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Accenture kauft Kolle Rebbe – Die nächste inhabergeführte Werbeagentur verliert ihre Unabhängigkeit

Der Name bleibt, die Mitarbeiter bleiben, die bestehende Führungsmannschaft macht weiter – und doch ist alles anders: Kolle Rebbe, eine der großen inhabergeführten Werbeagenturen in Deutschland, verliert ihre Unabhängigkeit und schlüpft unter das Dach der Beratungsfirma Accenture, um dort im Digitalarm Accenture Interactive angesiedelt zu werden.

Für das Beratungshaus Accenture, das weltweit rund 459.000 Mitarbeiter zählt, ist es ein weiterer wichtiger Kauf in der deutschen Kommunikationsbranche – nach der Akquisition der Digitalagentur Sinner-Schrader 2017 sowie dem Kauf der Agentur Designaffairs und von Mackevision, einem Spezialisten für visuelle Effekte, in diesem Jahr. Mit dem Kauf der 300 Mitarbeiter starken Werbeagentur Kolle Rebbe schließen die Berater ihre offene kreative Flanke. Über den Kaufpreis vereinbarten sie Stillschweigen.

Die Strategie der Managementberater: Sie wollen Unternehmen dabei helfen, die digitalen Erlebnisse ihrer Kunden zu verbessern, neudeutsch Customer-Centricity genannt. Ein Feld, das nach Ansicht von Matthias Schrader in Deutschland sträflichst vernachlässigt wird. „Bestehende Geschäftsmodelle werden zaghaft digitalisiert, aber wirkliche Kundenorientierung findet oft nicht statt“, sagt Schrader, der seine eigene Agentur Sinner-Schrader vor einem Jahr an Accenture verkauft hat und nun die Digitaleinheit Accenture Interactive im deutschsprachigen Raum leitet.

Das Problem: Digitale Pure Player, die erst in der Zeit der Digitalisierung entstanden sind, wie der Modehändler Zalando oder das Urlaubsportal Booking.com, richteten sich konsequenter auf die Kundenbedürfnisse aus und schafften deutlich bessere Kundenerlebnisse in der digitalen Welt.

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Tradierte Unternehmen wie Kaufhof oder Karstadt müssten dagegen mühsam eine digitale Parallelwelt für ihre Kunden schaffen und hinkten dabei meistens hinterher. „Der Abstand zwischen diesen beiden Unternehmensgruppen wird immer größer“, moniert Schrader.

Einheitliche Erlebnisse

Ein Beispiel: Eine digitale Firma kann recht problemlos ein Log-in für ihre Kunden einrichten. Kein Problem, wenn sich das Unternehmen gerade gründet. „Aber nachträglich ein Log-in-Verfahren einzubauen ist extrem schwierig“, meint Schrader.

Accenture will sich in dem Wachstumsfeld als Beratungshaus positionieren. „Mit zaghaften Schritten kommen wir nicht weiter“, meint Digitalexperte Schrader. Er erinnert an die berühmten „vier Ps“ der klassischen Marketingkunde – Price, Promotion, Place und Product – und will vor allem mit Letzterem punkten. „Unser Ziel ist, einheitliche Kundenerlebnisse zu schaffen“, sagt er.

Seine eigene Agentur Sinner-Schrader ist Spezialist für E-Commerce – und deckt damit den digitalen Vertrieb ab. Mit dem Kauf der Hamburger Agentur Kolle Rebbe will Accenture nun die Kreation stärken.

Über einen Verkauf von Kolle Rebbe wurde seit Jahren spekuliert. Die Agentur, die 1994 von den beiden Freunden Stefan Kolle und Stephan Rebbe gegründet wurde, Kunden wie Lufthansa, Netflix und Audi betreut und rund 35 Millionen Euro umsetzt, befand sich an einem Wendepunkt. Viele andere Werbeagenturen mit einer ähnlichen Ausrichtung und Größenordnung ließen sich von internationalen Werbekonzernen kaufen: Scholz & Friends, die Hirschen Group und Thjnk gingen nach und nach an den britischen Werbekonzern WPP, Heimat und TLGG an ‧Omnicom in den USA. Eine Art Ausverkauf der deutschen Inhaberagenturen.

Allein die Zukunft von Kolle Rebbe blieb ungewiss. Vor drei Jahren schied Stephan Rebbe aus dem Unternehmen aus, sein Ex-Compagnon Stefan Kolle baute um und gab elf Mitarbeitern Unternehmensanteile. Ein Partnermodell, das Führungskräfte an das Unternehmen binden soll, wurde installiert. Vor einem Jahr, im September, dann der große Schock: Stefan Kolle verstarb überraschend im Alter von 55 Jahren. Das zuvor eingerichtete Partnermodell erwies sich als Glücksgriff – das Unternehmen konnte in dieser schwierigen Zeit stabil auf Kurs bleiben.

Nach Schraders Aussage hat es bereits im April vergangenen Jahres Gespräche über eine mögliche Zusammenführung der Unternehmen gegeben. „Stefan war ein großer Fan der Idee“, sagt Schrader, der mehr als 20 Jahre lang mit dem verstorbenen Agenturmitgründer befreundet war. Und so waren sie sich auch schnell einig. Schrader war sich ausgesprochen sicher: „Wir haben uns nicht viele Agenturen angeguckt.“

Schrader sieht deutliche Argumente für einen Kauf der Agentur Kolle Rebbe: „Eine gute Platzierung in den führenden Kreativrankings, ein hohes digitales Verständnis, international versiert, unter anderem durch die Kundenbetreuung von Lufthansa, und – das eigentlich Wichtigste – eine sehr bodenständige Unternehmenskultur.“ Kolle Rebbe biete einen „erheblichen Mehrwert für unsere Kunden“, ergänzt Frank Riemensperger,Deutschlandchef von Accenture.

100 Prozent der Agenturanteile gehen an die Beratungsfirma – die Verkäufer sind zum einen die Erben von Stefan Kolle und zum anderen die Partner der Agentur.

Mittelständler haben es immer schwerer

„Wir glauben, dass wir unter dem Dach von Accenture Interactive noch mehr Wirkung erzielen, da wir nun Kreativität mit einem strategischen Ansatz und Technologieexpertise verknüpfen können und so Markenerlebnisse schaffen, die sich wirklich abheben“, kommentiert Fabian Frese, Geschäftsführer Kreation bei Kolle Rebbe, die Entscheidung. Seiner Ansicht nach durchläuft der Werbemarkt in Deutschland einen fundamentalen Wandel. „Kunden sind heute auf der Suche nach Agenturen, die eine globale Reichweite und ein Full-Service-Portfolio von der Ideenentwicklung bis hin zur Umsetzung bieten können.“

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es mittelständische Werbeagenturen mit nur einigen Hundert Mitarbeitern immer schwerer haben. „Die Ansprüche der Kunden sind dramatisch gestiegen“, sagt Schrader. Kommunikation ist vor allem zu einem Datengeschäft geworden. „Markenführung kommt heute sehr stark aus dem digitalen Kundenerlebnis.“ Die Vielzahl der Anforderungen der Werbeindustrie lässt sich in kleineren Unternehmen oft nicht abbilden.

Das hat große Auswirkungen auf die klassische Kommunikationsbranche in Deutschland. „Die Gründung neuer Full-Service-Agenturen in der Tradition einer Springer & Jacoby oder Jung von Matt werden wir nicht mehr erleben“, meint Schrader. Er sieht zwar nach wie vor einen Bedarf an kreativen Dienstleistern, klein und wendig, aber ohne Anspruch auf eine ganzheitliche Betreuung. Die Zeiten sind vorbei.