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Bedingungsloses Grundeinkommen Pro und Contra: Das steckt hinter der Idee, und das sind die Argumente dafür und dagegen

Bedingungsloses Grundeinkommen, Pro und Contra – Demonstration von Befürwortern in Berlin. - Copyright: Florian Schuh dpa/lbn
Bedingungsloses Grundeinkommen, Pro und Contra – Demonstration von Befürwortern in Berlin. - Copyright: Florian Schuh dpa/lbn

Ein bedingungsloses Grundeinkommen für jede Bürgerin und jeden Bürger, gezahlt vom Staat ohne jede Gegenleistung, ist eine viel diskutierte Forderung für eine grundlegende Reform der Sozialpolitik. Dieser Artikel beschreibt, was ein bedingungsloses Grundeinkommen genau ist, welche Modelle es gibt und welche Argumente Pro und Contra in die Waagschale geworfen werden.

Was ist ein bedingungsloses Grundeinkommen?

In modernen Gesellschaften ist es unstrittig, dass der Staat das Existenzminimum seiner Bürger garantiert. In Deutschland garantiert dies sogar das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat aus Artikel 1, Absatz 1 („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) und dem Sozialstaatsprinzip in Artikel 20 ausdrücklich den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abgeleitet – allerdings für Hilfebedürftige.

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Der Staat gewährleistet dieses Existenzminimum derzeit über Sozialleistungen wie das Bürgergeld (vorher Arbeitslosengeld II, auch „Hartz IV“ genannt), die Grundsicherung für Rentner, das Kindergeld und weitere gezielte Leistungen. Einkommensteuer wird zudem erst ab einem Verdienst oberhalb des Existenzminimums fällig. Der Grundfreibetrag beträgt aktuell 9.408 Euro für Alleinstehende, 18.818 Euro für Ehepaare und 5172 Euro für jedes Kind.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde Teile dieser Leistungen ersetzen. Neu an der Idee ist also nicht, dass der Staat ein Existenzminimum gewährleistet. Neu ist, dass dies an keinerlei Bedingungen geknüpft ist: weder an eine Hilfebedürftigkeit noch an die Bereitschaft, selbst durch eigene Arbeit für die wirtschaftliche Existenz zu sorgen.

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens kommt aus humanitären und neoliberalen Denkschulen. Der neoliberale Vordenker Milton Friedman schlug vor, Sozialleistungen durch eine Negative Einkommensteuer zu ersetzen. Dabei wird ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe des Existenzminimums festgelegt. Erzielt ein Bürger weniger oder keinen Verdienst, erhält er die Differenz oder das volle Grundeinkommen vom Staat ausbezahlt. Übersteigt sein Einkommen den Grundbetrag, zahlt er auf die Differenz Einkommensteuer.

Andere Konzepte, die eher aus sozialen Bewegungen kommen, sehen vor, ein bedingungsloses Grundeinkommens mit einer gezielten Umverteilung über höhere Steuern auf Vermögen, Erbschaften oder hohe Einkommen zu verbinden. Auf die Frage, was ein bedingungsloses Grundeinkommen kostet und wer es bezahlen soll, kommen wir später zurück. Zunächst aber einmal das Pro und Contra eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Die Argumente lassen sich in drei Gruppen aufteilen: Folgen für die einzelnen Menschen, für Staat und Gesellschaft sowie für Wirtschaft und Wohlstand.

Pro: Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen ermögliche Menschen ein Leben ohne materielle Existenzangst. Dies sei die Voraussetzung für individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung.

  • Ein Grundeinkommen erweiterte den Arbeitsbegriff. Es werde nicht mehr nur Erwerbsarbeit, sondern auch bisher nicht entlohnte Arbeit honoriert. Es gebe den Menschen mehr Spielraum für die Familie, für Freunde, die Nachbarschaft sowie vielfältiges soziales und gesellschaftliches Engagement.

  • Ohne den bisherigen Zwang, die Hilfebedürftigkeit nachzuweisen, entfalle eine Stigmatisierung als Empfänger von Sozialleistungen.

  • Dort, wo diese Stigmatisierung oder Scham dazu geführt hat, Sozialleistungen nicht in Anspruch zu nehmen, helfe das Grundeinkommen gegen das Problem der versteckten Armut.

  • Mit dem Wegfall der Sozialbürokratie entfielen erhebliche Kosten aufseiten des Sozialstaates.

  • Ein Grundeinkommen stärke das Vertrauen in Demokratie und Gesellschaft.

  • Die bedingungslose Absicherung könne die Bereitschaft erhöhen, wirtschaftliche Risiken einzugehen, und damit auch den Unternehmergeist stärken.

  • Das Grundeinkommen gebe Beschäftigten mehr Freiheit, unpassende oder unzumutbare Jobs auch abzulehnen oder Arbeitsverhältnisse zu beenden. Dies führe insgesamt zu besseren Arbeitsbedingungen, mehr Flexibilität und damit zu einer höheren Produktivität der Arbeit.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen stärke vor allem Gruppen, die auf dem Arbeitsmarkt bisher eher im Nachteil sind, insbesondere Frauen.

  • Ein Grundeinkommen mildere die Folgen von Krisen und stabilisiere damit die Gesellschaft. Im Falle der Corona-Krise hätten zahlreiche Hilfsprogramme gar nicht erst aufgelegt werden müssen.

  • Das Grundeinkommen entlaste Unternehmen vom Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungen. Dies stärke ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.

  • Es wird auch argumentiert, dass durch den technischen Fortschritt in Zukunft weniger Erwerbsarbeit nötig werde. Es sei daher gut, wenn das Angebot an Arbeit als Folge eines bedingungslos gezahlten Grundeinkommens zurückgehe.

Contra: Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen werde vielen Menschen nicht gerecht. Arbeit, auch und gerade Erwerbsarbeit, könne auch sinnstiftend sein.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen schneide Menschen von der Teilhabe an der Gesellschaft eher ab. Gewerkschaften kritisieren es als eine „Stilllegungsprämie“.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen verringere für Bildung und Qualifizierung, besonders für Kinder und Jugendliche, die in Grundeinkommensfamilien und -milieus aufwachsen.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei sozial ungerecht, weil es auch an Menschen mit hohen Einkommen und/oder Vermögen gezahlt wird.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen führe zur Abnahme des Arbeitsangebotes und damit des Wohlstands. Dies sei besonders kritisch, weil schon jetzt Arbeits- und Fachkräfte fehlen und diese Lücke durch die Alterung der Gesellschaft absehbar größer wird.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist teuer. In Höhe des Existenzminimums kostet es rund 900 Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht fast den gesamten Steuereinnahmen des Staates in diesem Jahr. Der Bundeshaushalt beträgt, 476 Milliarden Euro. Auch wenn der Wegfall anderer Sozialleistungen gegengerechnet werden, kostet das bedingungslose Grundeinkommen über 800 Milliarden Euro.

  • Die Umverteilung durch ein bedingungsloses Grundeinkommen belaste Erwerbstätige und begünstige nicht Erwerbstätige. Der Effekt falle je nach gewählter Finanzierung unterschiedlich stark aus.

  • Das Grundeinkommen würde zum Spielball von Politik und Wahlkämpfen. Als Mahnung gilt die außerplanmäßige Erhöhung des Mindestlohn nach dem vergangenen Bundestagswahlkampf.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen gebe Anreize zur Zuwanderung nicht in Arbeit, sondern in das Sozialsystem.

  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen bedeute, dass Menschen in Erwerbsarbeit für die Selbstverwirklichung anderer bezahlen müssen.

  • Zwei Prinzipien des Sozialstaates würden aufgegeben: Das Subsidiaritätsprinzip und das Prinzip des Geben und Nehmens. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass jeder angehalten ist, zunächst für sich selbst zu sorgen und erst dann auf den Staat zurückzugreifen. Im Gegenzug achtet der Staat die Selbstbestimmung jedes Einzelnen.

  • Ein Grundeinkommen verführe Menschen, von Bürgern zum Untertanen des Sozialstaates zu werden.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nur durch kräftige Steuererhöhungen finanzierbar, ist das Ergebnis einer neuen Studie.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nur durch kräftige Steuererhöhungen finanzierbar, ist das Ergebnis einer neuen Studie.

Meinungsbild: Das Grundeinkommen in Umfragen

Meinungsumfragen geben bisher ein gemischtes Bild. Eine Übersicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2019 zufolge befürworten zwischen 45 und 52 Prozent der Befragten in Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkommen. Am höchsten sei die Zustimmung bei Jüngeren, höher Gebildeten sowie in unteren Einkommensschichten. Einer You-Gov Umfrage des Vereins „Mein Grundeinkommen“ zufolge ist eine große Mehrheit der Befragten einem Grundeinkommen gegenüber mindestens aufgeschlossen. Eine Petition für eine bedingungsloses Grundeinkommen an den Bundestags erreichte schnell Hunderttausende Unterstützer.

Andererseits verfehlte in Berlin eine Initiative für ein Volksbegehren für einen Modellversuch zum Grundeinkommen die nötigen Stimmen. 3500 Menschen sollten drei Monate lang eine Grundeinkommen von 1.200 Euro erhalten. Ihre Erfahrungen sollten wissenschaftlich ausgewertet werden.

In der Schweiz scheiterte 2016 eine Volksabstimmung zum bedingungslosen Grundeinkommen klar. Eine Drei-Viertel-Mehrheit von 77 Prozent stimmte dagegen, nur 23 Prozent dafür.

In der You Gov-Umfrage erwarteten 50 Prozent der Befragten, dass viele Menschen in Deutschland nicht mehr oder weniger arbeiten gehen, wenn sie ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommen. In einer Umfrage des MDR äußerten acht Prozent, dass sie dann nicht mehr arbeiten würden. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen wären das immerhin 3,6 Millionen Menschen in Deutschland. Weitere 34 Prozent gaben an, auch mit einem Grundeinkommen weiterzuarbeiten, aber etwas zu ändern.

Einen guten Überblick über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, Modelle, Auswirkungen sowie die Argumente Pro und Contra gibt auch diese Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes beim Finanzministerium aus dem vergangenen Jahr.