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"Die deutsche Drogenpolitik ist gescheitert"

Koks, Speed, Hasch: Im vergangenen Jahr wurden mehr als zehn Tonnen Drogen beschlagnahmt. Der Ökonom Justus Haucap hält die deutsche Drogenpolitik für unsinnig – und fordert einen legalisierten Handel.

Herr Haucap, laut dem Drogen- und Suchtbericht 2017 sind die volkswirtschaftlichen Schäden durch Tabak und Alkohol ungefähr 120 Mal so hoch wie die Schäden durchs Kiffen. Ist es an der Zeit, auch Bier und Zigaretten zu verbieten?
Wenn man die wirtschaftlichen Schäden noch ein wenig höher treiben will, dann wäre das genau der richtige Ansatz. Wenn man die Schäden aber lieber begrenzen möchte, muss man genau den umgekehrten Weg gehen – und Cannabis legalisieren.

Aber wir sehen doch bei Alkohol und Zigaretten zu welchen Schäden das führt.
Die erste Frage bei solchen Zahlen ist doch, wie das berechnet worden ist. Zweitens steht den Schäden ja auch eine Wertschöpfung etwa bei Brauereien, Weingütern, Tabakproduzenten und Gastronomie gegenüber. Das ist ein volkswirtschaftlicher Gewinn. Und drittens ist der allergrößte Anteil des Alkoholkonsums ja auch völlig unproblematisch und bereitet den Leuten Freude. Ich finde, wir sollten den Leuten nicht jeden Spaß am Leben nehmen.

Noch mehr Freude hätten einige, wenn sie legal einen Joint rauchen dürften…
…und aus ökonomischer Sicht spricht auch alles für die Legalisierung. Natürlich: Kiffen ist nicht gesund. Aber die Leute kiffen doch auch jetzt – trotz Verbot. Man kann an jeder Ecke Gras kaufen, da muss man nur kurz Google befragen, wo man in welcher Stadt hingehen muss. Aber beim Dealer gibt es eben keinen Verbraucherschutz und kein Mindestalter. Außerdem hat der Dealer einen Anreiz, seinen Kunden auch die harten Drogen anzudrehen. Denn im Vergleich zu Koks oder MDMA wirft Cannabis recht wenig Marge ab.

Und das würde besser werden, wenn man Cannabis legalisiert?
Klar. Mein Weinhändler redet mir ja auch nicht ein, ich könne doch bei ihm gleich auch noch den Schwarzgebrannten von seinem Schwager kaufen.

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Wenn man ihr Argument weiterdenkt, müsste man auch härtere Drogen legalisieren.
Ja, das stimmt. Aber auch dagegen spricht ökonomisch gesehen nichts. Das Geschäft läuft ja auch illegal ab. Momentan profitieren davon zwei Gruppen: die organisierte Kriminalität, also die Mafia, und Terrororganisationen wie der IS. Durch das Verbot der Drogen unterstützt man also diese Gruppen. Sobald man die Substanzen aber legalisiert, bricht denen zumindest ein Teil ihrer Einnahmen weg.

Und dann gäbe es im Supermarkt neben der Dose Pils auch den Sechserpacken Joints, eine Dose Ecstasy-Pillen und ein Tütchen Koks?
Es müsste für die Drogen, sowohl für Cannabis als auch für die härteren, natürlich spezielle Läden geben. Gerade für härtere Drogen könnten die ruhig an Apotheken erinnern: nüchtern, mit Aufklärung und Hilfsangeboten für Suchtkranke. Und natürlich müssten solche Shops lizensiert werden. Auf der anderen Seite dürfte der Staat die Produkte nicht allzu teuer machen – denn dann gehen die Leute doch wieder zum Dealer.

Der Staat soll die Dealer mit Preisdumping für Drogen vom Markt fegen?
Nein! Aber natürlich herrscht auch in so einem Markt Wettbewerb. Die lizensierten Drogen könnten auch ruhig ein wenig teurer sein als die vom Schwarzmarkt. Ich glaube, die Konsumenten würden da schon einen Preisaufschlag zahlen, wenn Sie wüssten, dass sie ein geprüftes Produkt bekommen. Aber eine staatlich lizensierte Abgabe müsste trotzdem aufpassen, dass das eigene Angebot nicht total unattraktiv is. Man sieht ja bei Sportwetten, was dann passiert: Beim staatlichen Oddset werden gerade einmal fünf Prozent der Wette platziert, 95 Prozent des Geschäfts spielt sich im nicht lizensierten Bereich ab.


„Manche Dinge ändern sich schneller als man denkt“

Wie groß wäre der Gewinn für Deutschland?
Zu dieser Frage gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien. Wir haben Zahlen für die USA, die sich aber lediglich auf Cannabis beziehen. Dort kommen Schätzungen auf Mehreinnahmen und Kosteneinsparungen von etwa 13,7 Milliarden Dollar pro Jahr. In Deutschland lebt ein Viertel der US-Bevölkerung. Also wären das für Deutschland zwischen drei und vier Milliarden Euro pro Jahr, einmal durch die Steuereinnahmen und einmal durch eingesparte Gerichtskosten und Ermittlungsarbeit. Mit dem Geld könnte der Staat dann Präventionsarbeit bezahlen oder bessere Therapieangebote schaffen.

Gleichzeitig würde es mehr Konsumenten geben – und mehr gesundheitliche Folgekosten.
Das ist Unsinn. Es gibt keine Evidenz dafür, dass die Legalisierung von Drogen zu mehr Konsum führt. Schauen Sie sich Portugal an: Da sind weiche und harte Drogen seit Jahren entkriminalisiert – und die Zahlen der Konsumenten bleiben relativ stabil. Außerdem nimmt es den Drogen doch den Coolness-Faktor weg, wenn sie legal sind. Da kann keiner mehr prahlen. Ich glaube, an der Zahl der Konsumenten ändert sich durch die Entkriminalisierung fast gar nichts, zumal da Cannabis auch heute schon in jedem Park erhältlich ist.

Was könnte Deutschland aus Ländern, bei denen Drogen legalisiert wurden, lernen?
Vor allem, dass man eine Legalisierung flächendeckend durchführen muss. In der Schweiz oder in Holland hat es ja negative Erfahrungen mit Drogentourismus gegeben. Das lag vor allem daran, dass Drogen in den Nachbarländern weiterhin illegal waren. Etwas Ähnliches würde in Deutschland passieren, wenn bloß einzelne Städte oder Bundesländer Drogen legalisieren würden.

Sie und einige andere Ökonomen fordern die Legalisierung der Drogen ja schon eine ganze Weile. Trotzdem passiert da nichts. Kann es sein, dass die Bevölkerung einfach eine andere Meinung hat.
Ich würde sagen, es gibt bislang einfach keine starke Lobby für die Legalisierung von Drogen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn bislang darf damit ja auch niemand Geld verdienen. Dazu kommt aber auch unsere Bevölkerungsstruktur. Deutschland ist ein altes Land – und bei denen kommt so eine Forderung nicht gut an. Das könnte aber auf absehbare Zeit kippen, wenn zum Beispiel die alten 68er zu den Ältesten der Gesellschaft gehören. Die haben ja durchaus mal einen gekifft – und sind auch nicht alle heroinabhängig geworden.

Und die Politik?
Wie gesagt: Bislang kann man mit dem Thema noch keine Wahlen gewinnen – und deswegen sind die Parteien da zurückhaltend. Die Grünen, die FDP und die Linken haben aber durchaus ganz ähnliche Ansichten wie ich. Und auch in der SPD erkenne ich eine Mehrheit, die zumindest für die Legalisierung von Cannabis ist. In der CDU sind es – vielleicht zum Erstaunen von manchen Leuten – gerade die wirtschaftsnahen Politiker, die sich für eine Legalisierung aussprechen.

Trotzdem gibt es in Deutschland seit Jahren keine großen Bewegungen in der Drogenpolitik.
Leider! Denn die deutsche Drogenpolitik ist sicherlich keine Erfolgsgeschichte. Man versucht seit Jahren mit Repression zu gewinnen. Aber im Vergleich zu anderen Ländern schneidet Deutschland damit nicht gut ab. Im Großen und Ganzen ist die deutsche Drogenpolitik gescheitert.

Glauben Sie daran, dass sich in Deutschland in den nächsten zehn Jahren etwas an dieser Politik ändern wird?
Manche Dinge ändern sich schneller als man denkt. Das hat man zuletzt an der Ehe für alle gesehen. Von daher würde ich sagen: Warten wir einfach mal ab. Es ist ja oft so, dass Trends nach einer Weile von den USA aus zu uns schwappen. Und in den USA passiert in der Drogenpolitik seit einiger Zeit eine Menge. Ich persönlich glaube nicht, dass es in zehn Jahren noch illegal sein wird, im Park seinen Joint zu rauchen.

KONTEXT

Zur Person

Justus Haucap

Justus Haucap ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Dort ist er Gründungsdirektor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE). Bis 2012 war er Vorsitzender der Monopolkommission.