Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 1 Stunde 43 Minute
  • Nikkei 225

    38.409,13
    +53,07 (+0,14%)
     
  • Dow Jones 30

    39.558,11
    +126,60 (+0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    57.284,76
    -474,95 (-0,82%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.273,29
    -18,10 (-1,40%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.511,18
    +122,94 (+0,75%)
     
  • S&P 500

    5.246,68
    +25,26 (+0,48%)
     

Bluttest-Schwindel: So landete diese Star-Unternehmerin im Gefängnis

Elizabeth Holmes: Vom Silicon Valley ins Gefängnis

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Elizabeth Holmes war einst ein gefeierter Star im Silicon Valley. Doch dann geriet die einstige Unternehmerin mit dem Bluttest-Schwindel ihrer Firma Theranos in die Schlagzeilen. Ende 2022 wurde sie dafür zu mehr als elf Jahren Haft verurteilt. Jetzt sitzt die Ex-Milliardärin und zweifache Mutter hinter Gittern.

Wie konnte es dazu kommen? Lesen Sie hier die ganze Geschichte über den kometenhaften Aufstieg und den schnellen Fall der Betrügerin.

Alle Fremdwährungen in Euro umgerechnet.

Adaptiert von Sandra Schröpfer, Martina Horrobin und Astrid Hofer

Der kometenhafte Aufstieg einer Startup-Unternehmerin

<p>Getty / Lisa Lake</p>

Getty / Lisa Lake

Elizabeth Holmes galt einst als „der nächste Steve Jobs“, doch eine verhängnisvolle Unehrlichkeit brachte den einstigen Biotechnologie-Star von den Titelseiten der Hochglanz-Magazine in den Gerichtssaal. Was war also geschehen?

WERBUNG

Die inzwischen verurteilte Betrügerin kam am 3. Februar 1984 in Washington D.C. zur Welt. Ihre Mutter Noel arbeitete im Kongressausschuss, ihr Vater Christian war Vizepräsident des Energieunternehmens Enron. Holmes selbst arbeitete bei verschiedenen Regierungsbehörden, darunter bei der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID sowie der Umweltschutzbehörde EPA.

Kind mit ehrgeizigen Zielen

<p>Getty / JP Yim</p>

Getty / JP Yim

Schon in jungen Jahren hatte die Amerikanerin große Pläne. Während viele Neunjährige von einer Zukunft als Astronaut oder Schauspieler träumen, erklärte Holmes ihrer Familie, sie wolle einmal Milliardärin werden. Dass sie den Ehrgeiz dazu hatte, zeigte sich schnell. Berichten zufolge stürmte sie wütend davon, wenn sie beim Monopoly-Spielen nicht gewann. Holmes sagte einmal, sie habe ihrem Vater mit neun einen Brief geschrieben, in dem sie ihm offenbarte, was sie im Leben erreichen wollte: „Etwas Neues entdecken, von dem die Menschheit nicht wusste, dass es möglich ist.“

Geschäftstüchtige Schülerin

<p>Getty / Smith Collection / Gado</p>

Getty / Smith Collection / Gado

Als Schülerin baute Elizabeth Holmes ihr erstes Business auf. Sie verkaufte eine Software, die Computercodes übersetzte, an chinesische Schulen und begann, selbst Mandarin zu lernen. Nach einem Sommer-Sprachprogramm an der Stanford University schrieb sie sich 2002 für Chemietechnik am College ein. Später sagte sie, dass sie sich eigentlich für Medizin interessiert hatte, da ihr Ururgroßvater Chirurg gewesen sei. Doch ihre lebenslange Angst vor Nadeln vereitelte den Plan.

Uni-Abbrecherin und Firmengründerin

<p>Getty / Justin Sullivan</p>

Getty / Justin Sullivan

Nur zu studieren war Holmes jedoch bald zu langweilig. Ihren Professor Channing Robertson an der Stanford University weihte sie als ersten in ihren Plan ein, ein Unternehmen gründen zu wollen. 2003 meldete sie ein Patent für ein tragbares medizinisches Gerät an, das Medikamente verabreicht und Blut testet. Im zweiten Uni-Jahr brach sie ihr Studium ab und gründete das Unternehmen Real-Time Cures, aus dem später der Biotechnikkonzern Theranos wurde. Auf den Gehaltsabrechnungen der Mitarbeiter stand der ursprüngliche Name allerdings anfangs falsch geschrieben – „Real-Time Curses“, zu Deutsch „Flüche in Echtzeit“. Eine Prophezeiung für Holmes späteres Leben?

Aufgehender Business-Stern

<p>Getty / Glenn Chapman</p>

Getty / Glenn Chapman

Holmes wählte den Namen „Theranos“ als Sinnbild für „Therapie“ und „Diagnostik“. Ihr Geschäftsmodell basierte auf der Idee, dass Theranos mit seiner Technologie medizinische Daten aus einer kleinen Blutprobe gewinnen konnte. Patienten hätten damit anstatt von invasiven Bluttests nur noch einfache Fingereinstiche über sich ergehen lassen müssen.

Investoren gesucht – und gefunden

<p>Getty / Peter Dazeley</p>

Getty / Peter Dazeley

Holmes hatte ein Geschäftsmodell, aber noch fehlte ihr das Geld, um es umzusetzen. Sie begann, das nötige Kapital zu beschaffen, indem sie Investoren suchte und hochkarätige Namen wie den Risikokapitalgeber Tim Draper, Medienmogul Rupert Murdoch und sogar die Walton-Familie von Walmart um sich scharte. Laut dem „New Yorker“ hatte sie bis Dezember 2004 insgesamt sechs Millionen Dollar (rund 5,75 Mio. Euro) gesammelt. Eine ihrer Bedingungen war dabei, dass sie nie preisgeben musste, wie ihre Technologie funktioniert.

Geheime Liebe

<p>Getty / Justin Sullivan</p>

Getty / Justin Sullivan

Zu dieser Zeit begann Holmes auch eine geheime Beziehung mit Rames „Sunny“ Balwani, einem ehemaligen Microsoft-Mitarbeiter, der 2009 als Präsident und Chief Operating Officer (COO) zu Theranos stieß. Holmes und Balwani trafen sich zum ersten Mal, als sie 18 und er 37 war. Ab 2005 lebten sie zusammen. Den Anlegern verschwiegen sie die Romanze.

Doch das war nicht das einzige Geheimnis bei Theranos. Außerhalb des Unternehmens war nur wenig über die Technologie bekannt, die man entwickelte. Tatsächlich war Holmes derart besessen, alle Dinge intern zu halten, dass sie mehrere ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wegen Missbrauchs von Geschäftsgeheimnissen verklagte. Eine Ex-Angestellte behauptete zudem, dass Holmes unverwechselbare Baritonstimme, die sie gern bei Interviews benutzte, nichts als Schauspielerei war.

Partnerschaft mit Pharma-Gigant

<p>Getty / Michael M. Santiago</p>

Getty / Michael M. Santiago

Noch bevor das Unternehmen öffentlich vorgestellt wurde, unterschrieb Theranos einen Deal mit dem US-Pharmariesen Walgreens. Holmes gab die Partnerschaft 2013 bekannt, als sie ihre Firma der Welt präsentierte. Walgreens eröffnete Theranos-Testzentren in mehr als 40 Geschäften in Phoenix, Arizona und Northern Carolina. Nach Angaben der Zeitung „Chicago Tribune“ hatte die Apothekenkette rund 140 Millionen Dollar (rund 134 Mio. Euro) in die neue Technologie investiert.

Auf du und du mit Bill Clinton

<p>Getty / Roy Rochlin</p>

Getty / Roy Rochlin

Obwohl wenig über Theranos bekannt war, brachte der Konzern Millionen ein – und Holmes stieg schnell zu einem bekannten Namen in der Tech-Welt auf. Sie zierte das Cover des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ und bestritt mit Alibaba-Gründer Jack Ma und sogar Ex-Präsident Bill Clinton Panel-Diskussionen. Nur wenigen entging, dass Holmes immer mehr Steve Jobs’ Stil nacheiferte und ausschließlich in schwarzen Rollkragenpullovern auftrat. Einem Bericht der „Vanity Fair“ zufolge soll sie in ihrem Büro in Palo Alto die Temperatur bewusst niedrig gehalten haben, um die Pullis das ganze Jahr über tragen zu können.

Erste Wolken am Karrierehimmel

<p>Getty / Michael Kovac</p>

Getty / Michael Kovac

2015 ernannte das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ Elizabeth Holmes zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der Welt. Doch der Erfolg zeigte erste Schattenseiten. Je bekannter Holmes wurde, umso mehr stellten die Menschen Fragen, investigative Journalisten ebenso wie desillusionierte Theranos-Mitarbeiter. Der oberste Wissenschaftler des Unternehmens, Ian Gibbons, soll Holmes sogar gewarnt haben, dass ihre vielgepriesene Technologie noch nicht einsatzbereit sei.

Der Anfang vom Ende

<p>Getty / Paul Morigi</p>

Getty / Paul Morigi

In einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ behauptete Holmes 2015, Theranos werde von „allen“ reguliert, insbesondere von der Aufsichtsbehörde Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS) und der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel FDA. Der Anfang vom Ende kam im Oktober desselben Jahres, als ein Reporter der Zeitung, John Carreyrou, einen vernichtenden Bericht über die unzureichende Technologie von Theranos veröffentlichte. Dem Autor zufolge war sich das Unternehmen seiner Probleme voll bewusst und schickte deshalb Blutproben von Patienten an Testeinrichtungen von Drittanbietern.

„Gravierende Ungenauigkeiten“

<p>Getty / Taylor Hill</p>

Getty / Taylor Hill

Obwohl sie behaupteten, bereits von der FDA zugelassen zu sein, erregten Holmes und Theranos nach der Veröffentlichung von Carreyrous’ Artikel erneut die Aufmerksamkeit von genau jener Aufsichtsbehörde. Diese leitete umgehend Ermittlungen gegen das Unternehmen ein. Sie kam zu Schluss, dass es bei den Tests, die das Unternehmen im ganzen Land durchführte, zu „gravierenden Ungenauigkeiten“ gekommen war. Späteren Berichte zufolge hatten die Tests Tausende falsche medizinische Ergebnisse geliefert. So wurde etwa einem Mann fälschlicherweise mitgeteilt, dass er an Prostatakrebs litt, zwei Personen erhielten eine falsche HIV-Diagnose und eine Schwangere wurde vor einer Fehlgeburt gewarnt.

Schadensbegrenzung

<p>Getty / Taylor Hill</p>

Getty / Taylor Hill

Holmes bemühte sich um Schadensbegrenzung und absolvierte zahlreiche Medienauftritte, bei denen sie die Behauptungen des „Wall Street Journal“ zurückwies. In einem TV-Interview sagte sie: „Das passiert, wenn man versucht, Dinge zu verändern. Zuerst halten sie dich für verrückt, dann bekämpfen sie dich und dann veränderst du die Welt.“ Die Realität sah allerdings etwas anders aus: Bis Jahresende hatten zahlreiche Aufsichtsbehörden Untersuchungen zu den Aktivitäten von Theranos eingeleitet.

Aus für Testlabore

<p>Getty / Justin Sullivan</p>

Getty / Justin Sullivan

Im Juli 2016 wurde Holmes für zwei Jahre aus der Branche verbannt und Theranos war gezwungen, seine Testlabore und Kliniken zu schließen. Im März 2018 klagte die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC Holmes und Balwani an, „durch einen aufwendigen, jahrelangen Betrug mehr als 700 Millionen Dollar [688 Mio. Euro] von Investoren eingetrieben zu haben“. Holmes war gezwungen, Stimmrecht und finanzielle Kontrolle über ihr Unternehmen aufzugeben, ihre Theranos-Aktien zurückzugeben und eine Geldstrafe von 500.000 Dollar (rund 479.000 Euro) zu zahlen.

Holmes muss zurücktreten

<p>Getty / Justin Sullivan</p>

Getty / Justin Sullivan

Im Juni 2018 wurden Holmes und Balwani vor Gericht wegen Verschwörung in zwei und Betrugs in neun Fällen angeklagt. Die Richter kamen zu dem Schluss, die Geschäftspartner hätten „ein Multi-Millionen-Dollar-Programm zum Betrug von Investoren und einen separaten Plan zum Betrug von Ärzten und Patienten aufgebaut“. Holmes trat als CEO von Theranos zurück, blieb aber im Vorstand des Unternehmens.

Aus für Theranos

<p>Michael Vi/Shutterstock</p>

Michael Vi/Shutterstock

Nachdem sie monatelang keinen Käufer gefunden hatten, teilten Holmes und Balwani den Investoren mit, dass Theranos im September 2018 endgültig aufgelöst werde. Sie kündigten ihr gesamtes Personal (laut dem „New Yorker“ 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) und die Aktien des einstigen Tech-Giganten fielen ins Bodenlose. „Forbes“, das den Nettowert des Unternehmens zuvor mit 4,5 Milliarden Dollar (4,3 Mrd. Euro) beziffert hatte, änderte diesen auf null.

Die Enthüllungsdoku

<p>HBO</p>

HBO

Im März 2019 veröffentlichte der US-Sender HBO den Dokumentarfilm „The Inventor: Out For Blood in Silicon Valley“. Die Macher bezichtigten Holmes darin, Theranos auf einer Lüge aufgebaut zu haben. Ihr Gerede darüber, die Welt zu verändern, sei „nichts als heiße Luft“ gewesen.

Holmes muss vor Gericht

<p>Getty / Ethan Swope</p>

Getty / Ethan Swope

Die Fälle gegen Holmes und Balwani wurden vom Gericht separat behandelt. Der Prozess gegen Holmes begann im September 2021, nachdem er zweimal verschoben worden war, erst wegen der Corona-Pandemie, dann wegen ihrer Schwangerschaft. Holmes hatte 2019 Billy Evans, den Erben der Evans-Hotelkette, geheiratet.

Schwere Vorwürfe gegen Ex-Freund

<p>Getty / Justin Sullivan</p>

Getty / Justin Sullivan

Vor Prozessbeginn tauchten Gerichtsdokumente aus dem Jahr 2020 auf, die besagten, Holmes’ Urteilsvermögen sei wegen jahrelangen „emotionalen und sexuellen Missbrauchs“ durch Balwani beeinträchtigt gewesen. In den Akten war auch zu lesen, dass Holmes’ Ex-Freund angeblich kontrolliert habe, was Holmes aß, wann sie schlief und wie sie sich kleidete. Zudem habe er scharfe Gegenstände auf sie geworden und während der Beziehung ihre Textnachrichten und E-Mails überwacht. Balwani wies alle Vorwürfe zurück.

Prozess mit Startschwierigkeiten

<p>Justin Sullivan/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Getty Images

Kaum begonnen, wurde Holmes’ Prozess auch schon wieder unterbrochen: Im September 2021 wurde er nach nur einem Tag ausgesetzt, nachdem es Corona-Alarm unter den Geschworenen gegeben hatte. Am 6. Oktober 2021 wiederum wurde eine Geschworene entlassen, nachdem sie zugegeben hatte, dass sie es aufgrund ihres buddhistischen Glaubens schwer fände, Holmes ins Gefängnis zu schicken. Die Folge: Es musste erst Ersatz gefunden werden.

Ex-Laborchef als Kronzeuge

<p>CNBC</p>

CNBC

Der 2014 zurückgetretene ehemalige Labordirektor von Theranos, Adam Rosendorff (im Bild), sagte im Oktober 2021 sechs Tage lang aus. Er gilt als einer der Kronzeugen. Rosendorff sagte, er habe unter „enormem Druck“ gestanden, zu beweisen, dass die Technologie funktioniere, und Holmes habe Testgeräte auf den Markt gebracht, obwohl er ihr mitgeteilt hatte, dass es Probleme gab. Die Beweislage war jedoch nicht ganz eindeutig. Holmes’ Anwälte konfrontierten Rosendorff mit einer Reihe von E-Mails, in denen sie mit ihm Probleme diskutiert hatte. Rosendorff behauptete wiederum, Holmes habe die Probleme ignoriert.

Letzte Anhörung

<p>Ethan Swope/Getty Images</p>

Ethan Swope/Getty Images

Am 8. Dezember 2021 beendete Holmes nach einer Woche ihren Zeugenstand. Laut Gerichtsdokumenten beschuldigte sie Balwani öffentlich, sie während ihrer Beziehung missbraucht zu haben. Dazu behauptete sie, sie habe den Investoren nicht erzählt, dass Theranos Maschinen von Drittanbietern verwendete, um die „Geschäftsgeheimnisse“ des Unternehmens zu schützen. Im Kreuzverhör attestierten die Staatsanwälte Holmes eine „selektive Erinnerung“ an die Ereignisse bei Theranos. Sie versuche, die Schuld abzuwälzen, obwohl die Verantwortung letztlich bei ihr als CEO lag, hieß es. Eine Tatsache, die Holmes nicht abstritt.

Der Schuldspruch

<p>Justin Sullivan/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Getty Images

Am 3. Januar 2022 befanden die Geschworenen Elizabeth Holmes in vier von elf Anklagepunkten wegen Betrugs für schuldig. In vier weiteren Fällen ging sie als unschuldig hervor, in drei konnte man kein Urteil fällen.

Serie „The Dropout“ basiert auf Theranos-Fall

<p>Hulu</p>

Hulu

Der Prozess gegen Holmes' Geschäftspartner und Ex-Freund Sunny Balwani begann am 22. März 2022, nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung der Miniserie „The Dropout“ in den USA. Die Serie, in der Amanda Seyfried als Holmes zu sehen ist, handelt von dem Theranos-Betrug. Balwani wird darin als manipulativer Partner dargestellt, der Holmes dazu drängt, ihre Investoren zu betrügen. Im Prozess gegen den echten Balwani wurden zwei Geschworene ersetzt, weil sie die Serie gesehen und sich danach nicht mehr unvoreingenommen gefühlt hatten. In Deutschland ist „The Dropout“ auf Disney+ zu sehen.

Der Prozess gegen Sunny Balwani

<p>Justin Sullivan / Staff / Getty Images</p>

Justin Sullivan / Staff / Getty Images

Obwohl Balwanis Prozess separat von dem gegen Holmes geführt wurde, wurden viele der gleichen Zeugen aufgerufen und zum Teil auch die gleichen Beweisstücke verwendet. So auch die Textnachrichten, die sich das Paar während seiner Beziehung geschickt hatte. Bevor die Staatsanwaltschaft im Mai ihre Klage einstellte, versuchte sie außerdem, Balwani mit der angeblich betrügerischen Verwendung des Pfizer-Logos bei der Werbung für die Bluttestgeräte von Theranos in Verbindung zu bringen.

Balwani plädierte in allen zwölf Anklagepunkten in seinem Fall auf „nicht schuldig“. Am 7. Juli 2022 wurde er dennoch in allen Anklagepunkten für schuldig befunden – acht mehr als Holmes – und Anfang Dezember vergangenen Jahres zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Unerwarteter Zeuge

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Ursprünglich sollte Holmes‘ Verurteilungsverkündung am 17. Oktober 2022 stattfinden, wurde aber wegen einer außergewöhnlichen Intervention eines wichtigen Zeugen der Staatsanwaltschaft verschoben.

Anfang August vergangenen Jahres soll der ehemalige Laborleiter von Theranos, Adam Rosendorff, der im Prozess gegen seine ehemalige Chefin Holmes ausgesagt hatte, plötzlich vor deren Wohnhaus aufgetaucht sein. Holmes' Partner William Evans (hier mit Holmes im Bild) soll Rosendorff aufgefordert haben, das Grundstück zu verlassen, bis dieser angeblich ein bemerkenswertes Geständnis machte...

Reumütiger Zeuge

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

So soll Rosendorff seiner ehemaligen Chefin ein „schlechtes Gewissen“ wegen seiner Aussagen im Prozess gestanden haben. Angeblich hatte er versucht, vor Gericht alle Fragen ehrlich zu beantworten, doch die Staatsanwaltschaft habe „versucht, alle schlecht aussehen zu lassen“. So habe er das Gefühl gehabt, „etwas falsch gemacht“ zu haben.

Kurz vor der geplanten Strafmaßverkündung forderte Holmes vom Gericht daraufhin ein Wiederaufnahmeverfahren. Ein Richter verschob in der Folge den Termin und befasste sich mit der Forderung.

Große Gewissensbisse

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Als Rosendorff im Oktober 2022 erneut vor Gericht erschien, wiederholte er seine ursprüngliche eidesstattliche Erklärung, dass er „in jeder Hinsicht“ zu seinen früheren Aussagen stehe. Bei der Befragung sagte der ehemalige Theranos-Laborleiter, er habe „Gewissensbisse“, sollte Holmes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden und ihr kleines Kind ohne seine Mutter aufwachsen. Seine Aussage wolle er aber nicht widerrufen. Der Kernzeuge bekräftigte sogar seine Überzeugung, dass Holmes ihre „Schuld gegenüber der Gesellschaft begleichen“ sollte.

Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt

<p>NICK OTTO/Contributor/Getty Images</p>

NICK OTTO/Contributor/Getty Images

Das Gericht lehnte daraufhin Holmes' Forderung auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens ab. In einem Schreiben vom 7. November 2022 stellte Richter Davila fest, dass „Dr. Rosendorffs gemachte Aussagen nach dem Prozess zu vage und allgemein sind“, um darauf schließen zu können, dass seine unter Eid gemachten Aussagen unglaubwürdig seien.

Laut den am 11. November vergangenen Jahres eingereichten Gerichtsunterlagen forderte die Bundesstaatsanwaltschaft eine Haftstrafe von 15 Jahren und eine Entschädigung in Höhe von 800 Millionen Dollar (rund 767 Mio. Euro) – weit weniger als die Höchststrafe von 20 Jahren pro Betrugsfall.

Holmes hofft auf Milde des Gerichts

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Dem Medienunternehmen „Bloomberg“ sowie der Nachrichtenagentur „Associated Press“ lag ein 82-seitiger Schriftsatz vor, in dem Holmes' Anwälte um „Milde“ ersuchten und schlugen als Strafmaß 18 Monate Hausarrest und eine anschließende gemeinnützige Arbeit vor. Ihren Anwälte zufolge ist Holmes – derzeit mit ihrem zweiten Kind schwanger – „keine Gefahr für die Öffentlichkeit“.  Die ehemalige Unternehmerin sei bereits „genug verspottet und verleumdet“ worden und eine Gefängnisstrafe daher unnötig. „Frau Holmes wird sich nie wieder einen Job suchen oder Freunde treffen können, ohne dass die negative Karikatur ein Hindernis darstellt“, so ihre Anwälte. „Sie ist nicht vorbestraft, hat eine perfekte Vorstrafenbilanz und wird von den Menschen, die sie kennen, immer wieder als sanfte und liebevolle Person beschrieben, die versucht, das Richtige zu tun“.

Unterstützung aus der Politik

<p>Perry McLeod/Shutterstock</p>

Perry McLeod/Shutterstock

Holmes' Anwälte reichten dem Gericht auch mehr als 130 Briefe ein, die angeblich das Bild „der wahren Elizabeth Holmes“ zeigten. Geschrieben wurden sie von ihrer Familie, Freunden, ehemaligen Mitarbeitern und sogar vom demokratischen Senator von New Jersey. Cory Booker (im Bild) hatte Holmes 2016 auf einer Konferenz kennengelernt. In seinem Brief bezeichnete er sie als eine Freundin. Er sei immer wieder beeindruckt von ihrem Wunsch, einen positiven Einfluss auf die Welt zu nehmen, so Booker. „Ich glaube nach wie vor, dass sie an der Hoffnung festhält, einen Beitrag zum Leben anderer Menschen zu leisten und trotz ihrer Fehler die Welt zu einem besseren Ort machen zu können“.

Verurteilung zu elf Jahren Haft

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Trotz prominenter Unterstützung wurde Holmes jedoch zu 135 Monaten – oder elf Jahren und drei Monaten – Gefängnis verurteilt. Vor der Urteilsverkündung sagte Holmes dem Gericht, sie sei „am Boden zerstört über ihr Versagen“ und habe „tiefen Schmerz für das empfunden, was Menschen durchmachen mussten, weil [sie] sie im Stich gelassen hat“.

Laut Richter Davila habe Holmes' Betrug einen Gesamtverlust von 384 Millionen Dollar (rund 368 Millionen Euro) an Investitionen und 121 Millionen Dollar (rund 116 Millionen Euro) an Aktienwert verursacht.

Das Bild zeigt Holmes und Evans auf dem Weg zur Urteilsverkündung am 18. November 2022.

Haftantritt verschoben

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Erst am 9. Februar 2023 brachte Holmes ihr zweites Kind mit Ehemann Billy Evans zur Welt. Obwohl das Paar die Geburt nicht offiziell bekannt gab, kam die Zeitung „Daily Mail“ an eine Kopie der Geburtsurkunde und veröffentlichte das Datum und den Namen des Kindes: Tochter Invicta – Latein für „unbesiegbar“.

Das Paar (im Bild) ist seit 2019 verheiratet, ihr erstes gemeinsames Kind William kam 2021 zur Welt. Wegen ihrer zweiten Schwangerschaft beantragten Holmes Anwälte nach der Urteilsverkündung einen Aufschub ihrer elfjährigen Haftstrafe bis Ende April. Das Gericht stimmte dem zu – und Holmes' Anwälte arbeiteten in der Zeit weitere Pläne aus, sie vor dem Gefängnis zu bewahren...

Verfahren noch nicht abgeschlossen

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Kurz nach der Urteilsverkündung legte Holmes im Dezember 2022 Berufung ein. Wegen ihrer beiden kleinen Kinder gehe von Holmes weder eine Fluchtgefahr noch eine Gefahr für die Allgemeinheit aus, argumentierten ihre Anwälte. Bis zum Ende der Berufungsfrist, die zum 27. April auslief, solle ihre Mandantin deshalb in Freiheit bleiben dürfen.

Anfang des Jahres wurde jedoch bekannt, dass die verurteilte Betrügerin für den 26. Januar 2022 ein Flugticket nach Mexiko gebucht hatte, nur wenige Wochen nach ihrer Verurteilung.

Fluchtgefahr?

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

In einem neuen Antrag hatte die Staatsanwaltschaft daraufhin dafür plädiert, dass Holmes wegen Fluchtgefahr ihre Haftstrafe früher antreten sollte. In einem Schreiben an Holmes' Anwalt in Bezug auf das gebuchte Flugticket nach Mexiko hieß es: „Frau Holmes hat die Regierung nicht über diese Reise informiert und auch keine Genehmigung des Gerichts beantragt. In Anbetracht ihrer derzeitigen Kautionsbedingungen halten wir dies für bedenklich.“

Holmes bestritt den Vorwurf, wegen ihrer Verurteilung aus dem Land hätte flüchten wollen. Laut Betrügerin war der Flug bereits vor dem Prozess gebucht, um an einer Hochzeit teilzunehmen. Nach ihrem Schuldspruch hätte sie nicht mehr die Absicht gehabt, nach Mexiko zu fliegen, und das Gericht deshalb nicht weiter informiert.

Berufung in letzter Minute

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Seit der Urteilsverkündung versuchte Holmes mit allen rechtlichen Mitteln dem Gefängnis doch noch zu entgehen. Ein Antrag auf Aussetzung ihrer Haftstrafe lehnte ein Richter jedoch ab. Erst einen Tag bevor ihre Haftstrafe beginnen sollte, stellten Holmes Anwälte am 27. April in letzter Minute einen Berufungsantrag, der ihr weiteren Aufschub verschaffte. Ihre Anwälte verwiesen darin auf „zahlreiche, unerklärliche Fehler“ während des Verfahrens und bezogen sich auf einen Anklagepunkt, für den sie während des Prozesses freigesprochen wurde.

Auf Kaution frei – doch einer sitzt schon in Haft

<p>David Odisho/Stringer/Getty Images</p>

David Odisho/Stringer/Getty Images

Holmes war bis zur Reaktion des Berufungsgerichtes auf Kaution frei. Ihre Anwälte forderten einen neuen Prozess oder eine Verkürzung ihrer Haftstrafe. Angeblich wegen Verhinderung einer Beweisvorlage, die ihrer Verteidigung hätten helfen können.

Holmes' Geschäftspartner und Ex-Freund Ramesh Sunny Balwani (links im Bild mit seinem Anwalt) wandte eine ähnliche Taktik an, um seine eigene Haftstrafe um einen Monat zu verschieben. Seine Berufung war jedoch letztlich erfolglos. Am 20. April 2023 wurde er in ein Gefängnis in Kalifornien gebracht, wo er knapp 13 Jahre einsitzen sollte. Im Juli 2023 wurde jedoch auch seine Haftstrafe laut der britischen Zeitung „Guardian“ um zwei Jahre verringert.

Umzug von Holmes' Familie

<p>Justin Sullivan/Staff/Getty Images</p>

Justin Sullivan/Staff/Getty Images

Vor ihrer Inhaftierung wohnte Elizabeth Holmes zusammen mit ihrem Mann und ihren Kindern William und Invicta im kalifornischen San Diego, in einer neun Millionen Dollar (8,3 Millionen Euro) teuren Strandvilla. Berichten zufolge wollte Holmes' Familie nach ihrem Haftantritt in ein drei Millionen Dollar (2,8 Millionen Euro) teures Stadthaus in einer bewachten Wohnanlage von San Diego ziehen.

Und dieser Termin war laut Beschluss des Bundesberufungsgerichts in San Francisco der 30. Mai. 2023. Der zuständige Richter hatte damals Holmes' Antrag auf Haftaufschub endgültig abgelehnt. In einer separaten Entscheidung verdonnerte er die einstige Unternehmerin und ihren Ex-Partner Balwani zu einer Entschädigungszahlung an die Opfer in Höhe von 425 Millionen Dollar (394 Millionen Euro). Allein 125 Millionen Dollar (116 Millionen Euro) gehen an den ehemaligen Theranos-Investor Rupert Murdoch. Der Medienmagnat bezeichnete sich selbst als „einer von vielen alten Männern, die von einer scheinbar großartigen jungen Frau hereingelegt wurden“.

Inhaftiert in einem texanischen Frauengefängnis

<p>MARK FELIX / Contributor / Getty Images</p>

MARK FELIX / Contributor / Getty Images

Am 30. Mai trat Holmes ihre Haftstrafe in Bryan an, eine Stadt im US-Bundesstaat Texas. In dem Bundesgefängnis mit niedriger Sicherheitsstufe sitzen Frauen, die sich vor allem eines gewaltfreien Verbrechens schuldig gemacht haben. Während ihrer Haftstrafe im Federal Prison Camp ist Holmes mehr als 3.000 Kilometer von ihrem Mann und ihren beiden Kindern im kalifornischen San Diego entfernt.

Der Einzug ins Gefängnis

<p>MARK FELIX / Contributor / Getty Images</p>

MARK FELIX / Contributor / Getty Images

Ihren schwarzen Rollkragenpulli musste Holmes beim Einzug gegen die Sträflingskleidung aus khakifarbener Hose und Hemd tauschen. Und auch der Knastalltag, der in dem Gefängnis schon um sechs Uhr morgens beginnt, ist für eine ehemalige Milliardärin sicher nicht einfach. Denn dort muss sie wie die meisten ihrer Mitinsassinnen in einer Fabrik arbeiten, wo sie nur umgerechnet zwischen elf Cent und einem Euro pro Stunde verdienen darf.

Straferlass wegen guter Führung?

<p>MARK FELIX / Contributor / Getty Images</p>

MARK FELIX / Contributor / Getty Images

Nach weniger als zwei Monaten Haft wurde Holmes' Strafe Anfang Juli um rund zwei Jahre verkürzt. Nach aktuellen Angaben der US-Gefängnisbehörde wird die verurteilte Betrügerin nun am 29. Dezember 2032 – also nach gut neun Jahren – wieder auf freien Fuß kommen.

Warum sich Holmes für eine Haftverkürzung qualifiziert hat, teilte die Behörde aus „Datenschutzgründen“ nicht mit. Verschiedene Nachrichtenagenturen vermuten dahinter Holmes‘ gute Führung. Allerdings wurde auch die Haftstrafe ihres Mittäters, Ramesh Balwani, um zwei Jahre verkürzt.

Geldprobleme

<p>Justin Sullivan / Staff / Getty Images</p>

Justin Sullivan / Staff / Getty Images

Wenn sie eines Tages wieder auf freien Fuß kommt, wird Holmes 14 ihrer Opfer finanziell entschädigen müssen, darunter wie erwähnt auch Medienmogul Rupert Murdoch. Allerdings, so heißt es von ihren Anwälten, könne die Betrügerin die Mindestzahlung von 250 Dollar (rund 230 Euro) pro Monat trotz des Reichtums ihres Mannes nicht aufbringen. Ihre finanziellen Mittel seien demnach „begrenzt“.

Hier kommt die neue „Liz“

<p>Philip Pacheco/Stringer/Getty Images</p>

Philip Pacheco/Stringer/Getty Images

Nach der Geburt ihrer Tochter schien die verurteilte Betrügerin einen Imagewechsel vollzogen zu haben. Aus der einstigen Selfmade-Milliardärin Elizabeth Holmes mit der geschäftsmäßig tiefen Stimme und schwarzer Rollkragengarderobe ist einfach „Liz“ geworden: Eine zweifache Mutter, die gerne Zeit mit ihrer Familie im Zoo verbringt. Und sie scheint mit ihrer neuen Rolle neue Fans für sich einnehmen zu können, wie ein Interview im „New York Times“-Magazin vermuten lässt.

Die Autorin Amy Chozick selbst, die nach Veröffentlichung für den zu schmeichelhaften Duktus des Artikels über die verurteilte Holmes kritisiert wurde, konnte die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass „Liz“ nur eine weitere von Holmes geschaffenen Figuren ist: „Frau Holmes ist mit niemandem vergleichbar, den ich je getroffen habe – bescheiden, aber faszinierend. Wenn man in ihrer Gegenwart ist, ist es unmöglich, ihr nicht zu glauben, nicht von ihr eingenommen zu sein und sich von ihr einnehmen zu lassen.“