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Hilfe für die Helfer: Dieser Ex-Unternehmensberater legt einen Corona-Hilfsfonds auf

Andreas Rickert startete mit seiner Phineo gAG einen Hilfsfonds, um gemeinnützige Institutionen finanziell zu unterstützen. Die Nachfrage übersteige das Angebot bei Weitem.

Gegensätze auszuhalten ist für Andreas Rickert eigentlich das Normalste der Welt. Und für sein Geschäft ist es auch das Wichtigste. Mit seiner gemeinnützigen Phineo gAG hat er in den vergangenen zehn Jahren ein Beratungs- und Analysehaus für den gemeinnützigen Sektor aufgebaut. Er trifft Menschen, die viel Geld und guten Willen haben, und berät sie, wie sie damit notleidenden Menschen effizient und nachhaltig helfen können.

In den vergangenen drei Monaten saß der 46-Jährige wegen der Corona-Pandemie jedoch in seiner Gartenlaube in Berlin-Frohnau fest. In dem weiß gestrichenen Häuschen aus Holz richtete sich der gelernte Berater sein Büro ein.

Statt Anzug, Hemd und Krawatte trägt er T-Shirt, statt auf die Berliner Museumsinsel blickt er auf Brandenburger Haselnusssträucher, und statt Mäzenen, Philanthropen und Sozialunternehmern trifft er seine Frau und seine drei Kinder.

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In dieser Stadtrandidylle im Grünen versinkt er jedoch weder in Romantik noch in Lethargie. Zu nah geht ihm das Schicksal vieler gemeinnütziger Institutionen wie Hospize, Museen, Bildungsprojekte, die durch die Coronakrise in finanzielle Schieflage geraten sind und nun vor dem Aus stehen.

Aus ganz Deutschland erreichen ihn die zum Teil verzweifelten Hilferufe aus Vereinen, karitativen Einrichtungen und Sozialunternehmen. Er beschließt: „Diese Krise darf nicht das Ende unserer Zivilgesellschaft sein. Sie wird gebraucht, gerade jetzt.“

Die KfW als Partner

Doch was tun? Zunächst hofft er darauf, dass die öffentliche Hand den Sektor stützen wird. Die nach langem Hin und Her im Bundestag beschlossenen Notfallkredite greifen seines Erachtens zu kurz. Wie sollen gemeinnützige Institutionen diese Kredite aus ihren bescheidenen Einnahmen und Spenden je zurückzahlen können?

Gemeinnützige Organisationen dürfen ja keine Gewinne machen oder größere Rücklagen bilden. Er beschließt, einen privatwirtschaftlichen „Corona Hilfsfonds Zivilgesellschaft“ aufzulegen. Einer der Sparringspartner: die KfW Stiftung.

Rund eine halbe Million Euro hat Rickert in den vergangenen Wochen bei Privatleuten, Stiftungen und Unternehmen dafür schon eingesammelt. Nun hofft er auf weitere finanzielle Mittel und appelliert: „Die Lage ist dramatisch. Wir brauchen private Spenden. Die Notfallkredite der öffentlichen Hand sind leider keine alleinige Lösung, weil sie kaum zurückgezahlt werden können.

„Wir müssen den Sektor mit Zuschüssen stützen“, sagt Rickert dem Handelsblatt, und weiter: „Ich bin sehr froh, dass der Hilfsfonds jetzt steht, wir sind aber erst am Anfang. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem.“

Dem schlanken, mittelgroßen Mann mit den kurzen Haaren ist mit seinem Hilfsfonds wieder ein Coup gelungen, der die so vielfältige wie geberfreudige Stifter- und Spenderszene faszinieren wird. Der Fonds dürfte zudem die Herzen der Verantwortlichen vieler der rund 600.000 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Deutschland schneller schlagen lassen.

100 Milliarden Euro schwerer Sektor

Die sogenannte Zivilgesellschaft ist kein kleiner Wirtschaftszweig. In ihrer ökonomischen Kraft ist sie vergleichbar mit der deutschen Baubranche. In Deutschland fließen jedes Jahr rund 100 Milliarden Euro in den gemeinnützigen Sektor. Jeder zehnte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ist in einer zivilgesellschaftlichen Organisation angestellt.

Rickert ist ein Wandler zwischen den Welten. Er verbindet den Homo oeconomicus und den Gutmenschen in einer Person. Und damit nicht genug: Mit seinem Engagement entwickelt er sich en passant vom Berater und Analysten zum Macher.

Der gebürtige Sauerländer engagierte sich nicht schon immer für die soziale Seite der Gesellschaft. Der in Stanford promovierte Molekularbiologe startet seine Karriere bei McKinsey. Vier Jahre lang berät er Firmen und Organisationen aus der Gesundheits- und Pharmabranche.

Rickert ist gerne Berater, doch gleichzeitig will er mehr für die Gesellschaft tun. Er wechselt 2007 zur Bertelsmann Stiftung. Doch auch dort findet er nicht das, was er sucht. Im Gegenteil: Als Direktor erlebt er dort auch das weitverbreitete „Philanthropietainment“, wie er es nennt.

Er lernt Mäzene kennen, die sich in ihrer Freigiebigkeit sonnen, ohne sich zu fragen, was ihr Geld wirklich bewirkt. Und er wundert sich über Gutmenschen und ihre Institutionen, die nicht strategisch agieren, sondern mal hier und mal dort helfen.

Nach einer kurzen Station bei der Weltbank in Washington D.C. ist er im Jahr 2010 dann bereit: für die Gründung von Phineo. Mit der gemeinnützigen Beratungs- und Analysegesellschaft will er die sogenannte „Weltverbesserungsbranche“ aus Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen, karitativen Einrichtungen und reichen Gönnern effizienter und transparenter machen. Und das gelingt ihm.

Ein Mensch und Macher

Rickerts Phineo AG beschäftigt inzwischen rund 70 Mitarbeiter. Sie bringt kostenlose Aufklärungsschriften heraus, wie das „Kursbuch Wirkung“, das zum Bestseller der Branche wird. Sie etabliert das „Wirkt!“-Siegel, das zu einer Art Stiftung Warentest für zivilgesellschaftliche Institutionen wird. Und er selbst wird beiläufig zum ersten Lobbyisten der Branche.

„Andreas Rickert und seine Phineo sind die professionelle Schnittstelle zwischen Geldgebern und gemeinnützigen Institutionen. Ich schätze ihn als Mensch und Macher“, sagt der Sozialunternehmer Andreas Heinecke, der das Dialoghaus in Hamburg betreibt.

Rickert kann dabei laut (auf der Bühne) und leise (im Hintergrund) agieren. Getragen wird Phineo etwa seit zehn Jahren von zehn stillen Anteilseignern, unter anderem der Bertelsmann Stiftung, der Deutschen Börse, KPMG und dem Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft. Ihren Sitz hat die gemeinnützige Gesellschaft jedoch nicht in einem dunklen Parterre in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg, sondern in den obersten beiden Stockwerken des repräsentativen „SpreePalais“ in Berlin-Mitte.

Bei seinem Engagement genießt Rickert das Vertrauen und die Unterstützung einiger prominenter Geber. Dazu gehört an erster Stelle Brigitte Mohn. Die Bertelsmann-Erbin, die ihn aus seiner Zeit als Direktor der Bertelsmann Stiftung kennt, ist Mitgründerin der Phineo AG und bis heute stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats.

Seine weltliche Absolution erhält Rickert 2016: In diesem Jahr überträgt Susanne Klatten, BMW-Erbin, Investorin und Deutschlands reichste Frau, ihm und seiner Phineo AG eine 100-Millionen-Euro-Spende zur zivilgesellschaftlichen Anlage. Ihre „SKala“-Initiative unterstützt seitdem soziale Projekte, die etwa Inklusion und Teilhabe nachweislich fördern.

Sein jüngster Coup: 2019 ersann er gemeinsam mit der Stifterin Ise Bosch aus der Automobilzulieferer-Dynastie die Initiative „VertrauenMachtWirkung“. Sie setzt sich für eine Professionalisierung der Stifterlandschaft ein. Es ist ein Projekt so ganz in seinem Sinne. Doch Rickert kennt seine Grenzen. Für die Verteilung der Corona-bedingten Hilfsfondsgelder will er nun einen Expertenbeirat etablieren.

Seine Begründung: Für die Auswahl der Begünstigten müssten klare Kriterien gelten. Es würden nur zivilgesellschaftliche Institutionen gefördert, die ausschließlich durch die Coronakrise in finanzielle Not geraten seien (und nicht etwa durch Missmanagement) und die nachweislich wirksame Arbeit für die Gesellschaft leisteten. Doch bliebe es am Ende bei aller Analyse und allem zu erwartenden Andrang immer noch eine normative Entscheidung, so Rickert. Und das sei nicht allein seine.
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