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Kommentar: Verbot von linksradikaler Plattform – ein Griff in die Trickkiste

29.01.2020, Sachsen, Leipzig: Zu Beginn der Verhandlung um das Verbot der linksradikalen Internet-Plattform «Linksunten.Indymedia», betreten die Richter des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts unter Vorsitz von Richter Ingo Kraft (r) den Saal. Das Verbot der Plattform steht am Bundesverwaltungsgericht auf dem Prüfstand. Die Richter entscheiden über fünf Klagen gegen das Vereinsverbot. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das Bundesverwaltungsgericht bei der Verhandlung um das Verbot der linksradikalen Internet-Plattform «Linksunten.Indymedia» (Bild: dpa)

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt das Verbot der Plattform “Linksunten.Indymedia”. Linker Terror wird heruntergespielt? Von wegen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Egal ob von links oder rechts – Extremismus, Gewalt und Terror seien gleich, heißt es zuweilen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zum Beispiel sagte jüngst: „Es gibt kein Pardon. Egal ob rechts oder links. Extremismus wird mit aller Konsequenz bekämpft.“ Früher fand er mal „beides geschmacklos“.

Für ein Opfer von Gewalt und Terror wird es tatsächlich egal sein, aus welcher Ecke dieses Leid kommt. Bewegen wir uns aber in die Vogelperspektive und schauen von oben auf Deutschland herab, dann steht fest: Bei Gewalt und Terror kommt die Bedrohung meist von rechts. Gleichmachen verschließt also nur die Augen vor der Wirklichkeit.

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Wie engagiert der Rechtsstaat gegen Linksradikalismus vorgeht, zeigt ein Gerichtsbeschluss vom vergangenen Mittwochabend. Das Bundesverwaltungsgericht ließ die Klage von fünf Einzelpersonen abblitzen, die sich gegen das Verbot der Internet-Plattform „linksunten.indymedia“ wehrten. Der Grund dafür war rein formeller Natur: Als Einzelpersonen hätten die Kläger kein Klagerecht, sondern nur als Vertreter eines Vereins. Denn “linksunten.indymedia” ist in den Augen der Richter ein Verein.

Das ist ziemliche Vereinsmeierei. Denn nur mit einem Griff in die Trickkiste hat das Bundesinnenministerium 2017 die Plattform verboten. Engagiert jedenfalls war das. Ob rechtens, wird nun womöglich das Bundesverfassungsgericht klären.

Geschickt eingefädelt

Doch worum geht es eigentlich bei „linksunten.indymedia“? Zweifellos handelt es sich um eine Plattform zur Verbreitung von Artikeln und Meldungen aus dem linksradikalen Milieu. Sie wird von Medienaktivisten und Journalisten betrieben, nach deren Meinung die „Mainstreammedien“ (ja, ja: sowas gibt es auch weit links, nur ist es exotischer, aber davon später mehr) nicht genügend über die „echten“ Inhalte berichten. Ein formeller Verein besteht nicht, und es sind auch keine vereinsähnlichen Strukturen zu erkennen.

Das Bundesinnenministerium (BMI) aber wollte die Plattform schließen. Denn darauf finden sich auch Bekennerschreiben von Anschlägen, Rechtsradikale werden mit Namen und Adresse genannt, es wird zu Gewalt aufgerufen, mal wird eine Bombenbauanleitung veröffentlicht – in der Tat nicht wenige Inhalte, die unappetitlich zu nennen eine Untertreibung wäre. Da ist es tatsächlich angebracht, richterlich zu klären, was noch unter die Pressefreiheit fällt und was nicht. Doch das BMI wischte schlicht die Pressefreiheit vom Tisch und erklärte die Plattform zum Verein, nach dem Motto: Wenn sich ein, zwei Leute zusammenschließen und das gleiche Ziel verfolgen, bilden sie einen Verein. Wirklich kreativ.

So kam es, dass die Bundesverwaltungsrichter am vergangenen Mittwochabend die Verbotsgründe gar nicht prüften. Das ist schade.

Lesen Sie hier: Das Urteil zum Verbot von „linksunten.indymedia“ sorgt für geteilte Reaktionen

Und es zeigt, dass der Rechtsstaat bei der Verfolgung von Gewalt und Terror von rechts sich einiges von seiner Vehemenz abschauen könnte, mit der er mit Gewalt und Terror von links umgeht.

Denn da ist nichts gleich. Ja, es gibt einige wenige kleine Inseln in Deutschland, wie ein paar Straßenzüge in Hamburg oder der Leipziger Stadtteil Connewitz, die ein großes Problem mit linker Gewalt haben. Die Reaktionen des Staates sind indes unübersehbar.

Zahlen lügen nicht

Ansonsten erzählen die Zahlen in einer klaren Sprache. Das statistische Bundesamt sortierte Straftaten mit links- und rechtsextremistischem Hintergrund des Jahres 2018 nach Delikten, und da haben die Rechten die Nase vorn. 938 rechten Körperverletzungen stehen 363 linke entgegen. Bei Nötigung und Bedrohung sind es 352 zu 71. Linksradikale wiederum haben ihre eigenen „Kernkompetenzen“, und zwar bei Widerstandsdelikten (376), Brandstiftungen (108) und Landfriedensbruch (90), während Rechtsextremisten dort mit 74, 11 und 14 Delikte zu Buche stehen. Insgesamt standen 2018 19.409 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund 4622 mit linksextremistischem Hintergrund gegenüber.

Und 2019 war geprägt von rechter Gewalt. Da geschah die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, und der Amoklauf eines Rechtsextremisten in Halle. Gibt es Vergleichbares auf linker Seite? Gibt es eine linke Terrorgruppe, die wie der faschistische NSU mordend durchs Land fuhr? Seit 1990 sind 169 Menschen Opfer rechtsextremistisch motivierter Morde geworden. Auf der linken Seite fand ich zwei Tötungsdelikte. Und aus welchen Ecken kommen die massenhaften Einschüchterungen und Morddrohungen in den Sozialen Medien? Die stammen in großer Mehrheit auch von Rechts.

Gewalt ist eine Spezialität der Rechten. Wer diese mit linker Gewalt – so stark diese auch zu verurteilen ist – gleichsetzt, redet sie klein, verhöhnt Opfer und Rechtsstaat zugleich.