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Chefin des Champagnerhauses Taittinger kämpft gegen die Krise – und mächtige Männer

Vom Werbegesicht zur Chefin: In der turbulenten Zeit der Lockdowns muss die Urenkelin des Gründers das Traditionshaus in die digitale Zukunft führen.

Gerade zwischen zwei Lockdowns in Frankreich hat Vitalie Taittinger es geschafft, ihren neuen Champagner Comtes de Champagne, Grands Crus Blanc de Blancs von 2008 vorzustellen. Im Pariser Luxushotel Bristol kommen alle Gäste mit Masken, der Steh-Cocktail fällt aus. Die Sitze an den Tischen liegen weit auseinander. Drei-Sterne-Koch Éric Frechon serviert das Menu: Langustinen, Kaviar, Seezunge mit Pfifferlingen, Poularde mit Flusskrebsen. Alles abgestimmt auf Champagner.

Der 41-jährigen Präsidentin des Champagnerhauses ist die Erleichterung anzusehen, sie schwärmt mit einem strahlenden Lächeln, es sei „ein Moment der Freunde, das erste große Ereignis seit langer Zeit“. Eigentlich wollte sie den Champagner schon im März herausbringen, nun wurde es September. Für Vitalie, die erst Anfang Januar 2020 die Leitung des 1932 gegründeten Familienunternehmens Taittinger von ihrem Vater Pierre-Emmanuel übernahm, war es eine harte Zeit.

Sie ist die Urenkelin des Gründers Pierre Taittinger und arbeitet schon seit 2007 mit im Geschäft, bisher war sie das schöne Werbegesicht der Marke und prägte das Marketing. Vorher hat sie in Lyon Kunst studiert und lange im Kunst- und Grafikbereich gearbeitet.

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Einige Zeit nach dem Glamour-Mittagessen ist in Frankreich wieder Lockdown, das Interview mit dem Handelsblatt kann nur noch online stattfinden. Vitalie Taittinger sitzt in ihrem Büro in Reims, dem Sitz des Hauses, vor dem Computer und zehrt noch von der Erinnerung an die Champagnervorstellung.

Nicht jedes Jahr wird ein Comtes de Champagne Blanc de Blancs aus hellen Chardonnay-Trauben vorgestellt, nur in den Jahren, in denen die beste Qualität gegeben ist, genug Säure, Ausgeglichenheit und Reife vorhanden sind.

Die Coronakrise hat Taittinger, wie allen Häusern in der Champagne heftig zugesetzt. „Die Restaurants sind zu, die Leute können den Champagner bei uns nicht mehr testen“, sagt Taittinger.

„Das war sicherlich das schwierigste Jahr“, betont sie. Aber sie sieht auch eine positive Seite: „So ging der Übergang leichter.“ Sie war gleich mitten drin im Geschäft und beschäftigte sich intensiv mit der Zukunft ihrer Branche.

Umsatzeinbruch von 30 Prozent

Und sie hat gesehen, wie wichtig der Familienkreis ist. Insgesamt 250 Personen arbeiten für Taittinger in Reims, Vitalies älterer Bruder Clovis steht ihr als Generaldirektor zur Seite und führt das operative Geschäft. Ihr Vater, mit 66 Jahren zurückgetreten, ist weiter Ehrenpräsident.

Die Familie hat immer noch die Kontrolle über das Unternehmen, in einer Branche, in der die meisten Champagnerhäuser zu großen Gruppen gehören. Die Partner des Hauses sind schon lange dabei, wollen aber im Hintergrund bleiben.

Taittinger hat 288 Hektar Weinstöcke, die etwa 40 Prozent der Produktion decken. Im Jahr 2019 wurden rund 150 Millionen Euro Umsatz gemacht. Vitalie Taittinger schätzt: „Die Coronakrise wird in diesem Jahr vermutlich zu einem Umsatzeinbruch von etwa 30 Prozent bei uns führen. Das ist fast überall in der Champagne ähnlich.“ Das hängt natürlich auch davon ab, wie es mit dem Lockdown weitergeht.

Zwischen den beiden Lockdowns zog das Geschäft wieder kräftig an. Waren es zuletzt rund 6,5 Millionen verkaufte Flaschen im Jahr, könnte es auch hier zu einem Rückgang von etwa 30 Prozent kommen. Alle wichtigen Märkte von Taittinger sind betroffen, rund 30 Prozent des Geschäftes entfallen auf Frankreich, an zweiter Stelle steht Großbritannien, gefolgt von Deutschland und den USA. Das Weihnachts- und Silvestergeschäft hat schon begonnen, die Bestellungen von Weinhändlern sind kleiner als sonst, aber dafür häufiger.

Sie glaubt, dass die Coronakrise eine Entwicklung beschleunigt, die schon längst fällig ist. „Der Vertrieb muss besser angepasst werden.“ In Zeiten, in denen man die Kunden in Weinläden oder Restaurants nicht mehr selbst trifft, muss man digital effizienter werden, sagt sie. „Wir müssen die Verbraucher besser ansprechen. Für die Zukunft ist das ohnehin von noch größerer Bedeutung.“

Die junge Generation sei daran gewöhnt, online zu kommunizieren. Deshalb müsse man auch vor allem in den Bereichen stärker werden, die die Jugend interessiert. Taittinger arbeitet gerade an einem neuen Digitalplan, bisher gibt es aber noch keine Details dazu.

Von Corona wurde Vitalie Taittinger kurz nach ihrem Amtsantritt überrascht. Auf eine andere Entwicklung war das Haus dagegen schon länger vorbereitet. „Der Brexit ist weniger ein Thema für uns.“ Denn Taittinger ist in Großbritannien sehr aktiv und hat dort Rekordjahre hinter sich. Der Vertrieb sei bestens organisiert.

Eigene Domäne in England

Außerdem hat Taittinger, um seine Stellung dort zu stärken, im Jahr 2015 die Domäne Evremond für „Sparkling Wine“ in Kent mit rund 60 Hektar gekauft. 40 Hektar werden schon genutzt, gerade gab es die erste Ernte. Für 2024 oder 2025 wird dort der erste Sekt von Taittinger erwartet.

Das Traditionshaus erlebt nicht zum ersten Mal turbulente Zeiten. Im Jahr 2005 entschieden sich 45 Mitglieder der Familie, das Geschäft, zu dem nicht nur Champagner, sondern auch Hotels gehörten, darunter das Luxushotel Crillon in Paris sowie das Martinez in Cannes, an den amerikanischen Fonds Starwood zu verkaufen. Dieser war aber am Champagner nicht interessiert.

Deshalb übernahm Pierre Emmanuel Taittinger das Haus 2007 in Eigenregie. Er hatte mächtige Konkurrenten, auch das Luxusimperium LVMH von Bernard Arnault hatte darauf ein Auge geworfen. Er siegte gegen den mächtigen Arnault, dem unter anderem Champagner Moët & Chandon gehört.

Für Vitalie Taittinger, Mutter von drei Kindern, war 2020 ein wichtiges Jahr. Die blonde Champagnerprinzessin ist vom Werbegesicht zur Chefin gewachsen. Werbung wird nun mit der ganzen Familie und den Mitarbeitern gemacht. Glamouröse Starwerbung passt nicht zum Image des Hauses. „Qualität geht über alles“ lautet stattdessen das Motto.

Taittinger, eine der wenigen Frauen in der Champagne, die ein großes Haus leiten, denkt stattdessen mehr über die Zukunft der Champagne nach. Neun Frauen, die in der Champagne leitende Posten haben, haben sich vor über zwei Jahren in der Gruppe „Transmission“ zusammengeschlossen, auf Anregung von Margareth Henriquez, die das Champagnerhaus Krug leitet, das zu der Luxusgruppe LVMH gehört und Anne Malassagne, Erbin und Chefin des Champagnerhauses AR Lenoble.

„Wir denken über die Zukunft der Champagne nach, über eine neue Vision, was wir der nächsten Generation hinterlassen wollen“, erklärt Taittinger. Dabei geht es vor allem um die umweltfreundliche Nutzung des Landes. Der Boden ist das wichtigste Gut. Warum eine Frauengruppe? In der Champagne hatten Frauen es nicht immer leicht, auch wenn es einige berühmte Chefinnen gab. Doch Vitalie Taittinger sagt überzeugt: „Frauen können Feinfühligkeit, aber auch Pragmatismus beitragen.“