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Vom Sparhelfer zum Skandal-Fintech: Was ist bloß bei Savedroid passiert?

Mit der Savedroid-App sollten junge Menschen zum Sparen gebracht werden – mit ungewöhnlichen Regeln.
Mit der Savedroid-App sollten junge Menschen zum Sparen gebracht werden – mit ungewöhnlichen Regeln.

Auf begeisterte Kunden kann das Fintech Savedroid nicht verweisen, das deuten schon die Bewertungen bei Google an: 108 Menschen haben das Unternehmen aus Frankfurt am Main, das seinen Service inzwischen eingestellt hat, bewertet – mit durchschnittlich zwei von insgesamt fünf möglichen Sternen. „Einfach unseriös“, „Totaler Müll“ und „Vertraut diesem Unternehmen kein Geld an“, heißt es dort unter anderem.

Ein vernichtendes Bild angesichts der eigentlich charmanten Idee, mit der Savedroid vor knapp fünf Jahren als jungen Fintech gestartet war. 2016 brachte das Unternehmen um Gründer Yassin Hankir eine App vergleichbar mit einem digitalen Sparschwein auf den Markt. Mithilfe lustiger Wenn-Dann-Regeln konnten Nutzer kleinere Beträge automatisiert zurücklegen. Wer auf ein neues iPhone sparen wollte, konnte entsprechende Abbuchungen zum Beispiel an den Twitter-Account des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trumps koppeln. Setzte Trump später einen Tweet ab, zog Savedroid den Betrag (zum Beispiel 1,50 Euro) vom Girokonto ein. Das sollte die Hemmschwelle beim Sparen senken.

Als Sparhelfer für junge Leute ist Savedroid heute jedoch nicht mehr in Erinnerung. Im Gegenteil: Das Fintech sorgte mit einem fragwürdigen PR-Stunt für Schlagzeilen, fing sich Klagen von Anlegern ein und stampfte die App nach einem Ausflug in die schillernde Welt der Kryptowährungen schließlich ein. Wie konnte es zu diesem steilen Absturz kommen? Gründerszene hat die wichtigsten Meilensteine zusammengetragen.

2015

Ende September meldet Yassin Hankir, promovierter Volkswirt und ehemaliger Berater von McKinsey, die Savedroid AG an. Als Vorstände und Mitgründer holt der damals 34-jährige seinen Ex-Arbeitskollegen Marco Trautmann und den Programmierer Tobias Zander ins Unternehmen. Dem Trio schwebt eine zeitgemäße Spar-App basierend auf unkonventionellen Regeln vor, die sie „Smooves“ nennen. Erstmals öffentlich in Erscheinung tritt das Fintech dann im Dezember in einem Fragebogen des Branchenblogs Paymentandbanking.com. Dort äußern sich Hankir und seine Mitgründer zum Entwicklungsplan der App: „Prototyp bauen, Business Angel-Finanzierung abschließen, Beta launchen“, heißt es dort.

2016

Rund sieben Monate später kann das Fintech zwei der drei Punkte von der Liste streichen. Der Prototyp steht und auch erste Investoren haben zugesagt. Ende Juni verkündet Savedroid eine Seed-Finanzierung in Höhe von einer Million Euro. Als Gesellschafter steigen die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) sowie Debjit Chaudhur und Michael Rundshagen ein, beide haben mit Infosys Deutschland und Traxpay bereits eigene IT-Unternehmen mitgegründet.

Die Savedroid-Gründer Marco Trautmann, Tobias Zander und Yassin Hankir (von links).
Die Savedroid-Gründer Marco Trautmann, Tobias Zander und Yassin Hankir (von links).

Schlag auf Schlag geht es weiter: Am 28. Juli launcht Savedroid offiziell seine Spar-App. Da das Fintech keine eigene Banklizenz besitzt, tun sich Gründer Yassin Hankir und seine Mitgründer mit einem bekannten Partner aus Aschheim bei München zusammen: Wirecard. Der Zahlungsdienstleister implementiert hierzu eine virtuelle Mastercard in der Savedroid-App und wickelt im Hintergrund die Einzahlungsvorgänge ab. Savedroid selbst will über Provisionen verdienen. Etwa, in dem es die Kontobewegungen der Nutzer analysiert und günstigere Stromtarife vorschlägt.

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Die App scheint durchaus auf das Interesse von Nutzerinnen und Nutzern zu stoßen. Bis Ende 2016 sei 50.000 Mal aus den App-Stores heruntergeladen geworden, sagt Yankir in einem Interview.

2017

Das Interesse an der App macht Savedroid auch für die Berichterstattung in großen Onlinemedien spannend. Im April widmet die Süddeutsche Zeitung dem Fintech eine größere Geschichte, hinterfragt in diesem Zuge aber auch erstmals den Datenschutz der App. Denn Savedroid kann alle ein- und ausgehenden Zahlungen auf dem Girokonto der Nutzer einsehen. „Das ist schon ein drastischer Eingriff“, wird ein Verbraucherschützer zitiert.

Anfang Mai berichtet auch Die Welt über Savedroid. 150.000 Downloads verzeichnet die App nach Angaben des Fintechs zu diesem Zeitpunkt schon. Doch die Kritik am Datenschutz reißt nicht ab, weshalb Die Welt ihren Artikel mit der Überschrift „Ein Horror für Datenschützer“ versieht. Hankir beschwichtigt. Daten würden nicht weitergegeben. Und: „Anders würde unsere Dienstleistung nicht funktionieren.“

2018

Savedroid tritt in das dritte Jahr seiner noch jungen Firmenhistorie ein. Es ist die Zeit des ersten großen Hypes um Kryptowährungen wie Bitcoin. In der Finanzwelt sind sogenannte Initial Coin Offerings (ICOs) das Buzzword schlechthin. Startups geben dabei eigene virtuelle Münzen aus, über die sich Nutzer am Erfolg einer Firma beteiligen können.

Savedroid wagt als eines der ersten deutschen Startups ein solches Experiment. Anfang März sammelt das Fintech rund 40 Millionen Euro über einen sogenannten ICO von 35.000 Anlegern ein. Mit dem Geld soll die App fit für die Blockchain werden: „Wir wollen, dass Menschen auf der ganzen Welt einfach mit Kryptowährungen sparen können“, erklärt Yankir der Süddeutschen Zeitung. Bis Mitte des Jahres soll alles fertig sein.

Doch soweit kommt es zunächst nicht. Wenige Wochen später, am 18. April, schockt Savedroid seine Fans mit Gerüchten, wonach sich Gründer Yassin Hankir mit dem Geld aus den ICO ins Ausland abgesetzt hat. Auf der Website finden Fans nur noch ein Bild aus der US-Comic-Serie „South Park“, vor, darüber die Schrift „And it’s gone“ – und es ist weg. Knapp einen Tag später Entwarnung: Alles nur eine „sehr drastische Kampagne“, um auf die Risiken eines ICOs aufmerksam zu machen, erklärt Hankir. Er plant, extra eine eigene Berateragentur für ICOs ins Leben zu rufen.

Durch den PR-Stunt drohen dem Fintech jedoch erst einmal juristische Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft prüft ein Ermittlungsverfahren gegen Savedroid, unter anderem wegen Betrug. Wie sehr die PR-Aktion auch dem Geschäft des Fintechs geschadet hat, zeigt sich an der Wertentwicklung der Savedroid-Coins. Stand Ende September haben diese 90 Prozent an Wert verloren. Gründer Hankir hält das indes nicht davon ab, weiter an der Krypto-App von Savedroid zu bauen – auch wenn er damit zu diesem Zeitpunkt bereits einige Monate im Verzug ist.

2019

Am 11. April, gut ein Jahr nach der vielkritisierten PR-Kampagne, bringt Savedroid seine neue App an den Start. Die ursprünglichen Pläne für eine ICO-Berateragentur haben die Gründer da längst verworfen. „In der Zwischenzeit ist der ICO-Markt zusammengebrochen und es gibt aktuell keine Nachfrage mehr danach“, sagt Hankir dem Handelsblatt.

In der neuen App-Version können Sparer ihr Geld jetzt wie angekündigt in Form von Kryptowährungen anlegen. Zur Auswahl stehen Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Bitcoin Cash. Eine Künstliche Intelligenz soll anhand der aktuellen Kurse zudem vorschlagen, welche Währung sich derzeit am meisten lohnt. Den Service lässt sich Savedroid einiges kosten. So behält das Fintech für jede Transaktion drei Prozent der Summe ein. Sogar für Auszahlungen müssen Nutzer zahlen. Das Konzept sorgt bei Verbraucherschützern für Kritik: „Krypowährungen können von heute auf morgen praktisch wertlos werden. Als Instrument zum Sparen sind sie damit ungeeignet“, urteilt Finanzexperte Dirk Eilinghoff.

Wenige Wochen später macht Savedroid erneut Schlagzeilen. Der PR-Stunt im Jahr zuvor holt das Fintech ein. Ein Anleger, der Anfang 2018 insgesamt 10.000 Euro in Savedroid investiert hatte, reicht Klage gegen das Unternehmen ein. Sein Vorwurf: Das Fintech habe im Zuge des ICOs nicht ausreichend über die Möglichkeiten des Widerrufs informiert. Gründer Hankir bestreitet das auf Nachfrage von Gründerszene.

Im Oktober unternimmt Savedroid den nächsten Finanzmarkt-Stunt. Über eine Mantelfirma – Fachsprech: Spac – bringt Yassin Hankir sein Unternehmen an die Düsseldorfer Börse. Zuvor hatte Hankir dazu eine neue AG namens Advanced Bitcoin Technologies (ABT) gegründet. Er habe Savedroid an die Börse bringen wollen, weil dies das Vertrauen ins Unternehmen stärke, erklärt Hankir im Gespräch mit Gründerszene. „Das Thema Kryptowährungen hat gerade in Deutschland ein negatives Image.“ Er wolle zeigen: „Krypto geht auch in seriös.“

2020

Es sieht so aus, als könne sich bei Savedroid doch noch alles zum Guten wenden. Der Aktienkurs der Savedroid-Mutter ABT klettert zwischen Oktober 2019 und Ende Januar 2020 von einst knapp einem auf rund 16 Euro. Im Februar geht zudem ein Gerichtsprozess zugunsten des Fintechs aus. Es hatte sich zuvor mit einem Anwalt gestritten, der aus dem ICO noch Gelder in Höhe von rund vier Millionen Euro zurückgehalten hatte. Hankir feiert die Entscheidung in einer Mitteilung als „ebenso klares wie positives Signal für unsere Nutzer, Mitarbeiter und Investoren.

Der Aufwärtstrend hält allerdings nicht lange an. Der Aktienkurs bricht in den Folgemonaten ein – auf unter zwei Euro. Im April meldet Savedroid zudem als eines der ersten Fintechs aufgrund der grassierenden Corona-Pandemie Kurzarbeit für seine Mitarbeiter an. Im Sommer trifft es das Fintech gar noch härter: Denn der Zahlungsdienstleister Wirecard, der seit 2016 die Transaktionen für Savedroid abwickelt, geht spektakulär pleite.

Im Dezember 2020 zieht auch Savedroid einen Schlussstrich: Die Spar-App werde zum Jahresende eingestellt, teilt das Fintech um Gründer Yassin Hankir mit. Dies ist ihm zufolge aber nicht das Ende seiner Karriere als Fintech-Gründer. Im Gegenteil: Den bestehenden Savedroid-Nutzern will er nun eine „Savedroid Mastercard Gold“ anbieten – dieses Mal in Kooperation mit der luxemburgischen Bank Advanzia.