse und nicht umgekehrt. Selbstfahrende Autos hält sie jedenfalls nicht unbedingt für einen Fortschritt und Steuererhöhungen nicht zwingend für des Teufels, auch wenn sie derzeit für Entlastungen eintritt. Neben Steuern auch bei den Sozialbeiträgen, etwa in Form von Freibeträgen für Rentner.

Sie überzeugte offenkundig mit ihrer Rede viele Delegierte, in der sie immer wieder mehr „Mut“ in der Partei einforderte, die Zukunft zu gestalten.

In Hintergrundkreisen wurde Kramp-Karrenbauer schon häufig gefragt, wie Kanzlerin Merkel ihre Nachfolge wohl organisieren werde. Sie, die Merkel-Vertraute, müsse es doch wissen. Aber Kramp-Karrenbauer antwortete nur: „Wenn sie es weiß, dann wird sie mit niemandem vorher darüber reden.“

So war es in der Tat. Als Generalsekretärin Merkels erfuhr Kramp-Karrenbauer erst am Morgen nach der Landtagswahl in Hessen, dass Merkel nicht mehr Parteivorsitzende sein wolle. Noch am Vorabend hatte die Parteichefin ihr das Gegenteil gesagt.

Für die 56-jährige Saarländerin erwuchs daraus die größte Chance – aber auch das größte Risiko. Sie warf „ihr Herz über die Hürde“, wie sie sagt. Die zierliche Frau, die fast 20 Jahre die Politik im Saarland mitbestimmte, 2017 mit einem Überraschungssieg den „Schulz-Zug“ der SPD stoppte und damit Wahlsiege in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ermöglichte, sie, die Anfang 2018 ihr Amt in Saarbrücken aufgab, um in Berlin Generalsekretärin der Bundespartei zu werden und dafür auf dem Bundesparteitag 98 Prozent der Stimmen als Dankeschön erhielt, hätte bei einer Niederlage an diesem Tag im Dezember mit leeren Händen dagestanden, ohne Ämter, ohne Macht und Einfluss.

Sie hätte nur noch das getan, was sie im innerparteilichen Wahlkampf angekündigt hatte: ehrenamtlich für die CDU arbeiten. Zumindest ihre Familie, ihr Mann und die drei Kinder sowie ihre fünf Geschwister, hätte sie in Puttlingen mit offenen Armen empfangen.

Auch Distanz zur Vorgängerin

Doch offenkundig haben viele in der Partei nicht vergessen, was sie an „AKK“ haben, wie sie in der Partei genannt wird. Sie war die Geheimwaffe im Wahlkampf 2017. Daniel Günther holte sie zu seinem Kampagnenendspurt nach Kiel. Auch Armin Laschet setzte in Düsseldorf auf sie. Noch heute schwärmen sie in Nordrhein-Westfalen von ihrem Auftritt, bei dem sie Anhänger und die Partei mitgenommen habe wie kein anderer Redner. Am Ende gewann die CDU die längst verloren geglaubte Landtagswahl.

Und auch Angela Merkel erinnerte an 2017. Die Siege seien „der Schlüssel“ gewesen, „um Rot-Rot-Grün zu verhindern“, erklärte sie in ihrer Abschiedsrede.

In Berlin knüpfte Kramp-Karrenbauer frühzeitig Kontakte zu Journalisten. Sie selbst saß nur für kurze Zeit als Abgeordnete im Bundestag, das war 1998. Seither war das Saarland ihre politische Heimat, das Spötter gern als „größeren Landkreis“ bezeichnen.

Doch Kramp-Karrenbauer musste den Strukturwandel an der Saar vom Kohle- und Stahlrevier hin zum Saar Valley mit IT-Sicherheit und Digitalisierung gestalten, und das bei einem chronisch defizitären Etat. Als Schwäche halten Kritiker ihr ihre fehlende internationale Erfahrung vor. Sie aber nutzt die Nähe des Saarlandes zu Frankreich, um sich als Europäerin zu präsentieren.

Aus der Nähe zur Heimat, der Vertrautheit mit Dialekt, Mentalität und Problemen der Menschen hat „s'Annegret“, wie die Saarländer sie nennen, einen Großteil ihrer politischen Kraft gezogen. Ein Grund, warum sich auch der Chef der Kommunalpolitischen Vereinigung, Christian Haase, für sie ausgesprochen hatte. Sie dankte es ihm und besuchte die KPV am Vorabend der Wahl bei deren Delegiertenabend.

Sie wolle keine Bewerbungsrede halten, sagte sie im Ratskeller des Hamburger Rathauses, wo das Treffen stattfand. Vielmehr mahnte sie: „Es wird nur gut gehen, wenn wir aus diesem Parteitag geschlossener herausgehen, als wir hineingehen“, sagte sie.

Es bleibt die Frage, ob mit Kramp-Karrenbauer nur eine etwas jüngere Version von Angela Merkel die Führung übernimmt. Eine „Mini-Merkel“ sei sie, spotten ihre Widersacher und sehen deshalb wenig Chancen zur Versöhnung.

Doch die Saarländerin hat keineswegs jeden Kurswechsel der Kanzlerin mitgetragen, sich vielmehr loyal verhalten. So drängte sie bereits im September 2016 Merkel dazu, zu erklären, ob sie noch einmal bei der Bundestagswahl 2017 antritt.

„Unser Personal und unsere Kernbotschaften sollten schon vor dem Wahljahr 2017 klar sein“, sagte sie mit Blick auf ihre eigene Landtagswahl im Saarland Anfang 2017. „Deutliche Signale“ hatte sie eingefordert – „personelle wie inhaltliche“. Das alles an dem Tag, als Merkel erstmals Fehler in der Flüchtlingspolitik eingeräumt hatte, was Kramp-Karrenbauer lobte und herausstellte, dass sie ihr Mantra „Wir schaffen das“ nicht mehr benutzen wolle.

Die „ganz breite Mitte“

Kramp-Karrenbauer hat in der Flüchtlingspolitik im Saarland klare Kante gezeigt, das Land hat den Ansturm gut bewältigt. Sie steht für eine starke Sozialpartnerschaft und eine aktive Industriepolitik des Staates und für den flächendeckenden Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G.

In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD saß sie mit am Tisch und bekam Lob vom Chef der Mittelstandsunion. „Sie hat sehr darauf geachtet, dass Rentenpolitik zielgerichtet gemacht wird und nicht per Gießkanne“, sagte Carsten Linnemann. Sie habe darauf geachtet, dass die Sozialsysteme für die Wirtschaft bezahlbar blieben.

Und sie hat bereits als Generalsekretärin erklärt, sie wisse aus der eigenen Familie, wie sie sich gegen Schwestern durchsetzen könne. Damit meint sie ihr künftiges Verhältnis zur Kanzlerin.

Sie wolle keine „konservative Revolution“, wohl aber das Profil der Partei schärfen. Zu den Versuchen gehört ihre Forderung nach einer allgemeinen Dienstpflicht. Es gehe nicht um „die schrillsten Forderungen“. Sie betont das „Und“ zwischen den beiden Polen, nicht das „Oder“, wie sie sagt. Ihr Ziel ist, die CDU als Volkspartei für die „ganz breite Mitte“ zu verorten, wie sie bei ihrer Antrittsrede als Generalsekretärin erklärte.

Laut AKK ist es „ein neues Kapitel“, das die Partei nun aufschlägt. Allein die Beschreibung zeigt, dass sie längst nicht alles wie Merkel halten, sondern einiges verändern will und auch muss, um die Partei zu versöhnen. Nach ihrer Wahl zur Generalsekretärin hat sie bereits die Parteizentrale umgebaut, mit Vertrauten besetzt, die Fachausschüsse zu Think Tanks aufgewertet und paritätisch mit Männern und Frauen an der Spitze besetzt.

Und sie tingelte mit ihrer „Zuhörtour“ durch die Kreisverbände, um sich zu präsentieren und aufzunehmen, was die Parteibasis bewegt, um daraus ein neues Grundsatzprogramm zu verfassen. „Stolz“, „Frust“, „Sorgen“ und „Verunsicherung“ habe sie dort erlebt. Sie wolle die Partei „einen“, versöhnen mit den vergangenen Jahren und den Blick nach vorne richten, resümierte sie bereits im Sommer.

Vielleicht war es auch dieser seit Februar begonnene Weg, den die Mehrheit der Delegierten nun mitgehen wollte. Schließlich stehen im Mai Europawahlen ins Haus und kurz darauf schwere Landtagswahlen in Ostdeutschland, obendrein etliche Kommunalwahlen.

Hätte Merz es in dieser kurzen Zeit vermocht, die Partei neu auszurichten, derart, dass sie die Wahlen gewinnt? So mancher Delegierte wird seine Wahlentscheidung an diese Antwort geknüpft haben.