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Übernahmekampf bei ProSiebenSat.1: Greift Silvio Berlusconi mit seinem Konzern Mediaset nach der Macht beim großen deutschen Privatsender?

Die Pro7Sat.1-Zentrale bei München.
Die Pro7Sat.1-Zentrale bei München.

Pro7 hat in den letzten Jahren viel dafür getan, als der „Coole“ unter den vielen deutschen Sendern zu gelten – vor allem bei der werberelevanten Zuschauergruppe der 14- bis 49-Jährigen. Das ist den Münchnern vor allem mit originellen Formaten seiner Stars Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Christian Ulmen, Fahri Yardim, Palina Rojinski, Olli Schulz und vielen weiteren gelungen.

Dieser Erfolg wurde aber nicht nur durch das lineare Fernsehen eingefahren. Im Konzern erkannte man früh, dass man die Angebote rasch digitalisieren müsse, vor allem der neue Vorstandsvorsitzende Rainer Beaujean verfolgt die Digitalisierungsstrategie konsequent. Neue Inhalte werden nicht mehr nur für das lineare Fernsehen gedacht, sondern gleich für alle Ausspielwege geplant. Etwa für die Streaming-Plattform Joyn und die anderen Kanäle des Senders. In der Fachsprache nennt man das „Windowing“. Auf diese Weise wird über alle Plattformen gescherzt, gelacht und vor allem unterhalten bei ProSiebenSat.1 (Pro7Sat1).

Hinter den Kulissen läuft derweil allerdings ein knallharter Machtkampf im Konzern. Der italienische Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi will nach Informationen von Business Insider seinen Einfluss bei dem deutschen Sender ausweiten – und sogar Konzernchef Rainer Beaujean loswerden. Berlusconis Medienkonzern Mediaset hält bereits rund 23 Prozent an ProSiebenSat.1 und hat erst vor einigen Monaten aufgestockt. Die Anteile bestehen zu Teilen auch aus Derivaten und Optionen – Berlusconi plant, diese in stimmberechtigte Aktien umzuwandeln. Der Zeitpunkt scheint den Italienern dafür recht günstig zu sein. Im kommenden Jahr läuft nämlich Beaujeans Vertrag aus – und drei Posten im Aufsichtsrat müssen ebenfalls verlängert oder neu besetzt werden. Nach Informationen von Business Insider hat der italienische Ex-Regierungschef auch dafür Pläne geschmiedet: Er möchte drei „unabhängige Experten“ in das Aufsichtsgremium schicken.

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Rainer Beaujean steht Berlusconi bei diesem Vorhaben allerdings noch im Weg. Der Top-Manager ist gegen eine Ausweitung der Macht des Berlusconi-Imperiums. Genau das ist nach Informationen von Business Insider auch der eigentliche Grund, weshalb der Ex-Regierungschef den Sender-Chef absägen will. Dafür, so heißt es, soll Berlusconis Konzern Geschichten über die Presse lancieren, die Beaujean fehlende Konzepte für sein Haus vorwerfen, ein nicht durchdachtes Sammelsurium an zusammengekauften Firmen – und ausbleibenden Erfolg. Schließlich werde gestreut, dass Beaujean und seine Leute nicht mit der Berlusconi-Seite zusammenarbeiten wollen, seitdem diese vor rund zweieinhalb Jahren bei ProSiebenSat.1 eingestiegen sind.

Aus Unternehmenskreisen heißt es, dass das genaue Gegenteil der Fall sei. Beaujean und sein Vorstand machen Berlusconis Konzern seit dem Einstieg Gesprächsangebote, bei jeder Verkündung von Quartals- und Halbjahreszahlen werden Runden mit dem Investor-Relations-Chef oder mit Beaujean persönlich angeboten. Eingangen sei der Berlusconi-Konzern darauf in den zweieinhalb Jahren kein einziges Mal – es habe bisher so gut wie keine Gespräche zwischen den beiden Parteien gegeben. Es herrscht Stille.

Am Donnerstag morgen legte das Unternehmen aktuelle Zahlen vor. Im dritten Quartal wuchs der Umsatz von Pro7Sat1 um 15 Prozent auf 1,05 Milliarden Euro. Der Konzern erzielte einen Gewinn vor Steuern und Abgaben von 162 Millionen Euro und ist auch hier um 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Gerade im Werbesegment, bei der relevanten Zielgruppe, gab es ebenfalls ein Wachstum von 18 Prozent. Es sind zweistellige Wachstumsraten, die der Konzern präsentiert – und starke Argumente für Beaujean.

Mit den Vorgängen vertraute Personen versuchen auch den Eindruck zu korrigieren, dass die unterschiedlichen Geschäftsfelder bei Pro7Sat1 chaotisch seien – und untereinander kaum Synergieeffekte bestünden. Der Konzern steht nämlich auf drei Pfeilern: der Unterhaltung, Datingplattformen und dem Segment Commerce & Ventures. Zum Konzern gehören etwa Elitepartner, Paarship oder die US-Datingplattform E-Harmony.

Wirklich interessant ist aber das Segment Commerce & Ventures, bei dem durchaus Synergien bestehen zum Fernsehen. Denn dort hatte Pro7Sat1 vor einigen Jahren nicht ausgebuchte Werbeabschnitte im Programm – und stand vor der Entscheidung, diese verfallen zu lassen – oder sich etwas Originelles zu überlegen. Der Konzern bot schließlich vielversprechenden Startups an, bei Pro7Sat1 zu werben. Diese konnten das zwar nicht bezahlen – Pro7Sat1 forderte dafür stattdessen Unternehmensanteile. Ein gutes Beispiel: Die „Schrei vor Glück“-Kampagne von Zalando. Aus Brachenkreisen heißt es, dass der E-Handelsriese erst durch diese Werbung richtig bekannt geworden ist. Zalando hatte also einen Nutzen – und Pro7Sat1 die Anteile, die es später für viel Geld verkauft hat. Gleiches wiederholte der Sender bei ehemaligen Startups wie About You oder Amorelie.

Mit einem hat Berlusconi wohl aber Recht – Beaujean will ihn bei Pro7Sat1 nicht gewähren lassen. Vor allem sieht der Vorstandsvorsitzende nicht, was Mediaset dem deutschen Unternehmen bringen sollte. Berlusconi werkelt gerade an einem europäischen Medienkonglomerat, der „Media for Europe Holding“, in der er offenbar auch Pro7Sat1 unterbringen will. Der Sender und sein Vorstand sehen auch dort keinen Nutzen für sich. Aus Unternehmenskreisen heißt es, dass gerade in der Unterhaltung Regionalität sehr wichtig sei. Humor, Geschmack und Sprache unterscheiden sich grundlegend in den unterschiedlichen Regionen Europas. Der einzige Bereich, wo eine Kooperation Sinn ergeben würde, sei im Bereich der Software und Technik zur Schaffung einer gemeinsamen Plattform, auf der Inhalte für die jeweiligen Märkte angeboten werden. Hier würde Pro7Sat1 allerdings deutlich mehr an den Tisch bringen als Mediaset, das bei der Digitalisierung seiner Angebote und Strukturen Jahre zurückliege, heißt es.

Eine Übernahme würde die deutsche Politik auf den Plan rufen. Vor allem die CSU reagiere allergisch auf die Versuche Berlusconis, erfuhr Business Insider. Edmund Stoiber (CSU) sitzt etwa im Beirat bei Pro7Sat1. In der Partei sei den Vorderen noch lebhaft vor Augen, in welchem Maße Berlusconi politischen Einfluss auf seine Medien in Italien ausgeübt habe, vor, während und nach seiner Regentschaft.

Der italienische Ex-Regierungschef weiß um die Befindlichkeiten der deutschen Politik, hält sich wohl auch deswegen seit seinem Einstieg beim Sender weitestgehend bedeckt – und will sich und seine Leute nicht in den Vordergrund spielen.

Auch deswegen soll er die drei Posten im Aufsichtsrat mit „unabhängigen“ Branchen-Experten – und nicht mit Mediaset-Managern besetzen wollen. Im Hintergrund sollen die Berlusconi-Leute zudem versuchen, heißt es, einen Keil zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Beaujean und Werner Brandt, dem Chef des Aufsichtsrates bei Pro7Sat1, zu treiben. Demnach sollen sie bereits die Geschichte lancieren, dass Brandt mit der Arbeit von Beaujean unzufrieden sei und finde, dass dieser eine Fehlbesetzung sei.

Bei Pro7Sat1 scheint man davon Wind bekommen zu haben. Die Auseinandersetzung mit Mediaset wollte der Sender zwar nicht kommentieren, schickte aber vielsagend ein Statement des Aufsichtsratsvorsitzenden Brandt als Antwort zurück. „Der Aufsichtsrat unterstützt voll und ganz den Vorstand und die Strategie von ProSiebenSat.1. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung des Unternehmens, seitdem Rainer Beaujean mit seinem Team im März 2020 das Unternehmen leitet.“ Mediaset ließ Fragen von Business Insider zum Machtkampf hingegen unbeantwortet.

Sollte Berlusconi doch Erfolg haben mit einer Übernahme, würde sich die Frage stellen, ob die Stars des Senders nicht von Board gehen würden. Vor einigen Monaten haben Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf mit dem Beitrag "Männerwelten" für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Darin beschäftigen sich die beiden zusammen mit Palina Rojinski und Sophie Passman mit Frauen, die Opfer von sexualisierter Gewalt im Netz wurden. Ein wiederkehrendes Thema: sogenannte "dickpicks", die Männer Frauen ungefragt zusenden. Wie die Initiatoren dieses Beitrags in Zukunft mit dem Mann zusammenarbeiten könnten, der die berüchtigten "Bunga-Bunga-Sexpartys" ausgerichtet und minderjährige Sexarbeiterinnen eingeladen haben soll, ist dann zu klären.