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Darf ich die AfD noch wählen?

Björn Höcke fordert, dass wir uns weniger an den Holocaust erinnern sollen. Das ist geschichtsvergessen. Obwohl Höcke Parteimitglied bleibt, wollen viele Menschen weiter die AfD wählen. Ist das noch legitim? Ein Essay.

„Ich wähle die AfD trotzdem“, sagt mein Bekannter und zieht damit die ganze Party in seinen Bann. Es ist ein Samstagabend, wir trinken Wein, haben Spaß, tanzen – und irgendwann reden wir über Politik. Natürlich über Bundespolitik, natürlich über die Flüchtlingsfrage. Mein Bekannter ist Mitte 20, hat in Weltmetropolen studiert. Viele würden ihn wohl als perfekten Schwiegersohn beschreiben, stets höflich, weltoffen und eloquent. Bislang hat er immer CDU oder FDP gewählt. Doch bei der Bundestagswahl am 24. September will er sein Kreuz bei der Alternative für Deutschland machen – weil er meint, dass die Kanzlerin mit ihrer liberalen Flüchtlingspolitik einen riesigen Fehler gemacht hat.

Geht das noch – AfD wählen – nach der Eskapade von AfD-Mann Björn Höcke, der kritisiert, dass sich Deutschland ein Holocaust-Mahnmal ins „Herz seiner Hauptstadt gepflanzt“ habe? Höcke verlangt eine „180-Grad-Kehrtwende“ der Geschichtspolitik. Er will keine Erinnerungskultur, in der wir uns den Sünden und millionenfachen Morden an Juden, Sinti und Roma und anderen Minderheiten zur Zeit des Nationalismus stellen. Höcke will vergessen und macht das zum politischen Programm. Manche in seiner Partei, darunter die Vorsitzende Frauke Petry, kritisieren Höcke zwar. Parteimitglied darf er aber bleiben.

Mein Bekannter, der lieber anonym bleiben will, meint: ja, eine solche Partei darf man weiterhin wählen. Nicht wegen Höcke, den hält er ebenfalls für rechtsradikal. Aber weil die Partei eben die einzige Alternative in der Flüchtlingsfrage sei. Da müsse man einen Höcke eben ertragen. Alle anderen etablierten Parteien lägen ja mit Merkel auf einer Linie.

Es geht um den Wunsch nach einem echten konservativen Korrektiv im Bundestag, das mein Bekannter in der Merkel'schen Rhetorik und auch sonst im Bundestag nicht findet. Der einzige renommierte Politiker, der öffentlich gegen Merkels Politik argumentiert, ist aus seiner Sicht Horst Seehofer. Der bayrische Ministerpräsident und die CSU stehen jedoch nur im Freistaat zur Wahl. Mein Bekannter wohnt nicht in Bayern. Würde er dort leben, die CSU hätte seine Stimme sicher.

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Und deswegen – so seine Argumentation – bleibt nur noch eine Alternative, die Alternative für Deutschland eben. Doch sind sich die potentiellen AfD-Wähler bewusst, wofür die AfD steht? Kennen sie das Parteiprogramm oder nur spitze, polemische Aussagen einzelner Gesichter? Und wird man seiner Rolle als verantwortungsvoller Wähler gerecht, wenn man eine Partei wegen eines einzelnen Aspekts wählt und mit einer vollen Wahlstimme auch die gesamte Macht in die Hand gibt? Rechtfertigt beispielsweise der Wunsch nach einer Obergrenze für Flüchtlinge gleichzeitig auch die Sympathie mit der Aussage, staatliche Gewalt gegen selbige müsse erwogen werden?

Mein Bekannter kennt das Parteiprogramm der AfD nicht. Das ist für ihn aber auch nicht wichtig. Es geht ihm um die Flüchtlingsfrage. Aber eine Partei, die nur aus Mangel an Alternativen gewählt werden will, kann einfach keine Lösung sein. Mir macht nicht Björn Höckes Rede Angst, sondern die Menschen, auch Freunde von mir, welche nach solchen Aussagen die AfD immer noch wählen möchten.

Solange in der AfD kein Geschichtsbewusstsein existiert und Höckes rechtsradikale Polemik billigend in Kauf genommen wird, darf man die AfD nicht wählen.

Und wenn die AfD ernst genommen werden möchte, sollte sie Björn Höcke vom politischen Parkett stoßen, anstatt mit Begriffen wie Lügenpresse um sich zu werfen.

KONTEXT

Die Sprüche der AfD

Immer wieder im Mittelpunkt

Ob Flüchtlingspolitik oder Fußball - mit markigen Sprüchen sorgen führende AfD-Politiker immer wieder für Kopfschütteln und Empörung, wie jetzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch. Einige Zitate.

Quelle: dpa

Flucht als Naturkatastrophe

„Das ist ungefähr so, als würden Sie mit Plastikeimern einen Tsunami stoppen wollen.“ (Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen am 24. Oktober 2015 bei einem Landesparteitag in Baden-Württemberg über die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise)

Nachhilfe in Rassenkunde

„Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp.“ (Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke am 21. November 2015 in einem Vortrag über Asylbewerber aus Afrika)

Der Flüchtling als Angreifer

„Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. (...) Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren.“ (Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch Ende Januar 2016 auf ihrer Facebook-Seite über Flüchtlinge)

Schießbefehl dringend erwünscht

„Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt.“ (Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in einem Interview des „Mannheimer Morgen“ vom 30. Januar 2016. Angesichts des Flüchtlingszustroms forderte sie im Notfall auch den Einsatz von Schusswaffen.)

Bitte abschotten

„Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.“ (Gauland am 24. Februar 2016 im Magazin der Wochenzeitung „Die Zeit“ über Flüchtlinge)

Unerwünschter Nachbar

„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ (Gauland in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 29. Mai 2016 über Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng)

Undeutsches Nationalteam

„Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne.“ (Der AfD-Bundesvize Alexander Gauland am 3. Juni 2016 im „Spiegel“)