Ökonomen fordern „Gold-Euro“ als alternative Währung
Thomas Mayer ist für unkonventionelle Vorschläge bekannt. Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank sorgte zum Beispiel schon mit der Idee einer Parallelwährung für Griechenland (Geuro) für Aufsehen. Im vergangenen Jahr lud ihn der damalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis nach Athen ein, um über das Konzept mit ihm zu diskutieren. Die Idee ist vorerst vom Tisch.
Jetzt hat Mayer zusammen mit den Ökonomen Thorsten Polleit und Ulrich van Suntum einen ähnlich kontroversen Vorschlag entwickelt. Das Trio . Dieser soll aus ihrer Sicht zwei Funktionen erfüllen: Zum einen solle er Geldanleger „vor der Belastung durch Negativzinsen sowie vor drohenden Inflationsgefahren schützen.“ Zum anderen sehen die Ökonomen ihn als potentielles Notgeld und dauerhafte Währung, falls die Euro-Zone auseinanderbrechen sollte.
Die Autoren verbindet ihre Skepsis gegenüber dem Euro und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Thorsten Polleit ist Chefökonom der Degussa Goldhandelsbank und seit Jahren Verfechter einer Goldwährung. Ulrich van Suntum lehrt als Professor für Volkswirtschaft an der Uni Münster und ist gleichzeitig nordrhein-westfälischer Landeschef der Euro-kritischen Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch, die sich von der Alternative für Deutschland abgespalten hat.
Andere Ökonomen sind hingegen skeptisch. „Gold ist schön“, sagt etwa Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Es eigne sich bestens als Schmuck und als Beigabe zu einem breit aufgestellten Portfolio. „Aber ist alles andere als sicher.“ Kaum ein Vermögenswert schwanke so stark im Wert und sei derart leicht durch Angebotskartelle zu manipulieren. „Der Vorschlag eines Gold-Euros ist deshalb wenig hilfreich. Statt eines Stabilitätsankers könnte Gold eine Quelle zusätzlicher Instabilität sein.“
Die drei Ökonomen um Thomas Mayer fürchten dagegen, dass es wegen der ultralockeren Geldpolitik in der Euro-Zone irgendwann zu einer starken Inflation kommt. Vor dieser Gefahr könne der „Gold-Euro“ schützen.
Die meisten anderen Ökonomen fürchten derzeit hingegen eher eine langanhaltende Phase sehr niedriger Inflation und warnen vor der Gefahr einer Deflation, also einer Spirale aus sinkenden Preisen und wirtschaftlichem Niedergang. Zudem verweisen sie darauf, dass die Notenbanken jahrzehntelange Erfahrung im Kampf gegen Inflation hätten und deshalb effektiv reagieren könnten, falls es doch zu höheren Preissteigerungen kommen sollte. „Selbstverständlich wird es in der Zukunft auch mal wieder höhere Inflationsraten geben als heute. Aber für absehbare Zeit sind die Inflationsrisiken weit geringer als üblich, “ meint Schmieding.
Welchen Vorteil sollte der Gold-Euro bringen?
Tatsächlich hat die wie andere große Notenbanken weltweit ihre Bilanz seit der Finanzkrise drastisch ausgeweitet: Anfang 2007 lag die Bilanzsumme noch bei knapp über einer Billion Euro – inzwischen sind es über drei Billionen Euro.
Dennoch steigen die Preise in der Euro-Zone nur sehr schwach, weil das geschaffene Zentralbankgeld kaum in der Realwirtschaft ankommt. Mayer und seine Kollegen argumentieren jedoch, dass sich dies irgendwann ändern dürfte. Und wenn ein inflationärer Prozess erst einmal in Gang komme, sei er nur schwer zu kontrollieren.
Deshalb bringen die drei Ökonomen ihren Vorschlag eines „Gold-Euro“ ins Spiel. Sie fordern, das Finanzministerium solle die Ausgabe einer realen oder virtuell in denominierten Münze (Gold-Euro) zulassen. Dieser könne ein Gramm physisches Gold enthalten, ein virtueller Gold-Euro dementsprechend einen Anspruch auf ein Gramm Gold. Der Wechselkurs der Alternativwährung zum Euro würde dann im Wesentlichen durch den Goldpreis bestimmt.
Die Autoren erwarten, dass alltägliche Zahlungen weiterhin in normalen Euro erfolgen, da der Wechselkurs des Gold-Euros täglich schwankt. Der Gold-Euro würde dann nach ihren Vorstellungen vor allem als Wertaufbewahrungsmittel dienen. „Dies könnte sich jedoch ändern, wenn die Inflationsrate deutlich ansteigen und instabil werden würde, oder der Euro-Raum gar ganz auseinanderbrechen würde,“ schreiben sie.
Doch wer tatsächlich Zweifel am Währungssystem hat, kann auch heute schon Gold kaufen. Welchen Vorteil also sollte der Gold-Euro bringen? Die Autoren um Mayer sehen den Nutzen darin, dass die Wertaufbewahrung durch solche realen und virtuellen Goldmünzen einfacher und sicherer würde. „Auch Anleger ohne Wertpapierdepot könnten durch den Erwerb von Goldmünzen Ersparnisse in Gold bilden“, schreiben sie. Zudem könne sich „der virtuelle Gold-Euro mittels der Blockchaintechnologie kosteneffizient zu einem Mittel für bargeldlose Zahlungen entwickeln.“
KONTEXT
Die Goldbarren der Bundesbank - und wo sie liegen
Frankfurt
Lagerort: Deutsche Bundesbank
Anzahl der Barren: 95.364
Gewicht: 1.200 Tonnen
London
Lagerort: Bank of England
Anzahl der Barren: 35.066
Gewicht: 439 Tonnen
New York
Lagerort: Federal Reserve Bank of New York
Anzahl der Barren: 115.431
Gewicht: 1450 Tonnen
Paris
Lagerort: Banque de France
Anzahl der Barren: 24.455
Gewicht: 308 Tonnen
Quelle
Deutsche Bundesbank. Stand: 31.12.2014 (veröffentlicht am 7.10.2015)
KONTEXT
Die Goldreserven der Staaten
USA
Bestand: 8133,5 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 72 Prozent
Quelle: World Gold Council
Deutschland
Bestand: 3384,2 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 67 Prozent
Frankreich
Bestand: 2435,4 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 65 Prozent
China
Bestand: Ende Juni 2015 besaß der chinesische Staat 1658 Tonnen, wie die Regierung im Juli 2015 mitteilte. Davor hatte es zuletzt für 2009 offizielle Angaben gegeben - damals war von nur 1054 Tonnen die Rede.
Anteil an staatlichen Reserven: 1 Prozent
Schweiz
Bestand: 1040,1 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 7 Prozent
Russland
Bestand: 1149,8 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 10 Prozent
Indien
Bestand: 557,7 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 7 Prozent
Großbritannien
Bestand: 310,3 Tonnen
Anteil an staatlichen Reserven: 11 Prozent