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Die Bahn fährt Premium

Von Berlin nach München fährt die Bahn ab dem Wochenende in unter vier Stunden. Die exklusive Reise im technisch aufgemöbelten ICE gibt es aber auch nur zum Premiumpreis – und die Premiere blieb nicht ohne Panne.

Wer am Freitagmorgen eine Zugfahrt von Berlin nach München buchen wollte, der konnte ICE-Fahrten zu Preisen zwischen 136 Euro und 149 Euro wählen – ohne jede Ermäßigung und bei Fahrzeiten zwischen sechs Stunden vier Minuten und sechs Stunden 45 Minuten. Für Sonntag und die Tage danach gab es Tickets schon ab 132 Euro, und das bei Fahrzeiten zwischen drei Stunden 58 Minuten und etwa viereinhalb Stunden.

Dabei hatte die Deutsche Bahn doch angekündigt, auf ihrer neuen Superstrecke nicht nur das Tempo der ICEs auf 300 Stundenkilometer, sondern auch die Tarife kräftig anzuheben. Genauer gesagt um stolze 13,6 Prozent soll die Fahrt zwischen der Bundeshauptstadt und der Bayern-Metropole teurer werden. Doch von höheren Fahrpreisen war am Freitag, dem Tag der offiziellen Einweihung der Strecke mit viel Politprominenz, keine Spur.

Aber Vorsicht: Die Schnäppchenpreise für den superschnellen Sprinter gelten nur bis Samstag-Mitternacht. Um Punkt zwölf schaltet das Buchungssystem der Bahn auf die neuen Tarife um. Alle bis dahin gekauften Tickets zu alten Konditionen bleiben gültig. Wer erst ab Sonntag bucht, muss um die 20 Euro beim vollen Flexpreis mehr bezahlen. Höchstgeschwindigkeit, argumentiert die Bahn, habe eben ihren Preis.

Kritiker sehen das anders. Wenn am Wochenende mit dem Wechsel in den Winterfahrplan das letzte große Milliardenprojekt aus dem Verkehrsplan Deutsche Einheit in Betrieb geht, schrumpft die Fahrtzeit im ICE Sprinter zwischen Berlin und München auf knapp vier Stunden, zwei Stunden weniger als bislang. Die Bahn greift damit sogar den Luftverkehr an. Und hofft darauf, die Zahl ihrer Fahrgäste auf dieser Strecke verdoppeln zu können.

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Der neue Fahrplan, verspricht die Bahn, bringt dadurch auch Verbesserungen auf anderen Fernverbindungen. Etwa ein Drittel der ICE- und IC-Fahrpläne wird umgestellt, besonders im Osten und Süden Deutschlands. Insgesamt sollen 17 Millionen Menschen entlang der Schnellfahrstrecke von kürzeren Reisezeiten und neuen Direktverbindungen profitieren. Im Gegenzug werden die Preise im Durchschnitt um 1,9 Prozent teurer. Das sieht nach moderater Erhöhung aus, ruft aber wie bei jeder Fahrpreisrunde die Kritiker auf den Plan.

Die vergleichen die Bahntarife mit der allgemeinen Preisentwicklung. Seit 2003 habe die Bahn ihre Preise um das Doppelte der Inflationsrate erhöht, um durchschnittlich 3,5 Prozent pro Jahr, rechnet das Bündnis „Bahn für Alle“ vor. Von 2003 bis 2017 seien die Preise im Fernverkehr um 45 Prozent, im Nahverkehr um 50 Prozent gestiegen. Das Vielfahrer-Angebot Bahncard 50 koste sogar 85 Prozent mehr.


Bahn experimentiert mit Preissystem

„Das Preissystem der DB AG gleicht immer mehr einem Sonderposten-Höker für Gelegenheitskäufer, nur teurer. Die Tarife haben immer weniger zu tun mit einem Mobilitätsdienstleister für Menschen, die zu einem bestimmten Zweck und einer bestimmten Zeit von A nach B wollen. Ich möchte nicht von der Stammkundin zur Schnäppchenjägerin umerzogen werden“, sagt Monika Lege, Mitbegründerin von „Bahn für Alle“. Das undurchsichtige Preissystem mache spontane Bahnfahrten zum Luxus – und damit auch den Umstieg vom Auto auf die Bahn unattraktiv.

Die Bahn wird traditionell an ihren Flexpreisen gemessen, das sind die Tarife ohne Zugbindung und Bahncards. Doch ist der Staatskonzern längst dazu übergegangen, Kunden mit Vielfahrerrabatten und Sparpreisen in die Züge zu locken. Die Bahn folgt damit dem Modell der Fluggesellschaften und Fernbusunternehmen. Bei Lufthansa und Flixbus fragt niemand nach dem Normalpreis.

Doch die Bahn kommt aus einer Zeit, als Fahrkarten noch nach Kilometern berechnet wurden. Daran hatten sich die 140 Millionen Fahrgäste, die im Jahr ICEs und Intercitys benutzen, gewöhnt. Die Umstellung auf Nachfrage stößt oft noch auf Widerstand. Je stärker ausgelastet der Zug, je mehr eine Strecke nachgefragt wird, desto teurer wird es in Zukunft sein.

Die Bahn erprobt inzwischen Preisdifferenzierung auf ein und derselben Strecke an unterschiedlichen Tagen. An Freitagen ist es da zum Beispiel teuer, unter der Woche preiswerter. Noch sind es wenige Prozentpunkte, die Mindest- und Höchsttarife auseinander liegen. Doch die Rechnung, Kunden in weniger ausgelastete Zuge zu locken, scheint aufzugehen. Jedenfalls weitet die Bahn die Preisdifferenzierung auf immer neue Strecken aus.

Höher Preise fürs Zugfahren würden die Kunden vermutlich viel eher akzeptieren, würden die Züge auch nach Fahrplan fahren. Doch für dieses Jahr hat die Bahn ihr Ziel, wenigstens 80 Prozent aller Fernzüge mit weniger als sechs Minuten Verspätung zu fahren, aufgegeben. Die Pünktlichkeitsquoten waren schon im Sommer und in den Herbstmonaten so schlecht, dass der Dezember es nicht mehr herausreißen wird.


Peinliche Panne bei der Premiere

Selbst die beiden Premierenzüge kamen am Freitag nicht ohne Verspätung aus. Einer der beiden Sonderzüge blieb am Freitagabend auf dem Rückweg nach München liegen, wie eine Bahn-Sprecherin Medienberichte bestätigte. Der Zug habe insgesamt rund eine Stunde gestanden, am späten Abend fuhr er zunächst weiter. Grund für die Panne war nach ersten Erkenntnissen eine technische Störung am Fahrzeug. Man arbeite mit Hochdruck daran, das Problem zu beheben, hieß es bei der Bahn. Eigentlich hätte der Zug um 23.15 Uhr in München ankommen sollen, neue avisierte Ankunftszeit war gegen 0.30 Uhr. An Bord waren etwa 150 bis 200 Ehrengäste und Journalisten.

Zumindest am Freitagachmittag waren die beiden Eröffnungszüge so pünktlich, dass sie aus München und Nürnberg kommend parallel in den Berliner Hauptbahnhof einfahren konnten. Prominentester Gast war Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie war zwar nur am Bahnhof Südkreuz zugestiegen, hatte aber den Charme der neuen, um zwei Stunden kürzeren Fahrzeit zwischen München und Berlin schnell erkannt. „In Konfliktfällen sind wir schnell beieinander“, scherzte Merkel zur Eröffnungsfeier und meinte die CSU. „Oder wenn wir nacheinander Sehnsucht haben.“

Großprojekte, sagte Merkel weiter, müssten in Deutschland auch trotz massiver Probleme weiter möglich sein. Es sei zwar richtig und wichtig, über solche Projekte öffentlich zu debattieren. „Aber ich glaube auch, dass wir in der Lage sein müssen, im 21. Jahrhundert neue Großprojekte zu realisieren, wenn wir mit der Zeit Schritt halten wollen“, mahnte die Kanzlerin. Die Planungs- und Bauzeit der Schnellstrecke Berlin-München betrug 25 Jahre. Verbaut wurden am Ende zehn Milliarden Euro.

Das Projekt hätte schon längst fertig gestellt sein sollen, wurde aber zwischendurch auch von der Politik ausgebremst. Mehrere Jahre lagen die Baustellen still, weil der Bund den Geldhahn zugedreht hatte. Heute sind selbst Kritiker wie der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) verstummt: „Wir werden den drei Millionen Passagieren, die jährlich erwartet werden, Gründe liefern, hier auszusteigen“, sagte er zum Anlass der Inbetriebnahme. Hoffentlich denken die Passagiere daran, dass Spartickets Zugbindung haben und die Fahrt nicht unterbrochen werden darf.

KONTEXT

Berlin und München kommen sich näher - mit dem Zug

Was bedeutet die neue Strecke für die Fahrgäste?

Bahnfahrer sparen bis zu zwei Stunden. Das "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8" ist eines der wichtigsten Bahnvorhaben vergangener Jahre. Sprinterzüge brauchen künftig 3:55 Stunden, von Berlin nach Nürnberg 2:51 Stunden. Täglich gibt es 10.000 Sitzplätze mehr als bisher. Von dem Ausbau profitieren nach Bahn-Angaben rund 17 Millionen Menschen in verschiedenen Regionen.

Was wurde gebaut, wie lange hat es gedauert?

Der zuletzt vollendete Abschnitt von Erfurt bis nach Ebensfeld in Oberfranken ist 107 Kilometer lang. Durch 22 Tunnel und über 29 Brücken fahren die Züge mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde quer durch den Thüringer Wald und Oberfranken. Der Neu- und Ausbau der Strecke von Nürnberg nach Berlin hat am Ende rund zehn Milliarden Euro gekostet. Der 1991 beschlossene Bau verzögerte sich um mehrere Jahre, weil das Projekt 1999 durch die rot-grüne Bundesregierung vorübergehend gestoppt wurde.

Was erwartet die Bahn von der neuen Strecke?

Dank kürzerer Fahrzeiten hofft die Bahn auf mehr Reisende zwischen Berlin und München, unter anderem auf solche, die bislang das Flugzeug genutzt haben. "Wir rechnen mit einer Verdopplung unser Fahrgastzahlen auf 3,6 Millionen Reisen pro Jahr", sagt Fernverkehrschefin Birgit Bohle. In diesem Jahr dürften Bahnkunden bundesweit wohl 141 Millionen Mal mit dem ICE oder IC fahren, das wäre ein Plus von gut zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Was müssen Fahrgäste auf der Neubautrasse zahlen?

Die neue Strecke München-Berlin wird für Bahnfahrer deutlich teurer als die alte: 150 statt 132 Euro mit dem Flexpreis - ein Plus von 13,6 Prozent. Dafür haben sie die große Zeitersparnis.

Was ändert sich sonst an den Fahrpreisen?

Zum Fahrplanwechsel am diesem Sonntag werden Fahrkarten zum vollen Preis - dem sogenannten Flexpreis - im Durchschnitt um 1,9 Prozent in der zweiten Klasse teurer, in der ersten Klasse um 2,9 Prozent.

Nach Berechnung der Bahn liegt die Preiserhöhung im Fernverkehr aber insgesamt nur bei 0,9 Prozent. Das liege daran, dass nur etwa 10 Prozent aller Fahrgäste den vollen Preis zahlten. Die anderen 90 Prozent hätten entweder eine Bahncard oder kauften sich ein Ticket im Sonderangebot, das bei der Bahn Sparpreis heißt. Bahnkunden zwischen Karlsruhe und Basel zahlen nicht mehr - eine Entschädigung dafür, dass die Rheintalbahn nach einer Panne beim Tunnelbau wochenlang gesperrt war.

Welche Veranstaltungen sind für Freitag geplant?

In Nürnberg, Erfurt, Leipzig, Wittenberg und Berlin wird an den Hauptbahnhöfen das Ereignis mit Festveranstaltungen und Reden gewürdigt. Ministerpräsident Bodo Ramelow steigt in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt in einen ICE-Sonderzug nach Berlin. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich kommt in Leipzig hinzu, sein Kollege Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt in Wittenberg. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller begrüßt die Gäste aus dem Zug am Berliner Hauptbahnhof. In einem Festzelt nebenan wird dann Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet.