Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 5 Stunden 50 Minuten
  • Nikkei 225

    38.413,31
    -421,79 (-1,09%)
     
  • Dow Jones 30

    38.884,26
    +31,99 (+0,08%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.244,57
    -927,72 (-1,57%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.297,65
    -67,48 (-4,94%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.332,56
    -16,69 (-0,10%)
     
  • S&P 500

    5.187,70
    +6,96 (+0,13%)
     

„Absurd und fehlgeleitet“: Anlageprofis wettern gegen Scholz’ Finanztransaktionssteuer

Olaf Scholz will durch die Steuer Aktionäre zur Kasse bitten. Doch die Maßnahme könnte auch Sparer belasten, fürchten Fondsprofis und Anlegerschützer.

Sparern mit Aktien im Depot droht eine weitere Schieflage. Foto: dpa
Sparern mit Aktien im Depot droht eine weitere Schieflage. Foto: dpa

Selten waren die Finanzprofis in Frankfurt so aufgewühlt wie in den vergangenen Tagen. Sie kritisieren Forderungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz nach einer Finanztransaktionssteuer – in einer Welt drückender Minuszinsen, die Sparen für Anleger unmöglich macht. Gleichzeitig warnte der SPD-Politiker die Banken eindringlich, Strafzinsen für Sparer einzuführen.

Scholz hatte im Tandem mit Frankreich den Weg für eine Finanztransaktionssteuer frei gemacht. Nach der Grundsatzeinigung soll die Aktiensteuer in zehn EU-Staaten ab 2021 greifen. Die Politiker sind durch die Minuszinsen dermaßen aufgeschreckt, dass die Parteien nun mit eigenen Ideen in die Diskussion eingreifen.

WERBUNG

Dagegen klagen Fondsprofis und Anlegerschützer: Bei immer tieferen Minuszinsen gelte der Sparer zwar als schützenswert, werde aber belastet – obwohl zur Altersvorsorge praktisch nur noch das Aktiensparen infrage komme.

Ganz vorne in der Reihe der Kritiker steht der bekannte Vermögensverwalter Bert Flossbach. Der Herr über ein verwaltetes Vermögen von über 42 Milliarden Euro wehrt sich gegen die Finanztransaktionssteuer, auf die sich Scholz und seine neun Kollegen im Juni verständigt haben.

Die Steuer sollte ursprünglich den exzessiven Handel an den Finanzmärkten zähmen. Sie war als Reaktion auf die große Finanzmarktkrise 2008 gedacht. Doch die aktuelle Version kann FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler nicht nachvollziehen: „Der Vorschlag der Aktiensteuer erscheint mir absurd und fehlgeleitet. Es handelt sich um reine Symbolpolitik.“

Künftig sollen Aktientransaktionen einer Steuer von 0,2 Prozent des Wertes unterworfen werden. Flossbach beurteilt das in einem Brief an Olaf Scholz, der dem Handelsblatt vorliegt, so: „Es ist bittere Ironie, dass ausgerechnet Derivate, die im Mittelpunkt der jüngsten Finanzkrise standen, von der geplanten Steuer verschont bleiben sollen.

Das Gleiche gilt für Hochfrequenzhändler, die Wertpapiere nur für Sekundenbruchteile halten. Wer das schnelle Geld sucht, wird also verschont, der langfristig denkende Anleger dagegen bestraft. Im Grunde wäre das so, als würde man – mit dem Vorwand, die Umwelt schonen und die Gesundheit der Bevölkerung verbessern zu wollen – eine Biosteuer auf nachhaltige Produkte einführen.“

Der Geldmanager handelte sich mit seinem Brief beim Finanzministerium eine Abfuhr ein. Staatssekretär Rolf Bösinger antwortet: „Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der nun diskutierten Finanztransaktionssteuer eine Steuer schaffen werden, die spürbare Einnahmen generiert, ohne dabei die Finanzmärkte und die Anleger, insbesondere die Privatanleger, nachhaltig zu belasten.“

Eine teure Steuer für die Sparer

Nach Branchenschätzungen kommt die Steuer den Sparer jedoch teuer. Fondsgesellschaften rechnen damit, dass die Renditen für die Anleger am Ende um 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte jährlich geringer ausfallen. Und das in einer Zeit, in der beispielsweise zehnjährige Bundesanleihen mit minus 0,6 Prozent rentieren.

Das Deutsche Aktieninstitut verstärkt die Argumente Flossbachs mit dem Hinweis auf die deutschen Aktionäre: Rund zehn Millionen Bürger sind betroffen. DAI-Präsident und BASF-Finanzchef Hans-Ulrich Engel sieht sogar das deutsche Rentensystem gefährdet. Die Deutschen müssten in einer alternden Gesellschaft stärker auf Aktien in der Altersvorsorge setzen, um die jüngere Generation zu entlasten. Eine Aktiensteuer sei kontraproduktiv. Gleiches gelte für Belegschaftsaktien, mit denen Arbeitnehmer an den Erfolgen der deutschen Wirtschaft beteiligt werden. Engel warnt: „Sparer, Kleinanleger und Mitarbeiteraktionäre werden zur Kasse gebeten, und die Unternehmensfinanzierung über die Börse wird unattraktiver. Für den Finanzstandort Deutschland ist das Gift.“

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz startete inzwischen eine Online-Unterschriftenaktion. Auf der Seite www.dsw-info.de/steuerirrsinn sollen sich Sparer und Anleger gegen die Pläne des Finanzministers wehren. DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler sagt: „Es ist erschütternd, Finanzpolitikern dabei zusehen zu müssen, wie sie eine der wenigen Anlageformen massiv behindern, die nicht nur langfristig eine überdurchschnittliche Rendite bieten, sondern zusätzlich noch volkswirtschaftlich sinnvoll sind.“ Die ursprüngliche Steueridee zur Eindämmung hochspekulativer Finanzgeschäfte mit Derivaten ist seiner Meinung nach zu einer reinen Zusatzsteuer für Aktionäre degeneriert. „Damit trifft die Politik sowohl die falschen Anlageobjekte als auch die falschen Anleger“, betont Tüngler.

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission dürften sich durch die neue Steuer jährliche Einnahmen von 1,2 Milliarden Euro für Deutschland ergeben. Insgesamt wird mit Einnahmen von 3,5 Milliarden Euro für die zehn EU-Länder gerechnet. Frankreich liefert das Vorbild für die Finanztransaktionssteuer in Ländern wie Deutschland, Italien, Spanien oder Österreich. Im Nachbarland Frankreich werden seit August 2012 Käufe von Aktien französischer Unternehmen mit 0,3 Prozent besteuert, die mindestens einen Börsenwert von einer Milliarde Euro haben.

An den Gesamteinnahmen sollen auch Länder wie Slowenien und die Slowakei beteiligt werden, die mangels großer börsennotierter Firmen keine Einnahmen aus der Steuer erzielen würden. „Im Klartext: Der deutsche Aktionär subventioniert dann andere Länder ohne triftigen Grund“, urteilt FDP-Finanzpolitiker Schäffler. Diese Quersubventionierung ist nötig, weil die Zusammenarbeit an ein Mitgliedstaaten-Quorum von neun Ländern gebunden ist. Springen Slowenien und die Slowakei ab, lässt sich die Steuer auf europäischer Ebene nicht durchsetzen.

Ein umstrittenes Signal im Minuszinsumfeld

Mit der neuen Steuer in Zeiten von Minuszinsen wird das falsche Signal für Anleger gegeben, die für das Alter vorsorgen wollen. Experten schlagen verschiedene Lösungen vor. FDP-Finanzpolitiker Schäffler hat eine ganz einfache Idee: „Eigentlich wäre es richtig, im heutigen Kapitalmarktumfeld Aktienanlagen nach fünf Jahren Haltedauer von der Steuer freizustellen, das ist der Vorschlag der FDP.“

Grünen-Chef Robert Habeck sagte der „Süddeutschen Zeitung“, Negativzinsen seien teuer für Sparer und gefährlich für die Finanzmarktstabilität. Es sei deswegen Zeit für einen Bürgerfonds. Dieser könne zusätzlich zur gesetzlichen Rente die private Altersvorsorge für die meisten Menschen verbessern.

Das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo bringt einen „Deutschen Bürgerfonds“ für eine sichere Rente ins Gespräch. Die Idee dahinter: Deutschland nimmt Kredite zu Minuszinsen auf und legt das Geld gewinnbringend an. Ifo-Präsident Clemens Fuest schlägt vor, dies für einen Staatsfonds wie in Norwegen zu nutzen. „Wir haben zwar kein Öl. Wir haben aber diese enorme Bonität Deutschlands, die auch von den Bürgern erarbeitet worden ist. Die Erwartung wäre, dass man da eine Rendite von zwei oder drei Prozent erwirtschaften kann“, betont Fuest.

Für Fondsmanager Flossbach ist die geplante Steuer auch deshalb so absurd, weil der Staat als Kreditnehmer allein in diesem Jahr voraussichtlich vier Milliarden Euro verdient. „In diesem Umfeld wäre es für einen sozial denkenden und weitsichtigen Politiker angebracht, die Sparer zu einer langfristig sinnvolleren Geldanlage zu ermutigen.“