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CSU verhandelt bereits über Seehofers Nachfolge – für beide Ämter

Ausgerechnet Bautzen. Jener Horst Seehofer, gebürtiger Ingolstädter, Oberbayer, Urlauber von Schamhaupten, hat seinen Rückzug vom Amt des Vorsitzenden der CSU nicht etwa in Berlin verkündet, wo er als Bundesinnenminister maßgeblich für das Erscheinungsbild der Regierung verantwortlich ist oder in München, wo er am Sonntag lange mit der Führung der CSU über seine Zukunft und die der Partei diskutiert hat.

Nein, der gelernte Verwaltungsinspektor entschied sich für die kleine Kreisstadt in Ostsachsen, wo er das Fahndungs- und Kompetenzzentrum der sächsischen Polizei besuchte. „Das Amt des Parteivorsitzenden wird niedergelegt. Das ist entschieden“, sagte er auf einer Pressekonferenz und fügte hinzu: „Das Amt des Bundesinnenministers ist von dieser Entscheidung in keiner Weise berührt.“

Wann er sich von der CSU-Spitze zurückziehen werde, wolle er „im Laufe der Woche“ mitteilen. Das sollte reichen. Doch gärt es weiter in der Partei, werden längst Fahrpläne erstellt, um nach der CDU auch in der CSU endgültig den Generationenwechsel einzuleiten.

Wochenlang hatte sich der 69-jährige Seehofer gegen seine Demission gesperrt, während CDU-Chefin Angela Merkel bereits vor zwei Wochen ihren Rückzug angekündigt hatte. Sie nahm das Debakel bei der Landtagswahl in Hessen zum Anlass, um dem Druck der Partei auszuweichen. Das alles geschah zwei Wochen nach der Wahl in Bayern.

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In Bautzen nun bestätigte Seehofer das, was er am Vorabend der engeren CSU-Führung in der Münchener Parteizentrale erklärt hatte: Er macht den Weg frei. Mit der schweren Niederlage bei der Landtagswahl in Bayern, wo die CSU mehr als deutlich ihre absolute Mehrheit verlor, soll all das nichts zu tun haben, wie er in Bautzen betont. Schließlich seien die Gründe vielfältig.

Deshalb auch, sagte er in der sächsischen Kleinstadt, werde er im Bund weiter Minister bleiben. Dabei hatten ihn seine Parteifreunde in der internen Runde des Vortags anders verstanden. Seitdem aber gab es aus Seehofers Sicht zu viele Indiskretionen, die es dem CSU-Schlachtross unmöglich machten, „selbstbestimmt“ zum Rückzug zu blasen.

Dies aber reklamiert er für sich, weshalb Seehofer sich in Bautzen erklärte. Einer wie er will einer Merkel nach all den Streitereien der vergangenen Jahre in nichts nachstehen, so scheint es. Am Sonntag hatte sich die Parteiführung mit den mächtigen Bezirksvorsitzenden in der Münchener Parteizentrale getroffen, um über die Kandidatenlisten für die Europawahl zu reden.

Dann aber kam die Runde zu Tagesordnungspunkt 2: Wahlanalyse. Seehofer habe als Erster das Wort ergriffen und gesagt: „2019 wird das Jahr der Erneuerung für die CSU.“ Er werde dem nicht im Wege stehen und sein Amt als Parteichef „binnen Wochen“ zur Verfügung stellen, „nicht binnen Monaten“.

Noch vor den „Durchwahlen der CSU-Kreisvorstände“, habe Seehofer in Aussicht gestellt, solle auf einem außerordentlichen Parteitag der Nachfolger bestimmt werden, zitieren ihn mehrere Teilnehmer. Die parteiinternen Gremienwahlen werden frühestens Mitte Februar beginnen. Seehofer ist offiziell bis zum ordentlichen Parteitag im September 2019 gewählt.

Alle aber wissen und trugen es auch in der Runde vor: Der Wunsch nach Erneuerung an der Parteibasis ist groß. So wurde auch der Wunsch nach einem konkreten Termin für Seehofers Rückzug in der Runde eingefordert. Doch das sei nicht leicht, wie es in der CSU hieß. Vor Weihnachten sei ein Parteitag organisatorisch wenig realistisch, wenn auch der Wunsch nach einer schnellen Veränderung an der Parteispitze groß sei.

Anfang des Jahres dann werde sich zunächst die CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon treffen, danach gehe die Landtagsfraktion in Klausur. Es folgen etliche Neujahrsempfänge. „Ende Januar, Anfang Februar“ müsse die Wahl dann stattfinden, weil ansonsten die Durchwahlen erfolgen und Anfang März der politische Aschermittwoch und die Faschingsferien keinen Platz mehr ließen.

Die inhaltliche Aufarbeitung der vergangenen Niederlagen (Landtagswahl: minus 10,5 Prozent; Bundestagswahl 2017: minus 10,8; Europawahl 2014: minus 7,6) hingegen solle in einem anderen „Format“ erfolgen. „Ein Parteitag ist ungeeignet, um zu erklären, was schiefgelaufen ist“, hieß es in der CSU-Führung.

Söder soll die Partei führen

Für das Amt des CSU-Chefs gibt es noch zwei Kandidaten: Markus Söder als Ministerpräsident und Manfred Weber, der vergangene Woche erst von der Europäischen Volkspartei mit überwältigender Mehrheit von 80 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten der Konservativen bei der Europawahl nominiert wurde und sich anschickt, im Falle eines Wahlsiegs das Amt des Kommissionspräsidenten zu übernehmen.

Der 51-jährige Söder gilt unter den Funktionären als Favorit, der 46-jährige Weber habe als ausgleichender und ruhiger Moderator an der Parteibasis viele Unterstützer. Seine Karriereziele in Brüssel hingegen bremsen seine parteiinternen Ambitionen: So gibt es einen ungeschriebenen Kodex in Brüssel, wonach ein Kommissionspräsident keine hohen Parteiämter innehat.

Zwar werde das Amt seit Jean-Claude Juncker politisch ausgefüllt und nicht in Form eines obersten Beamten. Aber es sei schwer vorzustellen, dass ein Kommissionspräsident als CSU-Chef an den Koalitionsausschusssitzungen in Berlin teilnimmt und in die innenpolitischen Niederungen eintaucht. „Wir sollten eine Kampfkandidatur in diesen Zeiten vermeiden“, hieß es zudem in der Parteispitze.

Melde Söder offiziell seine Kandidatur als Parteichef an, dann sei es nur gut und richtig, wenn Weber verzichte. Ziel sei es, den Parteitag „ordentlich über die Bühne“ zu bringen. Was bedeutet es, wenn Seehofer nicht mehr Parteivorsitzender ist? „Es ist eine logische Konsequenz, dass mit dem Rückzug von der Parteispitze auch das Amt des Bundesinnenministers frei wird“, heißt es in der engeren Parteiführung.

Dies gelte umso mehr, wenn Seehofers Intimfeind Söder die Führung der Partei übernehme und entsprechend in Berlin präsent sein müsse. Da passt es, dass Seehofers Ankündigung aus Bautzen in den Tag der Vereidigung des neuen bayerischen Kabinetts platzte.

Mit seiner neuen Regierungsmannschaft will Ministerpräsident Söder „eine Balance aus Stabilität und kein einfaches Weiter-so“ schaffen. Daher hat er seine Ministerriege verjüngt und etwa das Amt des Bau- und Verkehrsministers dem Chef der Jungen Union, Hans Reichart, anvertraut.

Zugleich setzt Söder weiter auf Joachim Herrmann als Innenminister. Diese Personalie ist umso bedeutender, als sie Gerüchte der letzten Wochen bestätigte, wonach Herrmann keine Ambitionen mehr hege, nach Berlin zu wechseln. Dort war er eigentlich nach der Bundestagswahl vorgesehen gewesen, musste aber Seehofer weichen. Er wolle sich nicht mehr herumschubsen lassen, wurde er zuletzt zitiert.

Was wie eine Rückversicherung Seehofers scheint, ist längst keine mehr. Nicht nur die Opposition kritisiert sein Ansinnen, Innenminister im Bund zu bleiben. So bezeichnete ihn SPD-Vize Ralf Stegner als „Störenfried“ der Koalition.

FDP-Chef Christian Lindner forderte Seehofer auf, „in einem zweiten Schritt“ auch das Regierungsamt aufzugeben, damit sich der „Erneuerungsprozess fortsetzen“ könne. Und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte: „Jeder Tag, den Horst Seehofer weiter Innenminister bleibt, ist ein Tag zu viel.“

Kandidaten fürs Ministeramt

Längst plant die Parteiführung die Zeit danach, um die Koalition mit der SPD wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Dazu gibt es zwei Denkschulen: Die einen sagen, Seehofer bleibe noch bis zur Europawahl Minister – in der Hoffnung, dass Spitzenkandidat Manfred Weber ohne neuerliche Unruhen aus dem Berliner Regierungsviertel erfolgreich seinen Wahlkampf gegen die Rechtspopulisten führen kann.

Die anderen rechnen nicht damit, dass Seehofer sich ohne den Parteivorsitz als Machtbasis lange in Berlin wird halten können. „Ruckizucki“ werde es dann gehen, wie es hieß. Mögliche Kandidaten als Nachfolger im gewichtigen Amt des Innenministers werden auch schon genannt.

Da ist zum einen Stephan Mayer, langjähriger Innenpolitiker der CSU im Bundestag und seit März Seehofers parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium. Der 44-jährige Jurist vertritt Seehofer regelmäßig in Brüssel und sei bestens in den Themen vertraut, wie es hieß. Als zweite Option wird Andrea Lindholz genannt. Die 48-jährige Juristin leitet den Innenausschuss.

Mit ihr könnte die CSU im Kabinett weiblicher werden. Doch fehlt ihr wie Mayer die Regierungserfahrung. Regierungserfahrung weisen indes andere Kandidaten auf: etwa Alexander Dobrindt, in der letzten Wahlperiode Bundesverkehrsminister und seither Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Der 48-jährige Soziologe gilt als Unterstützer Seehofers und hängt an seinem jetzigen Amt.

Neben der mangelnden juristischen Expertise war er allerdings maßgeblich für den harschen Diskussionsstil der CSU in den vergangenen Monaten verantwortlich, wegen derer die CSU massiv Stimmen verloren und Misstrauen in der Berliner Koalition gesät hat. Bleibt noch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.

Wie es in der Partei heißt, wäre der 44-Jährige bereits im Sommer fast neuer Innenminister geworden, in jener Mammutsitzung in der CSU-Zentrale in München, bei der Seehofer seinen Rücktritt angeboten hatte. Es geschah in der Hochphase der Krise mit der CDU angesichts des Streits um die Zurückweisung von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze.

Damals konnte Seehofer noch einmal von einem Rücktritt abgebracht werden, nun aber könne es auf den Niederbayer Scheuer hinauslaufen, der als Passauer die Flüchtlingskrise und ihre Folgen hautnah miterlebt hat. Zudem stammt er aus dem ländlichen Raum und hat sich als CSU-Generalsekretär mit den Fragen rund um Heimat und Migration beschäftigt.

Als Staatssekretär im Verkehrsministerium unter Peter Ramsauer hat er bis 2013 auch Erfahrungen in der Wohnungsbaupolitik gesammelt. Für Scheuer ist auch bereits eine Nachfolgerin im Gespräch: Dorothee Bär könnte ihm folgen. Die 40-jährige Politikwissenschaftlerin fristet derzeit im Kanzleramt als Staatsministerin für Digitales ihr Dasein, da die Federführung bei Kanzleramtschef Helge Braun liegt.

Sie war ebenfalls wie Scheuer bereits Staatssekretärin im Verkehrsministerium (unter Dobrindt) und hätte nach der Bundestagswahl bereits gerne ein Ministeramt übernommen.