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Der Corona-Umgang von Touristenorten wie Ischgl hat ein Nachspiel

Kanzler Kurz will Wirte in der Krise unterstützen. Der Schaden für Österreich wird hingegen immer größer: Betroffene aus 45 Ländern haben sich für eine Sammelklage gemeldet.

Österreich drängt auf eine schnelle Grenzöffnung zu Deutschland, um eine Pleitewelle in der Tourismuswirtschaft zu verhindern. „Deutschland ist am allerwichtigsten“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag. „Unser Ziel ist, dass die Grenze zu Deutschland wieder aufgeht.“

Bereits am Mittwoch und Donnerstag wird der Regierungschef in die an Deutschland angrenzenden Bundesländer Tirol und Vorarlberg reisen. Die Dienstreise in die Ferienregionen ist Kurz’ erste seit der Verhängung der Beschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus im März. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte zuletzt eine Verlängerung der deutschen Grenzkontrollen bis 15. Mai durchgesetzt.

Am Montag hat die Regierung in Wien ein neues 500 Millionen Euro großes Hilfspaket zur Rettung der Wirtshäuser präsentiert. „Die Gastronomie ist Teil der österreichischen Seele“, sagte Kurz. Das „Wirtshauspaket“, wie der Kanzler es nannte, wird bereits ab 1. Juli gültig sein.

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Um den Gasthäusern und Kaffeehäusern schnell zu helfen, wird die Mehrwertsteuer für nicht-alkoholische Getränke von 20 auf zehn Prozent gesenkt. Laut Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) werde das 200 Millionen Euro kosten. Die Sektsteuer wird abgeschafft.

Die Steuersenkungen sollen nach dem Willen der Regierung nicht an Einheimische und Touristen weitergegeben werden, sondern den Betrieben zu Gute kommen. Außerdem wird es weitere steuerliche Erleichterungen wie steuerfreie Essensgutscheine bis acht Euro geben. „Das Wirtshauspaket dient dazu, die Stimmung zu drehen“, sagte Harald Mahrer (ÖVP), Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und früherer Wirtschaftsminister.

Es gelte, die Arbeitsplätze zu sichern. In Österreich gibt es 41.000 gastronomische Betriebe mit 145.000 Mitarbeitern. Knapp 16 Prozent seines Bruttosozialprodukts erwirtschaftet das Land im Tourismus.

65 Prozent der Betroffenen sind Deutsche

Unterdessen kann der angebliche fahrlässige Umgang und die mangelnde Kontrolle durch die österreichischen Behörden in den Skiorten in Tirol für Österreich ein Nachspiel haben. Beim Verbraucherschutzverein in Wien haben sich mittlerweile knapp 5400 Betroffene aus 45 Länder registrieren lassen.

Die Touristen stammen aus Staaten aller Erdteile: von Australien über Singapur und Simbabwe bis nach Brasilien und den USA. Die deutschen Touristen bilden mit 65 Prozent die mit Abstand größte Gruppe.

Das geht aus einer Erhebung hervor, die der Verbraucherschutzverein dem Handelsblatt am Montag in Wien übermittelt hat. Insgesamt seien 25 Skitouristen in Folge der Pandemie gestorben. Die Tiroler Skiorte wie Ischgl und St. Anton am Arlberg hatten als „Virenschleudern“ weltweit Schlagzeilen gemacht.

Der Verbraucherschutzverein in Wien bereitet derzeit eine Schadenersatzklage gegen die Republik Österreich vor. „Die Sammelklage wird mit Hilfe von Prozessfinanzierern im Herbst eingereicht werden“, sagte Peter Kolba, Vorsitzender des Verbraucherschutzvereins. „Bei unseren Sammelklagen sind vor allem Betroffene beteiligt, die über keine Rechtsschutzversicherung verfügen.“

Bei der Klage gegen Österreich geht Kolba von einer Schadenersatzsumme von mindestens fünf Millionen Euro aus. Betroffenen mit einer Rechtsschutzversicherung, darunter sind vor allem viele Skitouristen aus Deutschland, rät der promovierte Jurist hingegen zu einer Einzelklage noch bis Ende Juni.

Eine Katastrophe für die österreichische Tourismusbranche

Kanzler Kurz lehnte eine Entschuldigung für die Infektion von Tausenden von Touristen mit dem Coronavirus in Ischgl und anderen österreichischen Ferienorten zuletzt ab. „Ich würde niemals von den Italienern eine Entschuldigung einfordern, dafür dass italienische Gäste in österreichische Skiorte das Virus eingeschleppt haben, weil sie das sicher nicht absichtlich gemacht haben“, sagte der 33-Jährige. Es sei „falsch so zu tun, als gebe es einen einzigen Ort, der weltweit für die Pandemie verantwortlich ist“, sagte der Kanzler am Freitag. Man solle vorsichtig bei der Suche nach Schuldigen sein.

Für die österreichische Tourismuswirtschaft ist die Verbreitung des Coronavirus in Ischgl eine Katastrophe. Denn der Ruf der Alpenrepublik als Ferienregion, in der die Gesundheit vor der Gewinnmaximierung kommt, hat durch die Vorkommnisse in Ischgl und anderen Tourismusdestinationen in Tirol und Vorarlberg schweren Schaden genommen.

Der Verbraucherschutzverein nennt die Orte Ischgl, Paznauntal, St. Anton, Sölden und Zillertal. Der Tourismusverband Paznauntal forderte von den Anwälten des Verbrauchschutzvereins, deren Vorsitzenden Kolba zu mäßigen. Dieser Bitte kam der seit Jahrzehnten erprobte Verbraucherschützer aber bislang nicht nach.

Unterdessen gehen die Ermittlungen weiter. Der Staatsanwaltschaft Innsbruck liegt bereits ein rund tausend Seiten dicker Zwischenbericht der Polizei vor. Nach dessen Lektüre will die Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in Tirol entscheiden.

Die Verbraucherschützer misstrauen der Innsbrucker Staatsanwaltschaft auf Grund der traditionell engen Verquickungen in dem überschaubaren Bundesland. „Wir werden uns den Bericht sehr genau anschauen. Dann entscheiden wir, ob wir einen Antrag stellen, das Verfahren an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien zu überstellen“, sagte Kolba. Der Verbraucherschutzverein hatte bereits Ende März Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck gestellt.

Der Strafantrag richtet sich gegen Tirol mit seinem Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), dem Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP), dem Bürgermeister von Ischgl Werner Kurz (ÖVP) aber auch gegen Seilbahnunternehmen wie die Silvretta-Seilbahn in Ischgl oder die Betreiberin der Bar „Kitzloch“.

Für Bars wie das zu trauriger Berühmtheit gekommene „Kitzloch“ in Ischgl oder Discotheken gibt es bei der Lockerung der Corona-Beschränkung unterdessen noch keine Lösung. „Für die Nachtgastronomie müssen wir andere Konzepte entwickeln“, sagte Kurz. „Da brauchen wir spezielle Regelungen.“

Genaue Angaben machte der Kanzler am Montag nicht. Kurz, der im Januar nach der „Ibiza-Affäre“ in der Koalition mit den Grünen zum zweiten Mal Kanzler geworden ist, appellierte eindringlich an die Österreicher: „Konsumieren und kaufen Sie möglichst regional und konsumieren Sie in österreichischen Wirtshäusern.“