Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.492,49
    +15,40 (+0,08%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.083,42
    +1,68 (+0,03%)
     
  • Dow Jones 30

    39.807,37
    +47,29 (+0,12%)
     
  • Gold

    2.254,80
    +16,40 (+0,73%)
     
  • EUR/USD

    1,0778
    -0,0015 (-0,14%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.240,93
    +521,55 (+0,81%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    83,11
    -0,06 (-0,07%)
     
  • MDAX

    27.043,04
    -48,91 (-0,18%)
     
  • TecDAX

    3.454,38
    -2,98 (-0,09%)
     
  • SDAX

    14.294,62
    -115,51 (-0,80%)
     
  • Nikkei 225

    40.370,77
    +202,70 (+0,50%)
     
  • FTSE 100

    7.952,62
    +20,64 (+0,26%)
     
  • CAC 40

    8.205,81
    +1,00 (+0,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.379,46
    -20,06 (-0,12%)
     

Zwei Schritte vor, einer zurück

Weltweit leiden heute weniger Menschen an Mangelernährung als noch im Jahr 2000 – das ist die gute Nachricht des Welthunger-Index 2017. Doch die Verbesserungen sind nur regional zu spüren. In Afrika bleibt das Leid groß.

Die Zahlen sind alarmierend: Erstmals nach gut einem Jahrzehnt nahm die Zahl der Hungernden im vergangenen Jahr wieder zu. Sie stieg laut Welternährungsorganisation FAO von 777 auf 815 Millionen Menschen, so eine Statistik der Vereinten Nationen. Das sind 38 Millionen mehr als im Vorjahr – jeder zehnte Mensch auf der Welt ist betroffen. Das Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen, bis 2030 den Welthunger vollständig zu bekämpfen, rückt damit in weite Ferne.

Dennoch gibt es Grund für Optimismus. Das zeigt der zwölfte Bericht zum Welthunger-Index (WHI), den die Welthungerhilfe am Donnerstag in Berlin präsentierte. Demnach lösen jüngste Krisen und Katastrophen wie die Konflikte im Syrien oder im Jemen, derzeit zwar wieder vermehrt Hungersnöte aus. Der langfristige Trend ist allerdings positiv. Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, resümierte bei der Präsentation vorsichtig: „Es gibt Fortschritte in einigen Länder. Andere bleiben davon aber weiterhin ausgeschlossen.“

Im Gesamtbild machen sich die Teilfortschritte bemerkbar. So verbesserte sich in den vergangenen 17 Jahren der Gesamtwert des WHI, der sich aus vier Indikatoren zusammensetzt, um 27 Prozent. In Ländern wie Kambodscha, Myanmar und Kenia waren die Fortschritte besonders stark: Waren beispielsweise in Kambodscha im Jahr 2000 noch etwa 46 Prozent der Bevölkerung von Hunger betroffen, sind es derzeit nur noch rund 22 Prozent. Dennoch landet das südostasiatische Land im WHI-Ranking auf Platz 75 von insgesamt 119. Deutlich beruhigt hat sich die Lage in Brasilien, Peru und Senegal – die Welthungerhilfe stuft die Krisenlage dort nur noch als „mäßig“ ein.

Außergewöhnlich schlecht dagegen verlief die Situation in der Zentralafrikanischen Republik. In den vergangenen 17 Jahren gab es keinerlei Verbesserungen. Mit rund 51 Prozent ist der Anteil an Hungernden in der Bevölkerung hier so groß wie nirgendwo sonst in den untersuchten Staaten. Stillstand auch in Sri Lanka: Waren dort 2000 rund 26,8 Prozent der Bevölkerung betroffen, sank der Wert bis 2017 lediglich um 1,3 Prozent.

WERBUNG

Insgesamt hat die Organisation in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungs- und Entwicklungspolitik (Ipfri) 119 Länder untersucht. Für 13 Länder konnte kein Wert ermittelt werden – neun davon gäben dennoch Anlass „zu ernster Besorgnis“, so der WHI-Bericht. Darunter sind die Krisengebiete Libyen, Somalia, Südsudan und Syrien. „Nicht auszuschließen, dass eines dieser Länder noch hinter der Zentralafrikanischen Republik gelandet wäre, wenn wir dort hätten messen können“, sagte Ipfri-Forscher Klaus von Grebmer in Berlin.

Laut Grebmer gebe es zwei Faktoren, die maßgeblich zu einer Hungersnot beitragen: Schlechte Regierungsführung und Kriege. Alles in allem sei der Kampf gegen Hunger deshalb „keine große Hexerei“ – wenn die Bereitschaft der lokalen Machthaber und der internationalen Gemeinschaft da wäre, den Betroffenen zu helfen. Besonders dringend ist die Lage laut WHI-Bericht neben der Zentralafrikanischen Republik derzeit in Sudan, Jemen, Sambia, Madagaskar, Sierra Leone, Tschad und Liberia.


Hauptursachen von Hunger: Schlechte Staatsführung und Kriege

Einen Fokus legt der diesjährige Bericht auf das Thema Ungleichheit, neben Kriegen und schlechter Staatsführung eine der Hauptursachen für Hunger. In Uganda etwa, das im Ländervergleich auf Platz 103 landet, zeigt sich: Hunger ist auch eine Frage des Geschlechts. So sind rund 37 Prozent der ugandischen Jungen wachstumsverzögert, bei den Mädchen sind es etwa 29 Prozent. Noch größer ist die Schere zwischen armen und reichen Familien – nämlich fast 15 Prozent.

Die Welthungerhilfe-Präsidentin Dieckmann kommentierte: „Es klingt wie eine Binsenweisheit, aber in Ländern mit großer Ungleichheit haben wir auch großen Hunger.“ Eine große Rolle spiele dabei auch der Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung: „Drei von vier Hungernden leben in ländlichen Gebieten.“ Um die Differenzen auszugleichen, brauche es flächendeckend soziale Sicherungssysteme und gerechte Steuersysteme. „Sonst lässt sich das UN-Ziel ‚Zero Hunger‘ bis 2030 nicht erreichen.“

In einer Studie des Welternährungsprogramms (WFP) vom Juni 2017 gilt Hunger als Hauptursache für Fluchtbewegungen. Demnach korreliert die Zahl der von Hunger bedrohten Menschen mit der Zahl der weltweiten Flüchtlinge: Steigt erstere um einen Prozent, steigt die zweite sogar um 1,9 Prozent.

„Schon vor fünf Jahren haben wir gewarnt: Wenn in der Hungerbekämpfung in Afrika nichts passiert, werden die Menschen sich auf den Weg hierher machen“, sagte Dieckmann. „Wir brauchen für viele Krisenregionen wie etwa Syrien oder Jemen politische Lösungen.“ Ein konkretes Rezept dafür habe sie zwar nicht. „Aber es ist wichtig, dass wir diesen Appell immer wieder wiederholen.“ Das gelte auch für Länder wie die Zentralafrikanische Republik, deren politische Situation „uns gerade nicht auf den Nägeln brennt“, so Dieckmann.

Eine Rolle spiele auch der Klimawandel, der in den kommenden Jahren vermehrt zu extremen Wetterereignissen wie Dürren, Hurrikans oder Überschwemmungen führen könnte. Die Welthungerhilfe-Präsidentin forderte daher die Staatschefs vor der Bonner UN-Klimakonferenz im November auf, die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten. „Wenn eine wichtige Staatsmacht aus dem Abkommen aussteigt“, so Dieckmann mit Blick auf die USA, „dann müssen die anderen Länder umso mehr tun, um die Klimaziele zu erreichen.“

KONTEXT

Wie die Welthungerhilfe den Welthunger misst

Vier Indikatoren

Der Welthunger-Index wird anhand einer Formel berechnet, die drei Dimensionen von Hunger erfasst: unzureichende Kalorienaufnahme, Unterernährung bei Kindern und Kindersterblichkeit. Dafür werden vier Indikatoren herangezogen.

Unterernährung

Der prozentuale Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung (gibt den Anteil der Bevölkerung an, der seinen Kalorienbedarf nicht decken kann)

Auszehrung bei Kindern

Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die ausgezehrt (engl. "wasted") sind (zu geringes Gewicht im Verhältnis zur Körpergröße). Ein Hinweis auf akute Unterernährung.

Wachstumsverzögerung bei Kindern

Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren, deren Wachstum Verzögerungen aufweist (engl. "stunted") (zu geringe Körpergröße im Verhältnis zum Alter). Ein Hinweis auf chronische Unterernährung.

Kindersterblichkeit

Der prozentuale Anteil der Kinder, die vor der Vollendung ihres fünften Lebensjahres sterben.

KONTEXT

Wo die Hungersnot am größten ist

Schweregrad-Skala

Die Welthungerhilfe misst den Schweregrad der Hungersnot in einem Land mit einer fünfstufigen Skala in Werten von 0 bis 100. In Ländern mit einem Indexwert von unter 10 ist die Gefährdung dabei "niedrig" (43 Länder), unter 20 "mäßig" (24 Länder), unter 35 "ernst" (44 Länder), unter 50 "sehr ernst" (sieben Länder) und ab 50 "gravierend" (ein Land). Insgesamt hat die Welthungerhilfe 119 Länder untersucht. Im Folgenden werden die drei schwersten Kategorien und die darin enthaltenen Länder nach Alphabet aufgeführt.

Schweregrad "ernst"

Afghanistan, Angola, Äthiopien, Bangladesch, Benin, Botsuana, Burkina Faso, Dschibuti, Elfenbeinküste, Gambia, Guatemala, Guinea, Guinea-Bissau, Haiti, Indien, Indonesien, Irak, Kambodscha, Kamerun, Kenia, Kongo, Laos, Lesotho, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Myanmar, Namibia, Nepal, Niger, Nigeria, Nordkorea, Pakistan, Philippinen, Ruanda, Simbabwe, Sri Lanka, Swasiland, Tadschikistan, Tansania, Timor-Leste, Togo, Uganda

Schweregrad "sehr ernst"

Jemen, Liberia, Madagaskar, Sambia, Sierra Leone, Sudan, Tschad

Schweregrad "gravierend"

Zentralafrikanische Republik