Werbung
Deutsche Märkte schließen in 2 Stunden 23 Minuten
  • DAX

    18.304,08
    +128,87 (+0,71%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.986,79
    +29,83 (+0,60%)
     
  • Dow Jones 30

    38.852,27
    +176,59 (+0,46%)
     
  • Gold

    2.324,00
    -7,20 (-0,31%)
     
  • EUR/USD

    1,0782
    +0,0008 (+0,08%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.057,52
    +48,60 (+0,08%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.320,56
    -44,56 (-3,26%)
     
  • Öl (Brent)

    78,02
    -0,46 (-0,59%)
     
  • MDAX

    26.507,78
    -59,66 (-0,22%)
     
  • TecDAX

    3.338,48
    +46,74 (+1,42%)
     
  • SDAX

    14.682,84
    +160,26 (+1,10%)
     
  • Nikkei 225

    38.835,10
    +599,03 (+1,57%)
     
  • FTSE 100

    8.310,29
    +96,80 (+1,18%)
     
  • CAC 40

    8.027,29
    +30,65 (+0,38%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.349,25
    +192,92 (+1,19%)
     

BMW-Chef Oliver Zipse geht in die Offensive

Der neue Vorstandsvorsitzende des Münchner Autobauers fordert von seinen Mitarbeitern Konzentration aufs Kerngeschäft. Für die Mobilitätsdienste sucht Zipse nach Investoren.

Der neue BMW-Chef will flexibel auf die Nachfrage von E-Autos reagieren können. Foto: dpa
Der neue BMW-Chef will flexibel auf die Nachfrage von E-Autos reagieren können. Foto: dpa

Auf die 20 Aufsichtsratsmitglieder von BMW wartet am Mittwoch eine stramme Tagesordnung. Zwei Tage wollen sich die Kontrolleure Zeit nehmen, um über kurzfristige Nöte und langfristige Notwendigkeiten zu sprechen. Die Zeit dafür ist reif: Mit Oliver Zipse steht seit Mitte August ein neuer Vorstandschef an der Spitze. Sein Vorgänger Harald Krüger hatte zuvor seinen Rückzug erklärt.

Ihm trauten die Kontrolleure nicht mehr zu, den anstehenden Wechsel zur Elektromobilität zu meistern und die Kosten im Griff zu halten. Sicher ist, einen kurzfristigen Richtungswechsel wird es in München nicht geben. Im Gegenteil: Zipse hat mit Krüger gemeinsam die beschleunigte Elektrostrategie entwickelt, deren Details dem Aufsichtsrat jetzt vorgelegt werden.

WERBUNG

Unternehmenskreisen zufolge hat der Vorstand grünes Licht für die Elektrovarianten der 5er-Reihe und des Kompakt-SUVs X1 gegeben. Damit startet BMW die zweite Welle der Elektrifizierung – jedes Modell erhält einen elektrischen Zwilling. Bereits beschlossen sind die Elektrovarianten des Mini und des X3, der im kommenden Jahr in China produziert wird.

Das Werk München bereitet sich auf den Bau des I4 vor, der Elektrovariante des 3er-BMW. Das Kalkül: Anders als bei Volkswagen werden alle Modelle auf technischen Architekturen entwickelt, die weiter den Einsatz von Verbrennungsmotoren erlauben. Und künftig soll weltweit jedes BMW-Werk in der Lage sein, flexibel auf die Nachfrage nach Elektroautos zu reagieren.

Dieses Konzept hat Zipse zunächst als Leiter der Konzernplanung und anschließend als Produktionsvorstand maßgeblich entwickelt. Diese Flexibilität erfordert hohe Investitionen, nimmt aber Unsicherheit: Stockt die Nachfrage nach Stromern, werden einfach weiter Verbrenner gebaut, ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen.

Nicht zuletzt dieser Pragmatismus hat den 55-Jährigen in den vergangenen Jahren in der Konzernhierarchie stetig weiter nach oben geführt und ihm den Rückhalt von Aufsichtsratschef Norbert Reithofer gesichert. Dabei hatte der einst durchgesetzt, Elektroautos mit aufwendiger Kohlefaserkarosserie auf eigenen Fertigungsstraßen zu bauen.

Keine Extravaganzen mehr

Sein Schüler hat dieses milliardenschwere Experiment kassiert: Der Hybridsportwagen i8 läuft ebenso aus wie der 2013 gestartete „i3“ in seiner jetzigen Form. Wie ein Nachfolgemodell im Kompaktsegment aussehen könnte, ist derzeit offen. Sicher ist: Teure Einzellösungen wird es unter Zipse nicht mehr geben.

BMW kann sich diese Extravaganzen auch nicht mehr leisten. Seit Monaten liegt die Rendite unter Plan. Zwar hat sich die operative Marge im Autogeschäft im zweiten Quartal wieder leicht verbessert und liegt bei 6,5 Prozent, doch von der angepeilten Zielmarke von mindestens acht Prozent ist BMW immer noch ein gutes Stück entfernt. Ein Kostensenkungsprogramm von zwölf Milliarden Euro bis 2022 läuft.

Ob BMW angesichts der hohen Entwicklungsaufwendungen die Acht-Prozent-Marke mittelfristig überhaupt wieder als Ziel ausgeben soll, ist im Aufsichtsrat strittig. Insbesondere die Arbeitnehmer drängen darauf, in der Phase der Transformation den Korridor auf sechs bis acht Prozent zu senken.

Sie pochen zudem auf die rollierende, für jeweils sieben Jahre festgeschriebene Beschäftigungssicherung, die den deutschen Konzernangestellten bis weit ins kommende Jahrzehnt sichere Jobs garantiert. Doch Zipse braucht weitere Kostensenkungen – als Reizthema gilt der neue Standort in Ungarn.


„Flugzeugbauer und keine Airline“

Beide Seiten suchen eine salomonische Lösung: Das im Bau befindliche Werk in Ungarn könnte später in Betrieb genommen werden und zunächst nicht mit voller Kapazität. Die deutschen Werke müssten zudem kein Modell abgeben: Unternehmenskreisen zufolge könnte in Ungarn die Elektrovariante des X3 vom Band laufen. Bislang wird der meistverkaufte BMW-SUV nur in den USA, China und Südafrika gefertigt.

Während sich Zipse für einen großen strategischen Wurf wohl noch bis ins kommende Jahr Zeit lässt, leitet er in einem Punkt schon einen Kurswechsel ein: Anders als noch sein Vorgänger Krüger und der scheidende Produktionsvorstand Peter Schwarzenbauer sieht er die Zukunft des Konzerns weniger in Mobilitätsdiensten.

Analog zum Luftfahrtgeschäft sei BMW ein „Flugzeugbauer und keine Airline“, lautet seine interne Vorgabe. BMW soll vielmehr als „Systemintegrator“ seine Stärken rund um den Autobau ausspielen: führend in Design und Qualität, mit der Fähigkeit, global in hohen Stückzahlen flexibel zu produzieren.

Das Kalkül: Anders als vor einigen Jahren noch vermutet, bleiben die Eintrittshürden auch im Elektrozeitalter hoch. Zipse war beteiligt an Gesprächen mit Apple, als es um die gemeinsame Produktion von Autos ging. Doch der iPhone-Hersteller hat ebenso wie Google den Plan aufgegeben, in die „Hardware“ Auto einzusteigen.

Lediglich Tesla ist es gelungen, mit Elektroautos BMW zu düpieren, doch der Eindringling droht an der Produktion und den ausufernden Kosten zu scheitern. Noch besser sieht der BMW-Vorstand die eigene Position im konventionellen Geschäft mit Verbrennungsmotoren.

Die enormen Kosten für die Emissionsanforderungen an Diesel und Benziner könnten viele etablierte Automarken schon bald an die Wand drücken, lautet die Einschätzung. Eher gehe es um die Frage, wie man mit strauchelnden Konkurrenten umgeht. Eine zuletzt von Bernstein-Analysten ins Spiel gebrachte Übernahme von Jaguar/Land Rover durch BMW wird in München vorerst ausgeschlossen. Seit der verpatzten Übernahme von Rover Mitte der 90er-Jahre sind die Großaktionäre der Familie Quandt sehr vorsichtig mit Akquisitionen.

Die Konzentration auf das Kerngeschäft hat Konsequenzen für das gemeinsam mit Daimler gehaltene Mobilitäts-Joint-Venture „Share Now“. Anders als im Autobau sind die Eintrittshürden für Vermittlungsdienste im Mobilitätsgeschäft niedrig, mit Uber und Lyft dominieren zwei Unternehmen in den USA bereits den Markt, in China ist Didi unangefochtene Nummer eins.

Investoren für „Share Now“ gesucht

BMW und Daimler wollen das Geschäft mit Carsharing, Mitfahrgelegenheiten und Taxivermittlung deshalb nicht mehr selbst skalieren. Vollständig selbstfahrende Autos wird es nach Ansicht von Zipse und Entwicklungschef Klaus Fröhlich in absehbarer Zeit im europäischen Stadtverkehr ohnehin nicht geben. Mit den Kosten eines menschlichen Fahrers rechnen sich Chauffeur- und Taxidienste aber kaum.

Die Ableitung: Ein gut gemanagtes Autogeschäft bleibt in Zukunft rentabler als Mobilitätsdienstleistungen. Daher werden Unternehmenskreisen zufolge für das Joint Venture „Share Now“ jetzt Finanzinvestoren gesucht – sowohl für Einzeldienste wie auch für die Dachgesellschaft. Mobilitätsmanagerin Daniela Gerd tom Markotten, die im Joint Venture die multimodale Plattform Reach Now leitet, hat bereits Konsequenzen gezogen.

Sie verlässt den in Berlin angesiedelten Mobilitätskonzern nur ein halbes Jahr nach Dienstantritt. Wichtiger für Zipse sind die offenen Personalien im eigenen Vorstand, die am Mittwoch besetzt werden sollen. Der neue BMW-Chef schart ein Netz von Vertrauten um sich, und die kommen vor allem aus dem Produktionsressort, seiner bisherigen Machtbasis.

Milan Nedeljkovic, zuvor Qualitätschef und Werksleiter in München, wird Zipses Nachfolger als Produktionsvorstand. Ilka Horstmeier, Leiterin des Werks Dingolfing, ist die Favoritin für das Personalressort, sie gilt als durchsetzungsstärker als ihre Vorgängerin. Horstmeier löst Milagros Caiña-Andree ab, die aus „persönlichen Gründen“ ausscheidet.

Offen ist weiterhin die Zukunft von Klaus Fröhlich: Der Vertrag des mächtigen Entwicklungsvorstands läuft im kommenden Jahr aus. Aufsichtsratschef Norbert Reithofer würde den Vertrag mit dem Spitzenmann gerne um zwei Jahre verlängern und damit über die für BMW-Vorstände eigentlich gültige Altersgrenze von 60 Jahren ausdehnen. Doch Fröhlich zögere, heißt es im Unternehmen. Bis November hat ihm der Aufsichtsrat Bedenkzeit eingeräumt.