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Startups bekommen TV-Werbung statt Geld: Das sind die Investmentkriterien von Seven Ventures

Christoper Halbig ist Vice President bei dem Investmentarm von ProSiebenSat.1 - Copyright: SevenVentures, Collage: Gründerszene
Christoper Halbig ist Vice President bei dem Investmentarm von ProSiebenSat.1 - Copyright: SevenVentures, Collage: Gründerszene

Allein 12 Millionen Menschen haben im ersten Quartal 2024 die TV-Sendung „Wer stiehlt mir die Show?“ geschaut. Und das ist nur eine der Sendungen, die auf den 15 Free- und Pay-TV-Sendern von ProSiebenSat.1 zu sehen ist. Von dieser Reichweite können Portfoliounternehmen von Seven Ventures profitieren.

Seven Ventures ist der Investmentarm des deutschen Medienkonzerns ProSiebenSat.1 und wurde 2009 ins Leben gerufen. Seitdem hat das Seven-Ventures-Team eigenen Angaben zufolge in rund 70 Unternehmen investiert. Im Jahr kommen drei bis vier dazu. Eine Investition bedeutet für Seven Ventures allerdings nicht gleich Geld: „Unsere Währung ist im Kern Media-Reichweite und Marketingpower“, erklärt Christopher Halbig, Vice President bei Seven Ventures. Im Gegenzug für Anteile am Eigenkapital (Media-for-Equity) oder Umsatzbeteiligungen (Media-for-Revenue) erhalten Unternehmen Werbezeiten auf den ProSiebenSat.1-Sendern. Für welche Unternehmen sich TV-Werbung lohnt, worauf er und sein Team achten und welche Red Flags es für ihn gibt, verrät Halbig im Gespräch mit Gründerszene.

Ist es ein Match?

Seven Ventures ist kein klassischer Wagniskapitalgeber. Es gibt keine VC-typischen Fondsstrukturen. Statt Geld bekommen Unternehmen TV-Werbung. Da TV-Werbung nicht für jedes Produkt und nicht zu jedem Zeitpunkt sinnvoll seien, achte Halbig auf folgenden Faktoren.

Emotionale Kaufentscheidung

Einige 100 Pitchdecks würde er im Jahr sehen, so Halbig. Als allererstes achte er darauf, ob Seven Ventures mit seiner Währung ein Match für das Unternehmen sei. Ein Match komme nur dann zustande, wenn der Aufbau einer starken Marke für den langfristigen Erfolg der Firma wichtig sei. Für welche Geschäftsmodelle ist der Aufbau einer Marke wichtig? „Je mehr Emotionen in der Kaufentscheidung und Nutzung involviert sind, desto wichtiger ist es, eine Brand aufzubauen“, sagt Halbig. Beim Kauf von Wattestäbchen beispielsweise wären Kunden nicht so emotionsgeladen unterwegs. Da sei die Marke eher nebensächlich.

B2C-Geschäftsmodell

Generell investiert Seven Ventures nur in B2C-Unternehmen. Für B2B-Modelle sei TV-Werbung nicht so sinnvoll. Dabei sei die Branche Halbig und seinem Team erstmal nicht so wichtig. Seven Ventures orientiere sich allerdings an Makro-Trends. Denn die Produkte, die dann in der TV-Werbung vermarktet werden sollen, müssen den Massenmarkt adressieren.

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In diesem Zusammenhang sei auch die Skalierbarkeit wichtig. „Das Unternehmen muss in der gesamten Supply Chain skalierbar sein. Denn wenn wir einmal mit dem Massenmarketing loslegen, dann muss das Unternehmen das operativ abbilden können!“, so Halbig. Aktuell werde alles rund ums Thema Nachhaltigkeit, insbesondere alternative Proteine, für die breite Masse immer interessanter.

Später als die typischen VCs

Seven Ventures investiert typischerweise in Unternehmen, wenn diese „nicht mehr in den Kinderschuhen stecken“, sagt der VP, das heißt: zu einem späteren Zeitpunkt als klassische Frühphaseninvestoren. Zu diesem Zeitpunkt würden viele Unternehmen nicht mehr ausschließlich von ihren Gründern geführt. Daher bewerte Seven Ventures das gesamte Management-Team, nicht nur die Gründer. „Im B2C-Bereich sind andere Dinge in der Teamzusammenstellung wichtig als bei B2B-Geschäftsmodellen. Beispielsweise brauchst du jemanden, der weiß, wie man eine langfristig relevante Brand richtig aufbaut“, so Halbig. Für ihn zähle dabei vor allem Erfahrung. Er schaue sich den Track-Record des Management-Teams an und spreche mit Handelspartnern, um die Vertriebsexpertise bewerten zu können. Außerdem erwarte er eine „absolute Leidenschaft“ für das Produkt.

Teilweise beteiligt sich Seven Ventures auch zu einem früheren Zeitpunkt an Unternehmen. Doch das seien eher Ausnahmen. „Wenn das Thema noch nicht bekannt ist in der Gesellschaft und wir helfen müssen, die breite Masse zu informieren und ein Stigma zu brechen“, so Halbig. Als Beispiel nennt er das Telemedizin-Startup Wellster und Finn Hänsels Cannabis-Startup Sanity Group. Wenn die Marken nicht bekannt sind und noch kein allgemeines gesellschaftliches Interesse besteht, wie es damals bei Telemedizin oder Cannabis-Medikamenten der Fall gewesen sei, dann seien digitale Marketingkanäle der falsche Weg. Bei solchen Themen müsse zuerst Vertrauen aufgebaut werden. Und Vertrauen entstehe bei Konsumenten durch TV-Werbung.

Egal ob sich Seven Ventures früh oder spät beteiligt, auf jeden Fall brauche das Unternehmen eine zukünftige Daseinsberechtigung und dürfe nicht nur ein kurzfristiges Phänomen sein.

Digitale Marketingkanäle ausgeschöpft

Abgesehen von stigmatisierten Themen, seien digitale Marketingkanäle die erste Anlaufstelle, um eine Marke zu etablieren. Halbig erklärt: „Eine Marke baust du nicht rein über TV-Werbung auf. Erstmal müssen Startups über digitale Marketingkanäle und digitale Werbung eine Brand, eine Community und Glaubwürdigkeit aufbauen. Wenn diese Kanäle dann ausgeschöpft sind und Unternehmen die breite Masse erreichen wollen, dann ergibt TV-Werbung Sinn“.

Der Zeitpunkt, zu dem eine TV-Werbung sinnvoll ist, variiere je nach Produkt und Geschäftsmodell. Wichtig zu beachten sei die Spanne zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein potenzieller Konsument durch die TV-Werbung mit dem Produkt erstmals in Kontakt kommt und dem Zeitpunkt des Kaufes. Halbig nennt den Gebrauchtwagenhändler Auto1 als Beispiel. Nur weil ein TV-Zuschauer eine Werbung von Auto1 sieht, kaufe er sich nicht direkt ein neues Auto. Heißt, Touchpoint und Kaufzeitpunkt liegen teilweise weit auseinander. Das hat bei Media-for-Revenue-Deals auch Auswirkungen auf die Umsatzbeteiligung. Je länger der Zeitraum zwischen Touchpoint und Produktkauf, desto länger laufe auch die Umsatzbeteiligung von Seven Ventures.

Finanzielle Aspekte

Neben Produkt, Team, Zeitpunkt und Skalierbarkeit, achte Seven Ventures auch auf finanzielle Aspekte: Eine der wichtigsten Kennzahlen sei der Customer-Lifetime-Value (CLV), so Halbig. Also der geschätzte Umsatz, den ein Kunde während seiner gesamten Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen generiert. Besonders interessant sei der CLV in Relation zu den Kundenakquisitionskosten (CAC). Also der Betrag, den ein Unternehmen aufwenden muss, um einen neuen Kunden zu gewinnen. Die Ratio von CLV zu CAC misst, wie profitabel Kunden sind und wie effizient Vertrieb und Marketing sind. Die Ratio sollte größer als 1 sein, sagt Halbig.

Welche Red Flags gibt es?

Die Red Flags definiert der VP ganz klar: unrealistische Businesspläne und fehlende Kritikfähigkeit. „Wenn ich sehe, dass sich Unternehmen nach vorne hin unrealistisch positiv sehen und dabei unreflektiert sind“, sagt er. Wenn Gründer oder Mitglieder des Management-Teams nicht kritikfähig seien und nicht aus ihren Fehlern lernen wollten, führe das häufig dazu, dass unrealistische Businesspläne erstellt würden.

Wie sieht der Investmentprozess aus?

Vom Erstkontakt, bis der Investmentprozess gestartet wird, dauere es bei Seven Ventures etwas länger als bei klassischen Wagniskapitalgebern. Erst müsse geprüft werden, ob die Werbung über die ProSiebenSat.1-Sender der richtige Marketingkanal für das Unternehmen sei. Wenn das der Fall ist, dann müsse noch der richtige Zeitpunkt bestimmt werden. Teilweise habe Seven Ventures Investitionen aufgeschoben, weil TV-Werbung zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll gewesen wäre. Wenn es einen Match gibt und der Zeitpunkt stimmt, dann dauere der Prozess um die zwei Monate. Die Freigabe der Investments erfolgt dann durch den ProSiebenSat.1-Vorstand persönlich, verrät Halbig.

Die meisten Deals würden über Empfehlungen zustande kommen. „Die besten Referrals kriegen wir von Gründern, die bereits mit uns arbeiten“, sagt er. Durch den besonderen Investmentansatz von Seven Ventures seien die Haltedauern je nach Beteiligung und TV-Kampagne unterschiedlich. „Wir können geduldiger sein als andere Investoren, weil wir keine Fondsstrukturen haben, was bei Konsumgütern teilweise auch notwendig ist“, so Halbig.