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Das Kaiser’s-Tengelmann-Kartell

Die Inszenierung war zu schön, um wahr zu sein. Vor 2.500 Mitarbeitern von Kaiser’s ruft die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Janetta Jöckertitz: „Wir sind keine Spielbälle von Managern und Behörden“. Und die Berliner Arbeitssenatorin Dilek Kolat mahnt die beteiligten Unternehmen, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden und die Beschäftigten in den Mittelpunkt zu stellen.

Und schon besinnen sich die Chefs von , Rewe, , Markant und Norma bei ihrem Spitzentreffen in Frankfurt und haben plötzlich ein gemeinsames Ziel: Die Umsetzung der Ministererlaubnis für die Fusion von und Kaiser’s Tengelmann. Und damit die Garantie aller Arbeitsplätze bei der schwer angeschlagenen Supermarktkette – zumindest für fünf Jahre.

Doch wer wirklich denkt, die Topmanager hätten angesichts der Not der Mitarbeiter plötzlich ihr soziales Gewissen entdeckt, der glaubt auch noch an Märchen. Hier geht es nicht darum, selbstlos ein marodes Unternehmen zu retten. Hier geht es um knallharte Machtinteressen. Und um den Kampf um Marktanteile.

Alle haben offenbar kühl kalkuliert – und festgestellt, dass sie sich bei einem Kuhhandel unter Umständen besser stellen können, als wenn die Situation eskaliert und Kaiser’s Tengelmann unkontrolliert zerschlagen wird. Mit ihrer Klage gegen die Ministererlaubnis haben Rewe, Markant und Norma ein Pfund in der Hand, das sie sich teuer bezahlen lassen werden. Sie haben die exklusive Chance, sich mit attraktiven Standorten oder Geldzahlungen abfinden zu lassen.

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Die Verlierer sind dann alle die, die nicht mit am Tisch sitzen. Denn wenn Kaiser’s Tengelmann in Einzelteilen verkauft würde, könnten auch Konkurrenten zum Zuge kommen, etwa die mittelständische Bünting-Gruppe, die Schweizerische Migros oder Discounter wie Aldi und . Das Kaiser’s-Tengelmann-Kartell, das gestern in Frankfurt getagt hat, hielte sie mit einer Einigung geschickt außen vor.

So zementierten Rewe-Chef Alain Caparros und Edeka-Chef Markus Mosa geschickt ihre Vormachtstellung in der Branche. Erreicht würde damit genau das, wovor das Bundeskartellamt gewarnt hat: die weitere Konzentration in der Branche. Für die Verbraucher sind das schlechte Nachrichten, nimmt damit doch die Vielfalt ab, während die Preise langfristig steigen dürften.


Was ist die staatlich verordnete Jobgarantie wert?

Freuen könnte sich -Chef Karl-Erivan Haub. Er würde sein Sorgenkind los - ohne sein Gesicht komplett zu verlieren. Und die Gewerkschaft Verdi, die das Treffen initiiert hat, könnte sich als Retter der Arbeitsplätze feiern lassen. Immer vorausgesetzt, das Kartell von Frankfurt findet überhaupt zu einer Einigung.

Viele reden jetzt davon, dass Kaiser’s gerettet würde. Doch dieses Unternehmen ist längst Geschichte. Die berühmte Kaffeekanne wandert ohnehin ins Museum. Es geht nur noch darum, die Märkte und Standorte auf dem Spielfeld so zu verschieben, dass alle Beteiligten ihren Interessen gewahrt sehen.

Die Mitarbeiter sind in diesem Machtkampf nur Spielbälle, die von einem Unternehmen zum anderen geschoben werden, so wie es der Kuhhandel erfordert. Ob dabei zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen, ist mehr als fraglich. In fünf Jahren spätestens wird sich zeigen, was staatlich verordnete Jobgarantien wert sind. Dann werden unrentable Märkte geschlossen und überzählige Arbeitsplätze wegrationalisiert. Schließlich geht es nicht um soziales Gewissen, sondern um Geschäftsinteressen.

KONTEXT

Die schier unendliche Geschichte einer Übernahme

7. Oktober 2014

Die Tengelmann-Gruppe gibt bekannt, aus dem Supermarktgeschäft auszusteigen und seine 451 Kaiser's-Tengelmann-Filialen mit knapp 16.000 Angestellten an Edeka verkaufen zu wollen.

17. Februar 2015

Das Bundeskartellamt äußert Bedenken wegen einer möglichen "Verdichtung der ohnehin schon stark konzentrierten Marktstrukturen" und Nachteilen für Verbraucher und Lebensmittel- und Konsumgüterhersteller.

1. April 2015

Das Kartellamt untersagt die Übernahme. Die Unternehmen gehen gegen das Verbot gerichtlich vor.

28. April 2015

Tengelmann und Edeka beantragen bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Sondererlaubnis, um das Nein des Kartellamts auszuhebeln. Sie betonen, dass nur die Gesamtübernahme durch Edeka die 16.000 Arbeitsplätze von Kaiser's Tengelmann sichere und bei einer Zerschlagung mindestens 8000 Stellen wegfallen würden.

3. August 2015

Die Monopolkommission fordert Gabriel auf, das Geschäft nicht zu genehmigen - auch nicht unter Auflagen. Sie argumentiert, dass mögliche Gemeinwohlvorteile die zu erwartenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufwiegen. Zudem zweifelt die Kommission die Jobsicherung an: Bei Doppelstandorten könnten Stellen bei Edeka wegfallen.

12. Januar 2016

Gabriel stellt eine Ministererlaubnis unter Bedingungen in Aussicht. Er kündigt an, das Geschäft zu genehmigen, wenn Edeka 97 Prozent der Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens fünf Jahre sichert. Auch soll Edeka die drei Birkenhof-Fleischwerke mindestens drei Jahre halten.

22. Februar 2016

Gabriel verschärft die Auflagen: Zusätzlich zu den "aufschiebenden Bedingungen", die vor Vollzug der Übernahme erfüllt sein müssen, formuliert er "auflösende Bedingungen". Das Geschäft könnte damit bei Verstößen gegen diese Auflagen rückgängig gemacht werden.

17. März 2016

Der Minister gibt seine Erlaubnis unter Auflagen bekannt. Er begründet dies mit der Sicherung der Arbeitsplätze. Rewe, Markant und Norma reichen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein. Parallel stellen Rewe und Markant einen Eilantrag, um zu verhindern, dass die Übernahme vor der Gerichtsentscheidung unter Dach und Fach gebracht wird.

12. Juli 2016

Das OLG Düsseldorf legt die Übernahme auf Eis. Es stuft die Ministererlaubnis im Eilverfahren als rechtswidrig ein - unter anderem wegen möglicher Befangenheit Gabriels. Außerdem sieht das Gericht im Erhalt der Arbeitnehmerrechte keinen Gemeinwohlgrund. Gabriel weist die Vorwürfe zurück.

4. August 2016

Edeka legt gegen den OLG-Eilbeschluss beim Bundesgerichtshof (BGH) eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde ein. Auch Tengelmann und das Bundeswirtschaftsministerium rufen den BGH kurz darauf an.

9. August 2016

Edeka hat sämtliche Tarifverträge mit Verdi für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann in der Tasche. Wenige Tage später folgt die Einigung mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten für die rund 400 Beschäftigten der drei Birkenhof-Fleischwerke. Damit erfüllt Edeka Auflagen der Ministererlaubnis.

11. August 2016

Das OLG Düsseldorf setzt für den 16. November eine Verhandlung für das Hauptverfahren gegen die Ministererlaubnis an. Am 15. November will der BGH über die Beschwerden gegen das Vorgehen des OLG aus dem Eilverfahren entscheiden.

22. September 2016

Verdi ruft zu einem Spitzengespräch. Tengelmann, Edeka, Rewe, Markant und die Gewerkschaft einigen sich darauf, an einer "tragfähigen, gemeinsamen Lösung" arbeiten zu wollen.

23. September 2016

Nach einer Aufsichtsratssitzung erklärt Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, er gebe der Suche nach einer gemeinsamen Lösung noch eine letzte Chance. Die Frist dafür beträgt zwei Wochen. Dann entscheidet er, ob er die Kette zerschlägt.

6. Oktober 2016

Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.