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„Ökonomisch ein Graus“ – Warum ein Ende der Zeitumstellung überfällig ist und trotzdem Risiken birgt

Ab Sonntag kann in Deutschland wieder eine Stunde länger geschlafen werden. Dann gilt die Winterzeit. Aus Expertensicht bringt die Umstellung keine Vorteile und gehört abgeschafft.

Eine Stunde länger schlafen: In Deutschland geht am Wochenende die Sommerzeit zu Ende. Pünktlich um 3.00 Uhr werden am 25. Oktober die Uhren um eine Stunde auf 2.00 Uhr zurückgestellt. Dann gilt bis Ende März wieder die Normalzeit, oft auch Winterzeit genannt. Am 28. März 2021 werden die Zeiger wieder um eine Stunde vorgedreht.

Im nächsten Jahr sollte die Zeitumstellung eigentlich abgeschafft werden, so zumindest beschloss es das Europäische Parlament 2019. Doch bei dem Vorhaben bewegt sich in Brüssel schon lange nichts mehr. Die Gründe: Es fehlt eine Folgenabschätzung der EU-Kommission, was eine Abschaffung der Zeitumstellung für die Wirtschaft und den Binnenmarkt bedeuten würde. Besonders für den Verkehrs- und Logistiksektor wäre die Abkehr von dem derzeitigen Prinzip eine Herausforderung.

Und: Die Mitgliedstaaten können sich wieder einmal nicht einigen. Möchte man lieber die Sommer- oder die Winterzeit verwenden? Und welches Land liegt in welcher Zeitzone? Die Antworten der Hauptstädte darauf ergeben derzeit einen Flickenteppich der Uhrzeiten; die Präferenz des einen Landes kollidiert mit der seines Nachbarn.

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Korbinian von Blanckenburg, Volkswirtschaftsprofessor an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, hält das für fatal. Das Vor- und Zurückstellen der Uhren bringt aus seiner Sicht wirtschaftlich keinerlei Vorteile. Für kontraproduktiv hält er es zudem, wenn es infolge einer Abschaffung der Zeitumstellung keine einheitliche Zeit mehr innerhalb einer großen Wirtschaftszone wie der EU geben sollte. „Zeitzoneninseln sind ökonomisch ein Graus“, sagte von Blanckenburg. Demnach sollte es nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden, in welcher Zeit sie bleiben wollen.

In der EU gibt es drei Zeitzonen, die größte von ihnen, die der Mitteleuropäischen Zeit, reicht von Spanien bis Polen. Bei einer dauerhaften Sommerzeit würde es im Winter im Westen - aber auch im Nordwesten - des Kontinents erst am Vormittag hell. In Vigo an der spanischen Atlantikküste würde die Sonne am 21. Dezember dann erst um 10.01 Uhr aufgehen, in Brest in der französischen Bretagne um 10.07 Uhr und im norddeutschen Emden um 09.45 Uhr.

Bei einer dauerhaften Winterzeit wiederum würde es im Sommer nicht nur im Biergarten oder in der Strandbar eine Stunde früher dunkel als gewohnt. Die Sonne würde im Osten der EU auch extrem früh aufgehen: In Bialystok in Polen wäre das am 21. Juni um 03.01 Uhr, in Warschau um 03.15 Uhr und in Berlin um 03.44 Uhr.

Zeitumstellung beeinträchtigt die Gesundheit

Für den Wirtschaftswissenschaftler von Blanckenburg wäre jetzt der optimale Zeitpunkt, um die Entscheidung zur Zeitumstellung voranzutreiben. „Dank Corona haben viele Unternehmen und andere Institutionen eine neue Flexibilität entwickelt“, sagte er. Homeoffice und Online-Konferenzen seien mittlerweile Alltag. „Längst sind wir nicht mehr pedantisch um acht Uhr im Büro, und es funktioniert irgendwie trotzdem erstaunlich gut.“

Als Beispiel nannte der Ökonom Dienstreisen, die durch Online-Meetings ersetzt werden. Auch Schulen und Hochschulen hätten die digitalen Möglichkeiten für sich entdeckt. An Hochschulen seien digitale Vorlesungen, Arbeitsgruppen und Besprechungen nicht mehr wegzudenken.

Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, forderte von der Bundesregierung, die EU-Ratspräsidentschaft für eine Initiative zur Abschaffung der Zeitumstellung zu nutzen. „Es kommt jetzt auf die Bundesregierung an, eine Mehrheit für eine flächendeckende Abschaffung der Zeitumstellung zu organisieren“, sagte Theurer dem Handelsblatt.

Der FDP-Politiker wies auf die Nachteile der Zeitumstellung hin. Sie schaffe gesundheitliche Probleme, insbesondere bei Kindern und älteren Menschen. „Gleichzeitig wurden die mit der Sommer- und Winterzeit verbundenen Energieeinsparziele nicht erreicht“, sagte Theurer. Deshalb spreche alles dafür, die Zeitumstellung abzuschaffen. „Dabei muss eine einheitliche Abschaffung der Zeitumstellung in Europa ohne Flickenteppich erreicht werden.“

Dass die Sommerzeit angeblich dabei hilft, Energie zu sparen, hat von Blanckenburg schon vor einigen Jahren widerlegt. Anhand einer Analyse der Daten zweier Netzbetreiber in Kassel und Kempten errechnete er, dass das derzeit geltende System der Zeitumstellung nur zu einer Einsparung von 0,78 Prozent beim Stromverbrauch privater Haushalte führt.

Energieersparnis nicht gravierend

Auch aus Sicht des Umweltbundesamts lässt sich durch die derzeitige Zeitumstellungsregelung nicht in relevantem Maß Energie sparen. Zwar werde durch die Zeitumstellung im Sommer tatsächlich abends weniger häufig das Licht angeknipst, im Frühjahr und Herbst jedoch werde in den Morgenstunden auch mehr geheizt, argumentiert die Behörde. „Das hebt sich gegenseitig auf.“

Auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag kam schon zu dem Schluss, dass sich „bestenfalls nur sehr geringfügige Energieeinsparungen realisieren lassen“. Eine Auswertung von Studien aus verschiedenen Ländern habe 2016 mögliche Veränderungen in den Bereichen Stromverbrauch und Raumwärme von nicht mehr als einem Prozent ergeben.

Als belegt gilt indes, dass das bisherige Hin und Her bei der Zeitumstellung die Gesundheit beeinträchtigt, weil unsere innere Uhr jedes Mal durcheinandergerät. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit schreibt auf Basis einer repräsentativen Umfrage, dass 29 Prozent der Menschen in Deutschland nach einer Zeitumstellung an körperlichen oder psychischen Problemen litten. Sie fühlten sich schlapp und müde oder hätten Einschlaf- und Durchschlafstörungen. 76 Prozent der Befragten fänden, dass die Umstellung überflüssig sei und abgeschafft gehöre.

Mit Agenturmaterial