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Verzwickte Entscheidung: Jede Reform des Strommarkts hat einen Haken

(Bloomberg) -- Um den Winter zu überstehen, hortet die Europäische Union Erdgas. Aber sie versucht auch, ein größeres Problem zu lösen: die Verbindung zwischen Gas- und Strompreisen ganz zu kappen.

Derzeit prägt das Merit-Order-Prinzip die Elektrizitätskosten. Dies bedeutet, dass die teuerste Form der Stromerzeugung - meist Gaskraftwerke - den Preis auch für den Strom bestimmt, der kostengünstiger produziert wird. Windstromanbieter können so zum Beispiel hohe Gewinne einstreichen.

Bloomberg gibt einen Überblick über die Optionen, die die EU beim Umbau des Energiemarktes in Betracht zieht. Das Vorhaben ist dabei durchaus heikel. Misslungene Änderungen könnten sowohl den Energiemangel verschärfen als auch den geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien gefährden.

Gaspreis-Deckel

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Als Überbrückungsmaßnahme zur Eindämmung der Strom-Inflation hat die EU eine allgemeine Obergrenze für die Gas-Großhandelspreise in Erwägung gezogen. Die technischen Details sind jedoch knifflig. Bei einem solchen Schritt müsste vermieden werden, von Einsparungen abzuhalten, Strom für ausländische Verbraucher zu subventionieren oder Importe abzuschneiden. Kritiker haben die EU aufgefordert, vorsichtig vorzugehen.

“Das Großhandelspreissignal darf nicht behindert werden”, sagt Steffen Köhler, Chief Operating Officer der Leipziger Strombörse European Energy Exchange. “Es ist wichtig für das Risikomanagement. Lassen Sie den Großhandelsmarkt zuerst über einen Preis entscheiden. Und wenn man dann wirklich eine Obergrenze einführen will, sollte man dies so spät wie möglich tun.”

Die Europäische Kommission hat, um die Preisvolatilität einzudämmen und die Energiekrise zu entschärfen, eine vorübergehende, dynamische Obergrenze in Erwägung gezogen. Die EU-Staaten sollen auf einer für den 24. November angesetzten Dringlichkeitssitzung über die kurzfristigen Vorschläge der Kommission befinden. Ob es dabei auch um eine Obergrenze für die Großhandelspreise für Gas gehen wird, ist unklar.

Iberisches Modell

Eine ähnliche kurzfristige Lösung wäre die Begrenzung der Preise für Gas, das für die Stromerzeugung genutzt wird. Dies wird bereits in Spanien und Portugal praktiziert. Das so genannte “iberische Modell” könnte die Großhandelspreise europaweit um 10% bis 35% senken, wie der finnische Energietechnik-Konzern Wartsila Oyj schätzt.

Wie bei einer umfassenderen Obergrenze könnte eine Preissenkung die Energieeffizienz beeinträchtigen und die Stromexporte erhöhen. Länder wie die Niederlande, die viel Gas für die Stromerzeugung verwenden, könnten für einen höheren Anteil der Kosten aufkommen müssen. Zudem könnten einige Erzeuger enorme Gewinne erzielen, wenn sie ihre Produktion bereits auf Termin verkauft haben und eine Rückerstattung erhalten.

Einnahmengrenzen

Stromerzeuger, die keine Gaskraftwerke verwenden, können sich durch das Merit-Order-Prinzip große Gewinne sichern. Die schnelle Lösung einer Einnahmenobergrenze könnte diese Profite begrenzen und den Überschuss zum Ausgleich der Haushaltsbelastungen verwenden. Die EU hat sich darauf geeinigt, von Dezember bis Juni nächsten Jahres einen solchen Deckel von 180 Euro pro Megawattstunde einzuführen.

“Der größte Nachteil ist, dass potenzielle Gewinne effizienten, sauberen und billigen Technologien entzogen werden, was sich negativ auf längerfristige Investitionen auswirkt”, warnt Fabian Ronningen, Energieanalyst bei Rystad AS.

Ein weiterer heikler Aspekt dieses Plans ist der Umgang mit Hedging und Terminmärkten. Die Stromerzeuger verkaufen einen Großteil ihrer erwarteten Produktion Monate oder Jahre im Voraus. Damit ist nur sehr wenig Gewinn abzuschöpfen, wenn die Unternehmen ihre zukünftige Produktion bereits zu niedrigeren Preisen verkauft haben.

Aufteilung des Marktes

Längerfristig könnte Europa den Großhandelsmarkt in zwei Teile aufspalten. Das derzeitige Merit-Order-Prinzip für die Stromerzeugung mittels fossiler Brennstoffe bliebe damit erhalten. Für erneuerbare Energien indessen würde ein separater Markt geschaffen, auf dem die Preise zum Zeitpunkt der Versteigerung festgelegt würden.

Schritte in diese Richtung hat bereits Großbritannien unternommen. Hier soll ein Mechanismus mittels Contracts for Difference den grünen Stromerzeugern feste Einnahmen bescheren. Die CfDs verhindern, dass Windkraftanlagen massive Gewinne aus den hohen Gaspreisen ziehen. Überschüssige Mittel werden an die Versorger zurückgegeben, um die Rechnungen der Verbraucher zu subventionieren.

Die Herausforderung bei CfDs besteht in der Bestimmung der richtigen Einnahmenhöhe, die für ein Jahrzehnt oder länger festgelegt werden kann.

Standortbezogene Preise

Um die Kosten von Übertragungsengpässen widerzuspiegeln, könnten längerfristig lokale Strompreise eingeführt werden, wie es in den nordischen Ländern und den USA in unterschiedlicher Form bereits praktiziert wird.

Ein Abweichen von einheitlichen Großhandelspreisen im ganzen Land könnte allerdings das Investitionsrisiko erhöhen, “da die Preise bei Veränderungen des lokalen Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage schwanken können”, wie Coralie Laurencin von S&P Global Commodity Insights anmerkt.

In Großbritannien führen die knappen Netzkapazitäten zwischen Schottland und England dazu, dass Stromerzeuger im Norden oft für das Abschalten bezahlt werden müssen - was die Kosten für die Verbraucher erhöht. Die Regulierungsbehörde Ofgem erörtert deshalb die Möglichkeit standortbezogener Preise.

Pay-as-Bid

Die Stromauktionen für die Lieferung am nächsten Tag werden derzeit nach dem Prinzip “Pay-as-Cleared” durchgeführt. Jeder erhält dabei den Preis, für den der teuerste Erzeuger Strom anbietet. Dies könnte durch das Prinzip “Pay-as-Bid” ersetzt werden, bei dem die Preise näher an den jeweiligen Produktionskosten der einzelnen Erzeuger liegen würden. Ein Windpark würde seinen Strom damit auf demselben Markt verkaufen wie ein Gaskraftwerk, nur zu einem viel niedrigeren Preis.

“Ein gewichteter Durchschnittspreis, der auf einer Pay-as-bid-Auktion basiert, könnte den Stromerzeugungsmix genauer widerspiegeln und möglicherweise den Einfluss von Gas auf die Strompreise in Märkten mit einem hohen Anteil an Nicht-Gas-Stromerzeugung begrenzen”, so Laurencin. Dieser Markteingriff könnte allerdings verstärkt Spekulanten am Strommarkt auf den Plan rufen und dazu führen, dass die Strompreise nicht oder nur geringfügig sinken, fügte sie hinzu.

Nichts tun

Einige Analysten halten eine langfristige Neugestaltung des Strommarkts in der EU für nicht erforderlich und sehen höchstens Raum für vorübergehende Interventionen. Die derzeit geplante Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien bedeute, dass billigere Energiequellen zunehmend die Strompreise bestimmen werden, da größerer Kapazitäten am Windkraft und Solareneergie aufgebaut werden und letztlich keine Erdgasverstromung mehr benötigt werde.

„Wir sehen, dass der Markt auch in Richtung 2050 und langfristig im aktuellen Marktdesign sehr gut funktioniert“, sagte Sebastian Braun, Head of Power and Hydrogen Quant Analytics bei ICIS.

Überschrift des Artikels im Original:Europe’s Imperfect Options for Transforming Its Energy Markets

--Mit Hilfe von John Ainger, Isabella Anderson, Anna Shiryaevskaya und Stephen Stapczynski.

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