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Förderung des Bundes für saubere Luft verpufft – weitere Fahrverbote drohen

Mit einem Milliardenprogramm für bessere Luft will der Bund Fahrverbote vermeiden. Doch bei der Umsetzung hakt es, klagt der Städtetag.

Nach der Bundestagswahl sollte alles ganz schnell gehen. „Die Zeit drängt“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Ende November 2017 nach einem Treffen mit den Oberbürgermeistern von rund 30 Städten mit besonderer Luftbelastung. Allen Teilnehmenden ginge es darum, Fahrverbote zu vermeiden.

Die Kanzlerin kündigte ein Sofortprogramm für die Kommunen an, mit dem die Bundesregierung kommunale Maßnahmen für bessere Luft fördert. Der anfänglich mit 500 Millionen gefüllte Mobilitätsfonds, an dem zur Hälfte die Automobilindustrie beteiligt ist, wurde auf eine Milliarde aufgestockt. Die Gelder, versprach Merkel, sollten den Kommunen möglichst schnell zur Verfügung stehen, damit diese „passgenau“ Projekte umsetzen könnten.

Doch nun zeigt sich: Das Sofortprogramm für bessere Luft greift offenbar nicht so wie gewünscht. Das geht aus einer Stellungnahme des Städtetags für den Bundestag hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. Als Hauptgrund nennt Hilmar von Lojewski, Dezernent des Deutschen Städtetages, dort zuständig für Stadtentwicklung und Verkehr, dass sich die Umsetzung des Bundesprogramms für die betroffenen Kommunen „ausgesprochen sperrig“ gestalte - mit der Folge, dass Fördermittel nicht abgerufen werden können und die Kommunen damit weitgehend auf sich allein gestellt sind.

Zur Verbesserung der Luftqualität will der Bundestags-Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur am heutigen Montag Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung befragen, darunter auch die Vertreter des Städtetags.

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Laut von Lojewski sind Maßnahmen zur Luftreinhaltung seit Ende Oktober 2017 ohne Bundeshilfe, also „ausschließlich auf Grundlage kommunaler Initiativen und mit kommunalen Mitteln“ durchgeführt worden. „Ein Rückgriff auf die bereitgestellten Bundesmittel konnte aufgrund der wenig praxisgerechten Fördermittelregularien bislang nicht erfolgen.“

60 Städte basteln an „Masterplan“ für saubere Luft

Aus „planungspraktischer und vollzugstechnischer Sicht“ wäre es „wesentlich hilfreicher gewesen, anstelle von elf unterschiedlichen Förderrichtlinien einen tatsächlich schnell adressierbaren und aktionsorientierten Sofortfonds einzurichten, der (…) die dringendsten Maßnahmen zur umgehenden Reduzierung von Stickstoffoxid-Emissionen zu 100 Prozent finanziert hätte“.

Deshalb sieht der Städtetag, wie von Lojewski in seiner Stellungnahme schreibt, „erheblichen Nachbesserungsbedarf bei Erlass und Ausgestaltung der Förderrichtlinien für eine schnelle Mittelbereitstellung“ aus dem Mobilitätsfonds. „Dazu sind fehlende Förderrichtlinien und Fördertatbestände umgehend zu ergänzen, zum Beispiel über die Förderung von Elektrobussen hinaus auch die Förderung von Wasserstoff und anderen alternativen Antrieben.“

Laut Städtetag sind aktuell 60 Städte dabei, ihren „Masterplan“ zur Bekämpfung zu hoher Stickoxidwerte aufzustellen. Das ist die Voraussetzung für weitergehende Fördermaßnahmen. Gefördert werden mit dem Bundes-Sofortprogramm unter anderem die Nachrüstung von Diesel-Bussen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit Abgasnachbehandlungssystemen, die Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme sowie Elektromobilität.

Dass erste Förderbescheide für Maßnahmen erst Mitte Juni erteilt wurden sieht von Lojewski schon deshalb kritisch, weil der Bund „Masterpläne“ für Maßnahmen fordere, die „ganz überwiegend bekannt und seit geraumer Zeit in den Maßnahmenplänen zu den Luftreinhalteplänen niedergelegt“ seien. Diese hätten jedoch von den betroffenen Städten nicht ohne Fördermittel durchgeführt werden können.

Der Städtetag-Experte befürchtet nun wegen des „deutlich verzögerten“ Beginns der Luftreinhaltemaßnahmen negative Folgen mit Blick auf mögliche Fahrverbote. Die Wirksamkeit der Maßnahmen könne so verspätet einsetzen, „dass die zuständigen Gerichte ihnen mit Blick auf die vom Bundesverwaltungsgericht gesetzten Fristen womöglich keine immissionsmindernde und Fahrverbote vermeidende Wirkung mehr zumessen werden“. Das Bundesverwaltungsgericht hatte solche Verbote für grundsätzlich zulässig erklärt, zugleich aber betont, dass diese verhältnismäßig sein müssten.

Der Städtetag betonte die Notwendigkeit, sich auf Fahrverbote einzustellen. Erforderlich sei daher „die Fortschreibung der staatlichen Luftreinhaltepläne in den betroffenen Städten und Regionen“. Hierbei seien auch „strecken- und/oder zonenbezogene Verkehrsverbote für stark emittierende Diesel-Pkw zu prüfen“.

Vom Bund verlangt der Städtetag die Einführung einer blauen Plakette zur Kennzeichnung abgasarmer Diesel-Pkw. „Ein wirksamer Vollzug eventueller Verkehrsbeschränkungen kann nur dann gewährleistet werden, wenn die Kennzeichnungsverordnung entsprechend fortgeschrieben wird.“

Experten halten Hardware-Nachrüstungen für möglich

Als erste Großstadt sperrte jüngst Hamburg zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel, Aachen dürfte bald nachziehen. Und auch in Stuttgart sind Diesel-Fahrverbote wohl kaum noch zu vermeiden. In der grün-schwarzen Landesregierung gilt es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als schwierig bis unmöglich, um Verbote für Diesel-Autos der Euronormen 3 und 4 noch herumzukommen. Einen ausgearbeiteten und intern abgestimmten Plan gibt es dem Vernehmen nach aber noch nicht.

Der Städtetag sieht ausdrücklich auch die Automobilindustrie in der Pflicht, „effizientere und saubere Verbrennungsmotoren auf den Markt zu bringen und Fahrzeuge, die die Schadstoffwerte nicht einhalten, umgehend über ein Software-Update hinaus auch Hardware-seitig nachzurüsten“. Insbesondere sei eine „rasche Hardware-Nachrüstung“ von Euro 5/6-Pkw erforderlich.

„Die Kosten hierfür sind von den Herstellern zu übernehmen, da die Käufer im Vertrauen auf eine zumindest den Regeln der Technik entsprechende Abgasreinigung die Fahrzeuge erworben haben und nicht die Leidtragenden einer verfehlten Abgasreinigungsstrategie der Hersteller sein dürfen“, erklärt von Lojewski in seiner Stellungnahme für den Bundestag.

Experten halten umstrittene Umbauten an Motoren älterer Fahrzeuge für generell möglich. Dies sei eine „sehr wirksame und technisch machbare Maßnahme“, heißt es einer Stellungnahme des Autofahrerclubs ADAC für den Bundestag. Sinnvoll sei dies aber vor allem für Städte mit hohen Grenzwertüberschreitungen. Der Verband der Technischen Überwachungsvereine (VdTüv) hält Hardware-Nachrüstungen bei „entsprechendem technischen Aufwand“ für „grundsätzlich möglich“. Eine „großflächige“ Aktion würde aber mindestens zwei Jahre dauern.

Mögliche Umbauten an Diesel-Motoren für eine bessere Abgasreinigung sind heute auch Thema der Anhörung im Verkehrsausschuss des Parlaments. Die Bundesregierung ist seit Monaten uneins darüber. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert Hardware-Nachrüstungen, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) argumentieren dagegen. Die Branche lehnt sie ab, hat aber neue Abgas-Software für zusätzliche 2,8 Millionen Diesel bis Jahresende zugesagt. Der Fortgang ist ungewiss, zudem wackelt der Zeitplan.

Der ADAC empfiehlt, Hardware-Nachrüstungen in belasteten Städten zu nutzen, in denen andere Maßnahmen nicht reichen. In der Stellungnahme heißt es aber auch: „Eine generelle Nachrüst-Verpflichtung aller Halter von Diesel-Pkw bestimmter Emissionsklassen in Deutschland ist zur Einhaltung der Grenzwerte in Städten mit Überschreitungen nicht erforderlich.“ Es sei davon auszugehen, „dass vor allem Halter, die von Fahrverboten betroffen wären, das Angebot nutzen würden“.

Der Tüv-Verband erläutert, Voraussetzung für Nachrüstungen direkt am Motor sei, dass „Einbauraum für alle Komponenten“ in den Modellen vorhanden sei. Für eine „großflächige Hardware-Nachrüstung“ wären mehrere aufeinander abzustimmende Schritte nötig - vom Rechtsrahmen über Entwicklung und Genehmigung der Systeme, bis zum Einbau und Begutachtungen. Anschließend wäre eine separate Feldüberwachung nachgerüsteter Fahrzeuge im Verkehr „sinnvoll und erforderlich“.