Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 2 Stunden 41 Minuten
  • Nikkei 225

    38.247,97
    +173,99 (+0,46%)
     
  • Dow Jones 30

    39.387,76
    +331,36 (+0,85%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.325,20
    +1.056,71 (+1,85%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.352,24
    +52,14 (+4,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.346,26
    +43,46 (+0,27%)
     
  • S&P 500

    5.214,08
    +26,41 (+0,51%)
     

Finanzhilfen: Kommunen schlagen Alarm – doch Bund erteilt klare Absage

Die Kommunen drängen wegen des Lockdowns auch für 2021 auf Finanzhilfen des Bundes. Doch die Koalition erteilt den Forderungen eine klare Absage – selbst die SPD.

Noch bis Jahresende werden den Kommunen Ausfälle bei der Gewerbesteuer ersetzt. Foto: dpa
Noch bis Jahresende werden den Kommunen Ausfälle bei der Gewerbesteuer ersetzt. Foto: dpa

Stefanie Lübbers ist seit gerade einmal neun Monaten Kämmerin in Schlangen. Die 38-Jährige übernahm die Finanzen der nordrhein-westfälischen Gemeinde in einem soliden Zustand. Die Kommune im Kreis Lippe wollte 2020 die Haushaltssicherung nach knapp zehn Jahren endlich hinter sich lassen. Doch dann kam Corona.

Schlangen wird in diesem Jahr nun ein hohes Haushaltsdefizit einfahren. In der letzten Gemeinderatssitzung kündigte Lübbers kurzfristig eine Streichliste der Gemeindeverwaltung an. „Wenn wir jetzt nicht rechtzeitig handeln, droht uns erneut die Haushaltssicherung“, machte Lübbers deutlich. So wie Schlangen geht es derzeit vielen Kommunen. Sage und schreibe 15 Milliarden Euro Defizit fuhren die Städte und Gemeinden bis Ende September ein, zeigen neue Zahlen des Statistischen Bundesamts.

WERBUNG

Das Minus der Gemeinden wird zwar größtenteils aufgefangen. Bund und Länder ersetzen den Kommunen ihre Ausfälle bei der Gewerbesteuer, die dieses Jahr infolge der Coronakrise historisch stark eingebrochen ist, jeder übernimmt dabei eine Hälfte. Aber die Hilfen sind auf dieses Jahr begrenzt.

Die kommunalen Spitzenverbände schlagen deshalb Alarm. Auch 2021 und 2022 sei die Finanzlage der Städte „besorgniserregend“, warnt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. „Wir fordern deshalb Bund und Länder eindringlich auf, auch 2021 und 2022 Mittel für die Kommunen bereitzustellen.“ Konkret sollten sie in den beiden kommenden Jahren die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen weiterhin so ausgleichen wie im nun zu Ende gehenden Jahr.

Die gleiche Forderung erhebt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Gerade vor dem Hintergrund des neuerlichen Lockdowns „erwarten die Städte und Gemeinden ein zweites Hilfspaket, mit dem die Gewerbesteuerverluste, aber auch die Einkommensteuerverluste der Kommunen von Bund und Ländern ausgeglichen werden“, sagte Landsberg.

Unstrittig ist, dass eine gesunde Finanzausstattung der Gemeinden wichtig ist. Gerade jetzt bei der Pandemie-Bekämpfung spielen sie eine wichtige Rolle. Zudem sind Städte und Gemeinden der größte öffentliche Investor, nehmen also mehr Geld in die Hand als Bund oder Länder. Dennoch stoßen die Forderungen der Kommunen in Berlin auf Ablehnung. Laut Eckhardt Rehberg, Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, trage der Bund in der Coranakrise die mit Abstand größten finanziellen Lasten.

Während Länder und Kommunen das Einnahmeniveau von 2019 schon im nächsten Jahr wieder erreichen, sei das beim Bund erst 2023 der Fall. Rehberg sieht deshalb die Länder in der Pflicht: „Die Finanzverantwortung für die Kommunen liegt nach unserer föderalen Ordnung bei den Ländern.“

Auch die SPD, die sonst schneller als die Union dabei ist, Geld für Kommunen bereitzustellen, erteilt den Forderungen eine klare Absage. „Weitere Bundeshilfen für die Kommunen auch im Jahr 2021 stehen nicht zur Diskussion“, sagt Dennis Rohde, Chefhaushälter der SPD-Bundestagsfraktion.

Für eine abermalige Erstattung der Gewerbesteuer müsste das Grundgesetz ein zweites Mal geändert werden. Denn eigentlich ist es dem Bund untersagt, den Kommunen direkt finanziell zu helfen. „Dafür gibt es keine Mehrheit“, so Rohde. „Und davon abgesehen sehe ich weitere Bundeshilfen für die Kommunen auch nicht als bundespolitische Aufgabe“, sagte der SPD-Haushälter.

Wie Rehberg sieht auch er die Länder in der Pflicht. „Kommunen sind verfassungsrechtlicher Bestandteil der Länder“, so Rohde weiter. Für die Haushälter ist offenbar eine rote Linie erreicht. Tatsächlich geht es nicht allen Kommunen schlecht. „In etlichen Ländern haben die Kommunen ein dickes Polster gegen Rezessionen aufgebaut“, sagt Kommunalexperte Rene Geißler.

Reserven in Milliardenhöhe

So sind etwa ihre Rücklagen seit 2014 stetig gestiegen. Im Jahr 2019 lagen sie bei bundesweit 54 Milliarden Euro, ein Plus von über 50 Prozent in nur fünf Jahren. Die Reserven waren damit viermal höher als die Bund-Länder-Hilfen für die Gewerbesteuer in diesem Jahr.

Das Bild ist je nach Land unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen und dem Saarland, wo die Kommunen notorisch finanzschwach sind, war das Finanzpolster dünn – oder gar nicht vorhanden. In Brandenburg dagegen und im Süden Deutschlands haben die Gemeinden riesige Rücklagen aufgebaut, vor allem die steuerstarken Kommunen.

Auch wenn deren Gewerbesteuer nun in der Krise besonders stark fällt, hätten diese Städte und Gemeinden eigentlich einen Puffer. Das zeigen auch die kommunalen Investitionen, die gegenüber 2019 trotz der Krise in diesem Jahr leicht gestiegen sind.

„Man könnte somit über die Angemessenheit der Bundeshilfen für zumindest diesen Teil der Kommunen diskutieren“, sagt Geißler. Er hält die Unterstützung der Kommunen durch den Bund aber insgesamt für richtig. „Das Konjunkturpaket, in dessen Rahmen diese Hilfen verkündet wurden, hatte auch einen psychologischen Zweck.“ Es sollte Haushaltssicherheit schaffen, um Spardiskussionen zu vermeiden.

Der Ökonom Jens Südekum fordert, den Kommunen auch 2021 die Ausfälle bei der Gewerbesteuer zu kompensieren. „Viele Kommunen werden Sparhaushalte vorlegen, denn es sind noch weitere Einnahmen weggefallen. Der Ersatz kann das Schlimmste verhindern.“

Auch Kommunalexperte Geißler hält eine nochmalige Gewerbesteuererstattung für angemessen. „Es sollten aber ab 2021 zunehmend die Länder in Verantwortung genommen werden. Die können die Bedarfe besser überblicken und austarieren.“