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Handelsgespräche stocken: Spannungen zwischen EU und China könnten größer werden

Interne Dokumente zeigen, dass Brüssel und Peking sich einer Übereinkunft kaum annähern. Die Bundesregierung dringt auf eine härtere Linie.

 Foto: dpa
Foto: dpa

Es soll ein historischer Gipfel werden, der erste dieser Art: Die Staats- und Regierungschefs aller EU-Staaten und Chinas Präsidenten Xi Jinping will Angela Merkel am 14. September 2020 in Leipzig an einen Tisch bringen, das Treffen soll die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte krönen. Dort, so wünscht es sich die Kanzlerin, sollen beide Seiten ein Investitionsabkommen unterzeichnen, das Chinas Riesenmarkt weiter für Europas Unternehmen öffnet.

Derzeit deutet aber wenig darauf hin, dass Peking ihr diesen Wunsch erfüllen wird. Weder bei den Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen noch der WTO-Reform habe es Fortschritte gegeben, da China sich nicht bewegt habe, heißt es in einem vertraulichen Bericht des deutschen EU-Botschafters in Brüssel, der dem Handelsblatt vorliegt. Die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission hätten sich bei einer Sitzung der EU-Botschafter „enttäuscht“ gezeigt über die bisherige Umsetzung der Vereinbarungen des jüngsten EU-China-Gipfels im vergangenen April.

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Bei dem Treffen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk mit Chinas Premier Li Keqiang hatten beide Seiten vereinbart, die seit 2013 laufenden Verhandlungen über das Investitionsabkommen im kommenden Jahr abschließen zu wollen. Noch 2019 sollten die dafür nötigen „entscheidenden Fortschritte“ gemacht werden, heißt es in der gemeinsamen Abschlusserklärung. Nun gelte es, das Vereinbarte auch umzusetzen, um ausgeglichene Bedingungen für Handel und Investitionen herzustellen, mahnte Juncker anschließend.

Seither ist aber nicht viel passiert. Zwar einigten sich die EU und China vor zwei Wochen auf ein begrenztes Abkommen, das jeweils 100 Agrarprodukte mit geografischer Herkunftsbezeichnung vor Nachahmung schützt. Beim eigentlichen Anliegen der Europäer, die chinesischen Märkte weiter zu öffnen und die eigenen Unternehmen vor diskriminierender Behandlung zu schützen, gibt es bislang aber kaum ein Entgegenkommen Pekings. Am Donnerstag werden auch die Handelsminister der EU-Staaten in Brüssel über das Thema beraten.

Bei einer vertraulichen Sitzung der EU-Botschafter Ende Oktober zogen sowohl die Kommission als auch die EU-Staaten eine ernüchternde Bilanz. Die Fortschritte seit dem Gipfel seien trotz der Bemühungen der EU „relativ bescheiden“, so die Kommissionsvertreterin, denn China „zeige nur begrenztes Engagement“. Die Verhandlungen zum Investitionsabkommen seien nicht so weit gekommen wie erhofft und „erforderten erhebliche technische Arbeit und politischen Druck, wenn sie im nächsten Jahr abgeschlossen werden sollten“, heißt es in dem Bericht weiter.

Auch die Botschafter aus Frankreich, Polen und den Niederlanden hätten sich kritisch geäußert. Der deutsche Vertreter Michael Clauß forderte, Peking müsse beim Investitionsabkommen ein deutlich verbessertes Angebot zum Marktzugang vorlegen – wobei sich die Frage stelle, „ob China diesbezüglich Ambitionen“ zeige. Ähnlich ernüchternd sei der Befund bei den Gesprächen mit Peking zur Reform der Welthandelsorganisation oder zum Abbau der enormen Stahlüberkapazitäten in China.

In Brüssel wird damit gerechnet, dass Peking im Dezember ein zweites schriftliches Angebot zum Marktzugang für Investoren vorlegt. Das erste aus dem Juli 2018 hatte die EU als völlig unzureichend abgelehnt. Dann werde sich zeigen, ob Peking wirklich bereit sei, seinen Markt etwa für Banken und Versicherungen aus der EU zu öffnen, sagt ein EU-Diplomat – die Signale bislang seien nicht sehr positiv.

Maas mahnt mehr Druck an

Der Vorsitzende der Chinadelegation des Europaparlaments, Reinhard Bütikofer, warnt, wenn das Angebot vorliege, „dürften viele der Illusionen verfliegen. Ohne den Druck zu erhöhen, wird die EU gar nichts erreichen gegenüber China“, sagt der Grünen-Politiker. In Brüssel macht sich der Eindruck breit, dass sich Peking gut eingerichtet hat im Handelskonflikt mit den USA und auch der EU keine großen Zugeständnisse machen will.

Auch der deutsche EU-Botschafter mahnte in der Sitzung, um zum Investitionsabkommen im kommenden Jahr Ergebnisse vorliegen zu haben, „müsse der Druck erhöht werden“. Genau das aber ist innerhalb der Bundesregierung umstritten. In der Chinapolitik verfolgen Kanzlerin Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) unterschiedliche Ansätze. Merkel ist weiter um Ausgleich bemüht. Dagegen gibt sich das Auswärtige Amt zunehmend konfliktbereit. Das zeigte schon das Gespräch von Maas mit dem Hongkong-Aktivisten Joshua Wong im September. Aktuell verdeutlicht es der Streit um die Beteiligung des chinesischen Tech-Konzerns Huawei am Aufbau des Mobilfunknetzes der fünften Generation.

Auffällig ist zudem, dass die klarste Reaktion auf die Enthüllungen der „New York Times“ über die Masseninternierung der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang nicht aus dem Kanzleramt kam, sondern von Petra Sigmund, der Leiterin der Asienabteilung des Außenministeriums: „Diese Dokumente zeigen deutlich, dass die internationale Gemeinschaft zu Recht gegen Chinas Politik in Xinjiang protestiert“, twitterte sie.

Aus der Koalition kommt die Forderung, dass Merkel klarer Stellung bezieht. „Unter Präsident Xi Jinping hat sich China grundlegend geändert“, sagt Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. „Es ist nach innen repressiver geworden, auch unter dem Einsatz moderner Technologien. Und es ist nach außen expansiver geworden.“ Das zeige sich gerade in Hongkong. Die Bundesregierung müsse mit der „klaren Aufforderung zur Zurückhaltung“ reagieren und brauche „eine neue Balance“ in der Chinapolitik, so der CDU-Politiker.

Für die SPD steht fest, dass das Regime in Peking als Systemrivale betrachtet werden muss. „China bleibt ein wichtiger Handelspartner, aber es ist eine Diktatur, und es versucht, seinen Einfluss weltweit auszudehnen“, sagt SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie. „Das erklärte Ziel Chinas ist es, bis Mitte des Jahrhunderts die führende Macht auf dem Globus zu sein.“

Im Bundestag reift die Erkenntnis, dass China nicht nur Waren und Dienstleistungen exportiert, sondern auch ein autoritäres, antidemokratisches Herrschaftsmodell. „Die politische Führung in Peking schickt sich an, die wirtschaftliche und technologische Alleinführerschaft zu erreichen“, mahnt Metin Hakverdi, China-Berichterstatter der SPD-Fraktion. „Wir brauchen jetzt in Deutschland und Europa eine breite Debatte über unser Verhältnis zu China, sodass wir daraus eine langfristige Chinastrategie entwickeln können.“

Besserer Schutz gegen unfaire Handelspraktiken

Die Industrie hält sich mit solch umfassenden Analysen zurück, fordert aber, dass die Bundesregierung in den laufenden Verhandlungen zum Investitionsschutz den Druck aufrechterhält. „Die europäische Wirtschaft sollte sich nicht mit einem schwachen Abkommen zufriedengeben, in dem Ungleichheiten institutionalisiert werden“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China. Vielmehr sollte sich die EU die Möglichkeit vorbehalten, bei einem schlechten Angebot die Gespräche zu beenden.

In Brüssel wird bereits an neuen handels- und industriepolitischen Instrumenten gearbeitet, die als Hebel gegenüber China dienen könnten. Er werde sicherstellen, dass sich Europa besser gegen unfaire Handelspraktiken schützen könne, kündigte der neue Handelskommissar Phil Hogan an. Ein neuer „Chief Trade Enforcement Officer“ soll dafür sorgen, dass die EU gegen Regelverstöße von Handelspartnern entschlossen vorgeht, notfalls auch ohne Segen der WTO. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager formuliert zudem schärfere Regeln für ausländische Unternehmen, die mit staatlicher Unterstützung nach Europa drängen.

Im Auswärtigen Amt werden ähnliche Pläne geschmiedet. Am Freitag wollen Diplomaten mit Beamten anderer Ministerien, Bundestagsvertretern und Experten zu einer Strategietagung zur „Handlungsfähigkeit Europas“ in der Villa Borsig am Tegeler See zusammenkommen.

Es geht um die Frage, welche Instrumente Europa braucht, um sich im neuen, von der Rivalität zwischen China und den USA geprägten geoökonomischen und geopolitischen Spannungsfeld zu behaupten“, sagt Sebastian Groth, Leiter des Planungsstabs des Auswärtigen Amts. Konkret wollen sich die Beamten mit dem Thema Industriepolitik befassen. Diese wird gerade in China seit Jahrzehnten praktiziert, ist bisher jedoch von der EU unbeantwortet geblieben.

Während sich die Europäer auf wachsende Spannungen mit China einstellen, wird in Peking weiter der Wille zur Zusammenarbeit mit Europa beteuert. Jiang Shixue, Vizedirektor des Instituts für Europäische Studien der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, glaubt, dass die Verhandlungen gut laufen und China ein Interesse daran hat, seine Zusammenarbeit mit Europa zu stärken. „Sowohl das amerikanisch-chinesische sowie das amerikanisch-europäische Verhältnis ist nicht mehr so gut wie früher“, sagt er. „Daher nimmt die europäisch-chinesische Zusammenarbeit eine immer größere Bedeutung an.“