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Merkel kämpft gegen Corona und die Rezession, Ökonomen warnen

Für die Kanzlerin hat der schuldenfreie Haushalt angesichts der Corona-Epidemie keine Priorität mehr. Spitzenökonomen drängen die Regierung zu schnellen Hilfen für Unternehmen.

Michael Hüther (l-r), Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Gabriel Felbermayr, Präsident des Institut für Weltwirtschaft Kiel, Sebastian Dullien, Direktor des Instituts Makroökonomie und Konjunkturforschung, Peter Bofinger, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Jens Südekum, Heinrich-Heine-universität Düsseldorf, und Clemens Fuest, Präsident ifo Institut, Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Uni München, nehmen an einer Pressekonferenz der Wirtschaftsforschungsinstitute zu den Folgen der Corona-Krise teil. Foto: dpa

Angela Merkel (CDU) klingt bei ihrer ersten Pressekonferenz zur Corona-Epidemie ein wenig nach Mario Draghi. Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte auf dem Höhepunkt der Euro-Krise die Finanzmärkte mit seiner „Whatever it takes“-Rede beruhigt. „Wir werden das, was notwendig ist, tun“, versprach nun die Kanzlerin mit Blick auf den Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus und die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie.

Anders als Draghi konnte es der Kanzlerin am Mittwoch bei ihrem Auftritt in der Bundespressekonferenz allerdings nicht nur um Beruhigung gehen. Gleichzeitig sendete Merkel zusammen mit Gesundheitsminister Jens Spahn und dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, die Botschaft aus, dass die Lage ernst sei. Mehr 60 Prozent der Bevölkerung könnten sich im Laufe der Zeit infizieren, schätzen Virologen.

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Es gehe darum, den Anstieg der Infektionen zu verlangsamen und so Zeit zu gewinnen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, betonte die Regierungschefin: „Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen.“

Merkel stellte sich hinter die Empfehlungen des RKI, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen abzusagen. Und sie kritisierte indirekt das Land Berlin, das noch am Dienstag kein generelles Verbot aussprechen wollte. „Föderalismus ist nicht dafür da, dass man Verantwortung wegschiebt“, sagte die Kanzlerin. Es sei nicht das Schlimmste, wenn Fußballspiele nicht wie gewohnt stattfinden könnten. Auch Spahn stimmte die Bevölkerung auf weitere Einschränkungen des Alltags ein.

Merkel kündigte ein entschlossenes Handeln der Bundesregierung an, um die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie abzufedern. Ein Schwerpunkt werde sein, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Für Freitag ist im Kanzleramt ein Treffen mit der deutschen Wirtschaft geplant. Zudem wollen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschafts‧minister Peter Altmaier (CDU) konkrete Vorschläge vorlegen, wie Unternehmen mit Liquiditätshilfen vor Insolvenzen geschützt werden können.

Merkel machte deutlich, dass die schwarze Null, also der Verzicht auf neue Schulden, derzeit für sie keine Priorität hat. Die Regeln der Schuldenbremse und des EU-Stabilitätspakts seien flexibel genug, um auf die Herausforderungen reagieren zu können. Man werde nicht jeden Tag fragen, was die notwendigen Maßnahmen für das Haushaltsdefizit bedeuteten. „Das andere geht jetzt erst mal vor“, sagte Merkel. Und am Ende könne man dann schauen, was das für den Bundeshaushalt bedeute.

Rezession in Deutschland

Führende deutsche Ökonomen hatten die Bundesregierung zuvor aufgefordert, nun schnell mit Wirtschaftshilfen auf die drohende Krise zu reagieren – und dafür die schwarze Null aufzugeben. Kurz bevor Merkel in der Bundespressekonferenz auftrat, stellten dort die Ökonomen ihren Notfallplan vor, über den das Handelsblatt bereits vorab berichtet hatte.

Nach Einschätzung der Expertengruppe wird die deutsche Wirtschaft im ersten Halbjahr wegen der Corona-Epidemie in die Rezession rutschen. Auch für das Gesamtjahr rechnet IfW-Präsident Gabriel Felbermayr bestenfalls mit einem „Wachstum nahe am Nullpunkt“, möglicherweise aber auch mit einem Minus.

„Die Eindämmung des Virus hat jetzt die höchste Priorität“, sagte der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. „Es ist besser, jetzt einen schwerwiegenden ökonomischen Schock zu akzeptieren als eine lang anhaltende Gesundheitskrise“, betonte er. Denn diese würde erheblich teurer für die Volkswirtschaft als alle Kosten einer frühzeitigen Quarantäne.

Zur Gruppe der sieben Ökonomen zählen neben Felbermayr und Südekum auch die früheren Wirtschaftsweisen Beatrice Weder di Mauro und Peter Bofinger, Ifo-Präsident Clemens Fuest sowie Sebastian Dullien vom Gewerkschaftsinstitut IMK und Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Wir wollen zeigen, dass wir uns in dieser Krise auf eine gemeinsame Analyse und gemeinsame Empfehlungen einigen können, auch wenn wir zu verschiedenen Lagern gezählt werden“, sagte Bofinger.

Der Bundesregierung raten die sieben Ökonomen, jetzt schnelle, gezielte und zeitlich begrenzte Hilfen für die Wirtschaft in Kraft zu setzen – auch wenn der Bund dafür neue Kredite aufnehmen muss. „Das Grundgesetz sieht höhere Schulden für Naturkatastrophen ausdrücklich vor“, sagte Hüther. „Wer sich jetzt auf die schwarze Null zurückzieht, kommt seiner Verantwortung nicht nach“, mahnte er die Bundesregierung. Lob bekam die Regierung für die gerade beschlossene Ausweitung der Kurzarbeit. „Das ist eine sehr zielführende Maßnahme“, sagte Bofinger, weil sie Arbeitsplätze über die Krisenzeit rettet und Arbeitnehmern Einkommen sichert. Nur: Das reiche nicht.

Hilfspaket für Unternehmen

Die Ökonomen halten dringend schnelle Hilfen für Unternehmen für nötig. Alle Voraus- und Nachzahlungen von Einkommen- und Körperschaftsteuer sollten sofort bis zum Ende der Epidemie zinslos gestundet werden. Der Verlustrücktrag sollte erheblich ausgeweitet werden; er ist nach aktueller Rechtslage auf eine Million Euro begrenzt. Eine Ausweitung würde helfen, dass Unternehmen jetzt entstehende Verluste über längere Zeiten besser abschreiben können. Für denkbar halten die Ökonomen auch, befristet die Einkommen- und Körperschaftsteuersätze um bis zu zehn Prozent zu senken. Dies sehe das Steuerrecht für Notlagen vor.

Vor allem aus psychologischen Gründen sind die Ökonomen auch dafür, die für Anfang 2021 beschlossene Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Bevölkerung auf den 1. Juli vorzuziehen. Das hat die SPD vorgeschlagen, sie scheiterte damit aber bisher am Widerstand der Union. Sinnvoll sei es auch, bei der Förderbank KfW die Möglichkeiten für zinslose Kredite auszubauen. „Das hilft vor allem kleinen Unternehmen wie Restaurants durch die Krise“, sagte Bofinger.

Ein klassisches Konjunkturprogramm mit flächendeckenden dauerhaften Steuersenkungen halten die sieben Ökonomen dagegen aktuell nicht für sinnvoll. „Wir haben keine Krise der Kaufkraft“, sagte Hüther. Deshalb hält er auch nichts von der Idee, dass die Europäische Zentralbank „Helikoptergeld“ unters Volk bringt. „Das würde nur zu höheren Preisen und nicht zu mehr Konsum führen“, sagte er. Auch Gewerkschaftsökonom Dullien hält ein Nachdenken darüber erst für den Fall für sinnvoll, wenn der Schock in eine tiefe Krise übergehen sollte. Doch das wolle man ja gerade vermeiden.

Anders als nach der Finanzkrise könne sich die Wirtschaft von Corona relativ schnell erholen. Es werde wohl bis etwa zwei Monate nach dem Ende der Quarantänemaßnahmen dauern, bis die Wirtschaftsabläufe sich durch alle Lieferketten wieder stabilisiert hätten, sagte Dullien. Er erwartet allerdings, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal noch stärker einbrechen wird als im ersten: Die Zulieferungen aus China beginnen wegen langer Schiffsreisen erst jetzt auszufallen, auch wenn dort die Produktion gerade wieder anläuft.

Die zentrale Botschaft der Ökonomen lautete: Es braucht schnelle Reaktionen. Ob das in der Regierung angekommen ist? Scholz hat die Experten für Freitag ins Finanzministerium geladen. Wirtschaftsminister Altmaier hat angekündigt, sich erst in zwei Wochen mit Ökonomen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen austauschen zu wollen.