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„Wer andere Vorschläge hat, ist nicht gleich ein fieser Verschwörungs-Theoretiker“

Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, über falsche Prioritäten beim Impfen gegen Covid-19, über Schummeleien in der Schlange und Nahkampf in den Arztpraxen.

WirtschaftsWoche: Herr Weigeldt, Sie finden, dass mit den Hausärzten in den Praxen nicht fair umgegangen wird. Sie müssen sich beim Impfen hinten anstellen, obwohl sie jeden Tag mit Covid-Patienten zu tun haben...
Ulrich Weigeldt: Die Hausärzte müssen jetzt endlich wie auch die Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern geimpft werden. 90 Prozent der Corona-Patienten werden ambulant behandelt, die Hausärzte haben ein hohes Infektionsrisiko. Ihre Impfung erscheint mir wichtiger als die für irgendwelche Stadträte, deren Angehörige oder auch DRK-Chefs, die sich mancherorts nun offenbar vorgedrängelt haben.

Wie ist die Stimmung unter Ihren Hausarzt-Kollegen?
Die niedergelassenen Kollegen leisten viel und fühlen sich von der Politik nicht genug wertgeschätzt und vor allem unzureichend geschützt. Der Mangel zeigt sich übrigens auch bei den medizinischen Fachangestellten in der Praxis. Sie erhalten keine Corona-Prämie, die es für Pflegekräfte in Krankenhäusern flächendeckend gibt. Da gibt es von der Politik häufig nicht mal ein Lob.

Die Allgemeinärzte sollen bald Atteste für Menschen mit einschneidenden Vorerkrankungen ausstellen. Der Schein soll dann im Impfzentrum vorgezeigt werden. Funktioniert das?
Das ist unmöglich. Es wird nicht funktionieren. Wenn zu mir jemand in die Praxis kommt und ein Attest will, soll ich dann sagen: Sie sind nicht so schlimm krank, stellen Sie sich hinten an? Überhaupt: Was ist ein leichter und was ein schwererer Diabetes? Dann haben wir reihenweise Konflikte in den Praxen. Dann beklagt sich der eine, dass die Nachbarin eine Bescheinigung bekommen hat, er selbst aber nicht. Das kann auch zu Doktorhopping führen.

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Werden dann lieber sehr großzügig Atteste ausgestellt?
Das kann vielleicht in manchen Grenzfällen passieren. Beide Wege sind nicht schön: Entweder hat man als Arzt den Ärger mit den langjährigen und verängstigten Patienten oder man sagt sich, dann stelle ich die Atteste bei Grenzfällen eben aus. Dann werden die Atteste aber vielleicht in den Impfzentren zurückgewiesen und die Leute kommen voller Ärger zu uns zurück.

Wird dann bald im großen Stil geschummelt, um früher eine Impfung zu bekommen?
Ich würde das nicht schummeln nennen. Krankheiten lassen sich oft nicht scharf eingrenzen. Und es ist sicherlich nicht mehr als die Schummelei, die von manchen der vorhin Genannten heute schon praktiziert wird, um selbst schnellstmöglich geschützt zu sein, ohne an der Reihe zu sein. Ich denke nicht, dass wir Hausärzte hierfür anfällig sind, denn wir wissen am besten, wer von unseren Patienten schwer krank ist. Die Anonymität der Impfzentren ist da eher anfällig.

Wie könnte es besser laufen?
Wir brauchen einen transparenten und zielgerichteten Weg. Die Krankenkassen sollten die Versicherten zum Impfen einladen. Die AOK in Bremen macht das schon. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Kasse weiß, wer noch lebt, es werden keine Toten angeschrieben, wie dies schon geschehen seien soll. Sie hat die richtige Adresse, sie kennt das Alter und die Krankheit sowie gegebenenfalls die Betreuungsperson. Die Prioritäten lassen sich da ohne Probleme abbilden.

Warum macht das nur eine Kasse?
In den Stadtstaaten ist manches vielleicht übersichtlicher und auf kurzem Wege zu regeln. Wir müssen die Leute mitnehmen und versorgen, anstatt sie zu zermürben und ihnen permanent Angst zu machen.

Warum hat das in der Bundesregierung noch keiner gehört? Dringen Sie nicht durch?
In Berlin sind viele der Handelnden zu weit entfernt vom Alltag der Menschen und von einfachen, sinnvollen Lösungen. Manches wirkt schon wie aus einer Wagenburg heraus, weil Kritik kaum mehr bedacht, sondern häufig brüsk abgewiesen wird. Wer andere Vorschläge hat, ist aber nicht gleich ein fieser Verschwörungstheoretiker. Wir haben derzeit eine Virolokratie, da wird aus dem Labor heraus entschieden, aber die praktisch tätigen Ärzte werden nicht gehört.

Macht es für Sie einen Unterschied, ob jemand Vakzin bekommt, das am Abend sonst verworfen würde, oder ob sich jemand in der Impfschlange nach vorne schiebt?
Wenn die Hausärzte endlich impfen dürften und die Einladung durch die Krankenkassen erfolgen würde, dann käme es nicht zu den unschönen Situationen, dass etwas verworfen wird oder dass sich jemand vordrängelt. Wir impfen sonst auch 25 Millionen mal im Jahr gegen die Grippe – ohne dass wir das an die große Glocke hängen. Impfstoffe zu verwerfen halte ich für einen Skandal. Das passiert in der Hausarztpraxis nicht. Das passiert aber, wenn man zum Beispiel Demente anschreibt, ihnen einen Code gibt und sich dann wundert, dass sie zum Termin nicht im Impfzentrum erscheinen.

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